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Macht die Wehrpflicht Deutschland verteidigungsfähig?

• Apr 12, 2025, 7:01 AM
14 min de lecture
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Anfang März forderte der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Florian Hahn, die Wiedereinführung der Wehrpflicht noch in diesem Jahr. "Wir können ja nicht teilnahmslos zuschauen, wie die Welt um uns herum unsicherer wird", sagte er der Bild.

Nach der Verabschiedung des schuldenfinanzierten Sondervermögens für Verteidigung und Infrastruktur im Bundestag rückt nun die Wehrpflicht in den Fokus. Doch wie könnte eine Wiedereinführung aussehen – und wäre sie überhaupt die Lösung für Deutschlands Verteidigungsproblem?

Drei Soldaten des Artillerielehrbataillons 345 auf den Truppenübungsplatz in Munster.
Drei Soldaten des Artillerielehrbataillons 345 auf den Truppenübungsplatz in Munster. Donogh McCabe

Warum wurde die Wehrpflicht ausgesetzt?

Die Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt und ist bis heute in Artikel 12a des Grundgesetzes verankert.

Selbst nach dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung wurde die Wehrpflicht nicht abgeschafft. Doch bereits seit ihrer Einführung konnte man sie aus Gewissensgründen verweigern. In diesem Fall musste ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung bewilligt werden, und stattdessen wurde ein Ersatzdienst im Sinne des Gemeinwohls, auch bekannt als Zivildienst, geleistet.

Bis 2011 mussten Männer ab 18 Jahren ihren Wehrdienst in der Bundeswehr leisten – bis der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Pflichtdienst aussetzte.

Die Wehrpflicht wurde damals ausgesetzt, um die Bundeswehr von rund 255.000 Soldaten auf bis zu 185.000 zu verkleinern. Als Grund wurde auch damals die dauerhaft veränderten sicherheits- und verteidigungspolitische Lage genannt, die damals kein großes Risiko darstellte. Laut den aktuellsten Daten der Bundeswehr vom Mai 2024 beträgt die Gesamtstärke der Bundeswehr knapp unter 261.000 Soldaten, darunter 180.215 militärisches Personal und 80.761 zivile Mitarbeiter.

Bis 2031 soll die Truppenstärke jedoch auf rund 203.000 Soldaten und Soldatinnen erhöht werden. Grund für diese Erhöhung ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die sich daraus ergebende grundlegende Änderung der Sicherheitslage in Europa, heißt es in einem Gesetzesentwurf von Dezember letzten Jahres.

Um diese Zahl zu erreichen, kommt die Wiederaufnahme der Wehrpflicht ins Spiel. Doch auch wenn dies wie eine einfache Antwort klingen mag, ist das nicht der Fall.

"Es gibt eine theoretische und eine praktische Antwort", erklärt PD Dr. Frank Sauer, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in München. "Die theoretische Antwort ist: Ja, gesetzlich können wir die Wehrpflicht wieder aktivieren. Praktisch hätte das jedoch erstmal kaum Konsequenzen, weil es keine Instrumente und Strukturen mehr gibt, um Leute in nennenswertem Umfang zu mustern, einzuziehen und auszubilden."

Frank Sauer
Frank Sauer Donogh McCabe

Damit ist unter anderem die Logistik gemeint, die schlichtweg nicht mehr existiert und somit nicht für Wehrpflichtige genutzt werden kann. So mangelt es der Bundeswehr im Falle einer Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht nur an Personal, das die neuen Rekruten trainiert, sondern auch an Kasernen und Kreiswehrersatzämtern.

"Die gesamte dazugehörige Infrastruktur gibt es gar nicht mehr", ergänzt Sauer. Sauer sieht in der Wehrpflicht keine einfache Lösung und rät davon ab, sie als Instrument zur Bekämpfung des Personalproblems der Bundeswehr und zur Erreichung der angestrebten Zahl von 203.000 Soldaten einzusetzen.

"Wir brauchen zuerst eine Antwort auf die Frage, warum wir eine Pflicht einführen würden, die entweder dazu führt, dass ich mich an der Waffe ausbilden lasse oder – wie ich damals– als Rettungssanitäter beim Roten Kreuz arbeite. Wozu soll die Pflicht dienen? Und die daran anschließende Frage ist dann, ob wir eine Aussicht haben, dieses Ziel, das wir uns setzen, mit dem Mittel, dem Instrument, das wir gedenken zu nutzen, zu erreichen."

Die "Ziel-Mittel-Diskussion"

Bevor die Wehrpflicht wiederaufgenommen wird, muss zuerst eine "Ziel-Mittel-Diskussion" geführt werden, meint Sauer. Momentan bestehe in Deutschland weder ein Konsens noch eine abgestimmte Debatte über den Sinn der Wehrpflicht. So sind sich auch die möglichen Koalitionspartner der nächsten Regierung noch uneinig, wie und ob die Wehrpflicht durchgeführt werden soll.

Berichten des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge sei die Union für eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, um so eine "glaubwürdige Abschreckung" zu erzielen. Die SPD hingegen bleibe bei dem Prinzip der Freiwilligkeit, schlägt aber vor, die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und -überwachung zu schaffen.

Neben der Politik muss aber auch in der Gesellschaft ein Konsens darüber hergestellt werden, welchen Zweck die Wehrpflicht erfüllen soll.

"Einige glauben, damit wächst die Bundeswehr", so Sauer. "Andere glauben, dass den jungen Leuten dann endlich mal wieder Disziplin beigebracht wird. Wiederum andere denken, dass wir dann endlich Bevölkerungsschutz haben und die Blaulichtorganisationen wieder mehr Leute bekommen, mit denen sie arbeiten können. Wieder andere denken, dass wir dann mehr sozialen Zusammenhalt haben."

Die Wehrpflicht kann also nicht nach dem Motto "one size fits all" eingeführt werden und muss dementsprechend unterschiedlich gestaltet werden. Ob es für mögliche Änderungen der Wehrpflicht eine Mehrheit im Parlament geben würde, bleibt zudem fraglich. "Das, was wir jetzt einsetzen könnten, wäre die Wehrpflicht, wie sie früher mal war", erklärt der Politikwissenschaftler gegenüber Euronews.

Ein Soldat auf dem Truppenübungsplatz Munster.
Ein Soldat auf dem Truppenübungsplatz Munster. Donogh McCabe

Dieser Pflichtdienst bezieht sich nur auf Männer. Bei einem modernisierten Konzept der Wehrpflicht müsse man demnach auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, Frauen einzuziehen.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte dazu in einem Interview mit dem ZDF, es sei nicht die Kernaufgabe, "eine geschlechtergerechte Bundeswehr zu stärken, sondern vor allem eine bessere und effektivere Bundeswehr." Auch er betonte erneut den Abschreckungseffekt, den die Bundeswehr erzielen solle.

"Wir wollen eine Bundeswehr, die so stark ist, dass es sich nicht lohnt, uns anzugreifen", so Söder. Doch auch mit einer Wehrpflicht wird die Bundeswehr nicht von heute auf morgen stärker.

Sauer meint, dass es in der Bundeswehr kaum Interesse gibt, sich wieder mit Wehrdienstleistenden zu befassen. "Die Truppe hat ein massives Personalproblem, und es mangelt nicht zuletzt an Ausbildern", fügt der Politikwissenschaftler hinzu.

"Wenn diese nun zusätzlich noch Grundwehrdienstleistende ausbilden müssten, würde der professionelle Teil der Truppe noch stärker belastet. In fast keinem Gespräch, das ich geführt habe, hat jemand gesagt: 'Das ist eine super Idee, wir führen den Wehrdienst wieder ein'."

Ein Soldat des Artillerielehrbataillons 345 auf einer Panzerhaubitze 2000.
Ein Soldat des Artillerielehrbataillons 345 auf einer Panzerhaubitze 2000. Donogh McCabe

Sein Land mit der Waffe verteidigen

Den Aussagen von Politikern wie Söder und Hahn zufolge sollte die Wehrpflicht hauptsächlich dazu dienen, die Bundeswehr zu stärken. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für RTL und ntv würden lediglich 17 Prozent der Deutschen im Falle eines militärischen Angriffs selbst zur Waffe greifen, um ihr Land zu verteidigen.

Eine Studie des französischen Verteidigungsministeriums ergab hingegen, dass 51 Prozent der 18- bis 25-Jährigen bereit wären, in der Ukraine zu kämpfen, wenn dies zur Verteidigung Frankreichs nötig wäre. Auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die 1997 abgeschafft wurde, wird in Frankreich mit rund 62 Prozent unterstützt.

Laut einer YouGov-Umfrage befürworten auch 58 Prozent der Deutschen die Wiederaufnahme der Wehrpflicht. Laut der Welt lehnt jedoch eine Mehrheit der 18- bis 29-Jährigen (61 Prozent) die Wiedereinführung der Wehrpflicht ab.

Ob und in welcher Form die im Grundgesetz verankerte Wehrpflicht wiedereingeführt werden soll, ist noch unklar. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass sie nicht über Nacht wieder eingeführt werden kann.


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