Wie funktioniert das deutsche Wahlsystem und was ändert sich dieses Mal?
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In diesem Jahr tritt zum ersten Mal ein reformiertes Wahlgesetz in Kraft, das den aufgeblähten Bundestag verkleinern soll und Veränderungen bei Verteilung der Parlamentssitze mit sich bringt.
Die Bundestagswahlen finden alle vier Jahre statt. Wahlberechtigt sind alle über 18-Jährigen und die Wahllokale öffnen zwischen 08.00 und 18.00 Uhr Ortszeit. Einige haben ihre Stimme bereits vor dem 23. Februar per Briefwahl abgegeben.
Die Wahlberechtigte in Deutschland wählen ihren Bundeskanzler nicht direkt, aber das Ergebnis der Wahl bestimmt letztendlich, wer regiert und wer das Amt erhält. Die Parteien stellen im Vorfeld der Wahl Kanzlerkandidaten auf.
Auf jedem Stimmzettel gibt es zwei Stimmen.
Mit der Erststimme wird ein Kandidat gewählt, der im Wahlkreis des Wählers kandidiert. Es gibt 299 Wahlkreise in Deutschland. Der Kandidat, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, gewinnt einen der Sitze im Parlament, die nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben werden.
Mit der Zweitstimme wird eine Partei gewählt, die im Bundesland des Wählers kandidiert. Diese Stimme gilt als die wichtige, weil sie bestimmt, wie die Sitze des Bundestages nach dem Verhältniswahlrecht auf die Parteien verteilt werden.
Was ist die 5%-Hürde?
Eine Partei kann nur dann im Bundestag vertreten sein, wenn sie entweder bundesweit 5% der Zweitstimmen erhält oder bei der Erststimme drei Direktkandidaten aufstellt, also 3 Kandidaten gewinnen.
Im Jahr 2021 hatte die Linke den Einzug in den Bundestag mit 4,9% der Stimmen eigentlich knapp verfehlt. Aber Dank drei Kandidaten, die ihre Wahlkreise gewonnen haben, durfte Die Linke mit 39 Abgeordneten ins neue Parlament einziehen.
Die 5%-Regel soll eine politische Zersplitterung und einen Stillstand in der Gesetzgebung verhindern.
In diesem Jahr liegen drei Parteien - die wirtschaftsfreundlichen Freien Demokraten (FDP), die Linke und das Sahra Wagenknecht-Bündnis (BSW) - in den Umfragen um die 5 %-Marke. Ob sie die Hürde erreichen oder nicht, könnte sich entscheidend auf die Sitzverteilung auswirken und die Bemühungen um die Bildung einer Mehrheitskoalition beeinflussen.
Eine Zweierkoalition könnte wahrscheinlicher werden, wenn diese drei Parteien die 5%-Hürde nicht erreichen.
Was sind die so genannten "Überhangmandate" und warum werden sie abgeschafft?
In der Vergangenheit wurden zusätzliche Bundestagsmandate, so genannte Überhangmandate, geschaffen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten aufgestellt hat, als ihr bei der Zweitstimme Sitze zustanden. Die zusätzlichen Sitze dienten dazu, diese Mitglieder aufzunehmen und die Sitzverteilung im Parlament "auszugleichen".
Das so genannte "Überhangmandat" waren ein umstrittener Aspekte des deutschen Wahlsystems. Sie führten dazu, dass der Bundestag in den letzten Jahren immer größer geworden ist und nach der Wahl 2021 die Rekordzahl von 735 Sitzen erreicht hat.
Diese Regel hatte auch dazu geführt, dass frühere Koalitionen eine viel komfortablere Mehrheit hatten, als sie es ohne das Überhangmandat gehabt hätten. Dies war 2002 der Fall, als die rot-grüne Koalition unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder von dem Polster der Überhangmandate profitierte.
Bei dieser Wahl tritt erstmals ein neues Wahlrecht in Kraft, das das Überhangmandat abschafft. Die Zahl der Bundestagsmandate wird auf 630 begrenzt. Das bedeutet auch, dass einige Gewinner eines Wahlkreises leer ausgehen könnten und keinen Sitz im Bundestag bekommen, wenn ihre Partei nicht genügend Stimmen erhält.
Wie wird eine Regierung gebildet?
Sobald die Sitze zugeteilt sind, nehmen die Parteigruppen Verhandlungen auf, um eine Mehrheitskoalition zu bilden. Dieser Prozess kann Wochen, wenn nicht Monate dauern.
Die Koalitionskonstellationen werden oft nach den Farben der Parteien benannt.
Dieses Mal gilt die so genannte große Koalition zwischen der konservativen Union (CDU/CSU) und der SPD als möglich. Ebenso als möglich eingeschätzt werden eine "Kenia-Koalition" (CDU, SPD, Grüne) und die "Deutschland-Koalition" (CDU, SPD, FDP).
Wie wird der Bundeskanzler gewählt?
Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten und in der Regel im Einvernehmen mit den Koalitionsparteien von den Abgeordneten des Bundestags gewählt. Der deutsche Bundespräsident ist derzeit Frank-Walter Steinmeir.
Der Bundestag entscheidet, wer an der Spitze der Bundesregierung steht, denn der Kanzlerkandidat muss vor seinem Amtsantritt die absolute Mehrheit der Bundestagsabgeordneten auf sich vereinen.
Erhält der Kandidat im ersten Wahlgang keine Mehrheit, findet ein zweiter Wahlgang statt. Scheitert dieser, hat der Bundestag 14 Tage Zeit, einen anderen Kandidaten zum Kanzler zu wählen.
Verfolgen Sie die Bundestagswahl live auf Euronews am Sonntag, 23. Februar, ab 17.30 Uhr MEZ.