Handel, KI, Ukraine: Warum die EU-Kommission in Delhi ist

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und mindestens 20 weitere EU-Kommissare sind am Donnerstag für eine zwei-tägige Reise nach Indien geflogen. In Delhi werden sie unter anderem Ministerpräsidenten Narendra Modi treffen.
Ziel der Charmeoffensive ist es, die "strategische Partnerschaft" zwischen Indien und der EU wiederzubeleben. Die EU erhofft sich von der Reise einen besseren Zugang zum indischen Markt, die Zusammenarbeit in wichtigen Technologiebereichen voranzutreiben und die Unterstützung Indiens in der Ukraine zu gewinnen. Doch Indien ist nicht der einfachste Partner.
Die Handelsverhandlungen zwischen dem bevölkerungsreichsten Staat der Welt und der EU wurden 2007 ohne großen Erfolg aufgenommen. Nach mehreren schwierigen Anläufen, soll der diesjährige Besuch der Kommission ein Neustart sein.
Die Europäische Kommission will diversere Handelsabkommen in der ganzen Welt abschließen, seitdem die Handelsbeziehungen zu ihren wichtigsten Partnern - den USA und China - sich angespannt sind.
Im Jahr 2024 tauschten die EU und Indien Waren im Wert von 120 Milliarden Euro aus. Das Potenzial für eine Ausweitung des Handels wurde bisher dadurch gebremst, dass die Europäer Indien als protektionistischen Partner wahrnehmen, mit dem Verhandlungen oft schwierig sind. "Indiens Markt ist relativ geschlossen", so ein hochrangiger EU-Abgeordneter, "vor allem bei wichtigen Produkten, die für die EU und die Industrie unserer Mitgliedstaaten von kommerziellem Interesse sind".
Die EU wird sich um den Zugang zu einigen wichtigen Exportgütern wie Autos, Spirituosen und Wein bemühen. Alkohol ist jedoch ein heikles Verhandlungsthema, da Indien strenge staatliche Vorschriften und hohe Zölle hat. Generell will die EU die Verhandlungen über ein Abkommen wieder aufnehmen, das Zölle und nichttarifäre Hemmnisse, aber auch Verpflichtungen über den Zugang zu öffentlichen Aufträgen umfasst.
Zusammenarbeit im Technologiesektor
Vor allem im Technologiesektor verfolgen Indien und die EU gemeinsame Interessen. Die EU hofft, davon profitieren zu können.
Nach einem erneuten Scheitern der Handelsverhandlungen im Jahr 2021 haben die beiden Verhandlungspartner 2023 einen Handels- und Technologierat ins Leben gerufen. Dieser wird während der diesjährigen Reise zum zweiten Mal zusammenkommen, um über die Zusammenarbeit im Technologiebereich zu sprechen.
Ein Thema der Diskussionen wird die Künstliche Intelligenz sein. Ministerpräsident Narendra Modi hat erst kürzlich den KI-Aktionsgipfel in Paris mit geleitet. In sechs Monaten wird Indien erneut einen Gipfel zum Thema KI aursichten. "Die EU und Indien hinken bei der Entwicklung von KI hinter China her, dies könnte ein fruchtbarer Bereich der Zusammenarbeit sein", so Anunita Chandrasekar, Expertin am Centre for European Reform.
Die Beziehungen zwischen Indien und China sind angespannt. Im Juni 2020 hatte die Regierung in Delhi die Nutzung von TikTok in Indien aus Gründen der nationalen Sicherheit verboten.
"Die Zusammenarbeit zwischen Start-ups in kritischen Sektoren wie Quantencomputing, EV-Batterien und Halbleiterherstellung ist ein Gesprächsthema zwischen Indien und der EU", erklärt Expertin Chandrasekar weiter.
Die EU unterzeichnete im November 2023 ein Abkommen mit Indien im Bereich der Halbleiterindustrie, für die sich mehrere indische Bundesstaaten als Knotenpunkte etablieren wollen.
Ukraine: Indien auf europäische Seite bekommen
Bei den bilateralen Gesprächen zwischen Narendra Modi und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird die Ukraine im Mittelpunkt stehen. Die EU wird versuchen, Indien für ihre Sache zu gewinnen, v.a. vor dem Hintergrund der Friedensverhandlungen zwischen Russland und den USA, von denen die Europäer derzeit ausgeschlossen sind.
Die Ukraine bleibt jedoch ein heikles Thema zwischen den beiden Verhandlungsseiten, da Indien - ein historischer Verbündeter Russlands - eine "Äquidistanz" zu beiden Seiten des Konflikts beibehält. Indien enthielt sich bei der UN-Resolution vom Montag, in der die russische Aggression verurteilt und der sofortige Rückzug von Putins Truppen aus der Ukraine gefordert wurde. Die USA stimmten jedoch gegen diese Resolution und verstärkten damit den Druck auf die EU, in einer Zeit sich verändernder Allianzen neue Handelsbeziehungen zu knüpfen.
"Die Europäer werden versuchen, ihre indischen Kollegen davon zu überzeugen, dass die Sicherheit der Ukraine für die Sicherheit der EU und Indiens von Bedeutung ist", betonte ein hochrangiger Abgeordneter. Er fügte hinzu: "Wir sind die Verfechter von Sicherheit und Frieden in der Ukraine. Wir sehen Indien als einen wichtigen Partner, wenn es darum geht, sich für einen dauerhaften Frieden einzusetzen."
Ein weiterer Punkt, den Von der Leyen ansprechen wird, sind die Sanktionen, die die EU gegen Russland aufrechterhält, und die Durchsetzung dieser Sanktionen durch Indien. Die EU hat Sanktionen gegen indische Unternehmen verhängt, die die bestehenden Maßnahmen umgangen haben. "Wir wollen sicherstellen, dass diese Sanktionen wirksam sind", sagte der Abgeordnete.
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