Aus dem Upside Down auf die Bühne: DJO alias Joe Keery über sein neues Album

Musiker Joe Keery alias DJO freut sich und ist zugleich nervös wegen seines neuen Albums The Crux, das am 4. April erscheint. Der 32-Jährige, bekannt als Steve Harrington aus der Netflix-Serie Stranger Things, rückte im vergangenen Jahr noch stärker ins Rampenlicht, als sein Song "End of Beginning" auf den Sozialen Medien viral ging.
Sein drittes Studioalbum markiert einen stilistischen Wandel – weg von seinem synthielastig-produzierten Sound hin zu einem weitläufigeren, gitarrenbetonten Klang, der an den Pop der späten 60er- und 70er-Jahre erinnert. "Ich glaube, der Aufnahmeprozess hat den Sound beeinflusst", sagt Keery im Gespräch mit Euronews Culture.
The Crux wurde in den legendären Electric Lady Studios in New York aufgenommen, die Jimi Hendrix in den 1970ern gründete. Auch das Studio selbst habe das Album geprägt. "Wir haben damit gearbeitet, was dort zur Verfügung stand. Das hat natürlich die Richtung des Albums beeinflusst", erklärt Keery.
"Ich liebe jegliche Art von Musik, aber irgendetwas am vordigitalen Zeitalter hat mich diesmal besonders fasziniert. Wir wollten den Sound so echt und analog wie möglich halten – weniger Computer, mehr organische Aufnahmetechniken."
Keery, der zwei Karrieren gleichzeitig jongliert, nahm das gesamte Album während der Dreharbeiten zu Stranger Things auf, wo er die Hauptrolle des Steve Harrington spielt.
Für ihn ergänzen sich Schauspiel und Musik gegenseitig – seine Figuren beeinflussen seine Songs jedoch nicht. "Ich bin nicht der Typ Schauspieler, der seine Rolle mit nach Hause nimmt. Ich mag es, mich ein Stück weit von der Masse abzuheben. Ich bin kein Method Actor oder so", erklärt er. "Meine Musik ist wirklich meine eigene."
Sein Tagebuch der ganzen Welt offenlegen
Keery beschreibt sein kommendes Album The Crux als eine Art Tagebuch. "Ich schreibe über Dinge, die in meinem Leben passieren. Die Songs sind nicht unbedingt linear angeordnet, aber es gibt definitiv eine übergeordnete Botschaft", meint er.
Auf die Frage, worum es in The Crux geht, hielt er kurz inne und erklärte dann: "Es geht darum, das zu finden, was einem wirklich wichtig ist, daran festzuhalten und die einfachen Dinge zu schätzen – Freunde, Familie, die Momente, die wirklich zählen."
Gleichzeitig gibt Keery zu, dass es sich verletzlich anfühlt, so persönliche Musik zu veröffentlichen – als würde er sein Tagebuch der ganzen Welt offenlegen. Doch genau das sieht er als Essenz der Kunst. "Es geht darum, mit Menschen in Kontakt zu treten und den Mut zu haben, sich mitzuteilen", sagt er gegenüber Euronews Culture.
"Man legt alles offen und hofft, dass jemand, dem es genauso geht, weiß, dass er nicht allein ist." Trotz gelegentlicher Zweifel empfindet er diesen Prozess als befreiend.
Keery lässt sich nicht nur von persönlichen Erlebnissen inspirieren, sondern auch von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. "Ich glaube, das betrifft uns alle. Es ist schwer, die Welt um uns herum zu ignorieren. Wir leben in einer sehr beängstigenden Zeit", ergänzt der 32-jährige.
Auch wenn er zuletzt keine neuen Songs geschrieben hat, ist er überzeugt, dass persönliche Erfahrungen, geprägt von aktuellen Ereignissen, unweigerlich ihren Weg in seine Musik finden. "So schmerzhaft es auch ist, all das mitanzusehen, und so sehr man sich manchmal abwenden möchte – gerade jetzt ist es wichtiger denn je, hinzuschauen", fügt er hinzu.
Der endlose Fluch und Segen des "Viralgehens"
DJOs Hit "End of Beginning" war einer der Songs, denen man im vergangenen Jahr kaum entkommen konnte. Der eingängige, nostalgische Track fängt die Emotionen ein, die ein bestimmter Ort auslösen kann – in Keerys Fall Chicago, wo er nach der Highschool an der Theaterschule der DePaul University studierte.
Vor allem die Hook, zu deutsch, "Und wenn ich wieder in Chicago bin, fühle ich es. Eine andere Version von mir, ich war dabei. Ich winke dem Ende des Anfangs Lebewohl" verbreitete sich rasant auf TikTok. Nutzer kombinierten den Song mit ihren Reisevideos und machten ihn so zu einem viralen Phänomen.
Mit über einem Dutzend Millionen Klicks auf YouTube und mehr als einer Milliarde Streams auf Spotify stellt sich die Frage: Hat der Erfolg von "End of Beginning"* den Druck auf Keery erhöht, diesen Erfolg zu wiederholen?
"Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht", gibt Keery zu. Ihm ist bewusst, wie besonders die Situation ist, doch bei der Entstehung des Songs habe er nichts anders gemacht als sonst. "Man veröffentlicht Musik – manchmal trifft sie eine Welle, manchmal nicht."
"Sobald ein Song draußen ist, hat man keine Kontrolle mehr darüber. Natürlich möchte ich, dass meine Musik die Menschen erreicht, aber schon vor 'End of Beginning' hatte ich Fans, die sich für meine Songs interessierten. Ich mache Musik für mich, aber auch für sie", erklärt er.
Ob er sich unter Druck gesetzt fühle, neue Songs zu veröffentlichen? Keery meinte, sein neues Album fühle sich an wie eine Mischung aus seinen ersten beiden – "nur mit mehr Reife".
Seine Erwartungen sind hoch, doch er bleibt realistisch: "Noch einmal viral zu gehen, wäre fast unmöglich – aber darum geht es auch nicht. Mein Ziel ist es, den Prozess zu genießen", so Keery abschließend.
Machst du das alles nur, um berühmt zu werden?
Hört man sich aktuelle Musikveröffentlichungen an, fällt auf, dass viele Songs deutlich kürzer geworden sind. Ein möglicher Grund: Kürzere Tracks haben laut einer gängigen Theorie eine größere Chance, viral zu gehen. Keery gibt zu, dass auch er sich zeitweise davon beeinflussen ließ.
"Aber letztendlich kann das niemand vorhersagen. Wenn es so einfach wäre, würden Labels nur noch Hits produzieren", sagt er.
Für ihn kommt es immer auf die Motivation an: "Machst du Musik, weil es dir Spaß macht und du etwas zu sagen hast – oder nur, um berühmt zu werden?" In seinem Fall steht fest: Er wird weiterhin Musik machen, "egal, ob sie viral geht oder nicht".
Delete Ya
Noch vor der Albumveröffentlichung hat DJO heute die zweite Single "Delete Ya"* veröffentlicht. Nach dem Release seines dritten Studioalbums geht er auf Tour – mit Konzerten in den USA und Europa.
Vor allem auf die Europatour freut sich Keery, denn er wird einige Städte und Länder besuchen, in denen er noch nie zuvor war. "Am meisten gespannt bin ich auf Kopenhagen. Eine der Hauptfriseurinnen bei Stranger Things, Sarah Hindsgaul, kommt von dort – und sie erzählt mir seit Jahren davon. Ich freue mich darauf, mir die Stadt endlich anzusehen."
Ein besonderes Highlight der Tour ist für ihn, dass er sie mit Freunden erlebt – sowohl mit seinen Bandkollegen als auch mit seinen alten Weggefährten von Post Animal.
"Es wird eine großartige Zeit. Natürlich will ich die Shows genießen, aber ich möchte auch einfach alles aufsaugen, weil es eine einmalige Erfahrung ist. Gerade jetzt, in dieser Phase meines Lebens, weiß ich, wie vergänglich alles sein kann. Deshalb ist es mir wichtig, diese Momente zu schätzen – und genau das habe ich vor", so Keery abschließend.