Spaniens Wirtschaftsminister im Interview: Migration bleibt eine Chance für Europa
Der spanische Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo sagte Euronews, Migration bleibe eine wirtschaftliche Chance für die Europäische Union, auch wenn die Debatte darüber von "falschen Narrativen" beherrscht werde, die die öffentliche Wahrnehmung von der Realität entkoppelten.
Auf die Frage, ob die Migrationsdebatte einen rassistischen Unterton habe, antwortete er in der Euronews-Sendung 12 Minutes With, dass dies in einigen Fällen zutreffe. Dem müsse jedoch mit Daten begegnet werden - nicht mit politischen Slogans.
Spanien gehört derzeit zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Eurozone. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von 2,9 Prozent erwartet - fast das Dreifache der Wachstumsraten von Deutschland, Frankreich und Italien zusammen.
"Wenn man den spanischen Fall betrachtet, haben wir positive Erfahrungen mit Migration gemacht", sagte Cuerpo. "Ob in absoluten Zahlen oder pro Kopf - die Daten zeigen, dass sie einen positiven Beitrag zur spanischen Wirtschaft leistet."
Untersuchungen der spanischen Zentralbank, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass die im Ausland geborene Erwerbsbevölkerung zwischen 0,4 und 0,7 Prozentpunkte zum spanischen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beigetragen hat. Insgesamt lag das durchschnittliche Wachstum zwischen 2022 und 2024 bei 2,9 Prozent.
Migration spaltet die europäische Politik
Migration ist für die EU zu einem politisch sensiblen Thema geworden. Der Staatenverbund sieht sich mit einer alternden Bevölkerung und einem Arbeitskräftemangel konfrontiert, zugleich aber auch mit wachsendem politischen Druck von Gruppen, die strengere Maßnahmen gegen irreguläre Migration fordern.
Rechtskonservative Parteien verlangen zudem schnellere Rückführungen von Menschen ohne Aufenthaltsrecht sowie eine strengere Kontrolle von Asylanträgen und Verfahren zur Familienzusammenführung.
Anfang dieser Woche erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, nur die Europäer sollten entscheiden, wer nach Europa komme und unter welchen Bedingungen Grenzen überschritten würden. Zudem kündigte sie einen neuen Sanktionsmechanismus gegen Schleusernetzwerke an.
Obwohl Migration sowohl legale als auch irreguläre Zuwanderung umfasst, würden beide Formen im politischen Diskurs häufig vermischt, sagte Cuerpo. Es gebe eine deutliche Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und den zugrunde liegenden Daten, die durch falsche Erzählungen weiter verstärkt werde.
Er verwies auf eine Umfrage in Spanien, in der Befragte die Zahl der Migranten sowie den Anteil jener, die staatliche Leistungen beziehen, etwa doppelt so hoch einschätzten wie tatsächlich.
Anfang dieser Woche einigten sich die EU-Innenminister auf eine umfassende Reform der Migrationsregeln. Diese könnte zur Einrichtung von Rückführungszentren für Migranten in Ländern außerhalb der EU führen - unabhängig davon, ob es sich um Herkunfts- oder Transitstaaten handelt.
Cuerpo ist seit 2024 Wirtschaftsminister in der spanischen Regierung, einer der wenigen progressiven Regierungen in der EU. Spanien könne zeigen, dass Politik auch anders gestaltet werden könne, sagte er.
"Es spricht viel dafür, Themen positiv zu besetzen, die häufig ins Negative gedreht werden. Migration ist eines davon."
"12 Minutes With… Carlos Cuerpo" wird am 12. Dezember auf Euronews ausgestrahlt.