#HeerzlichWillkommen: Rekrutieren Influencer für die Bundeswehr?

"Kriegstüchtigkeit" ist ein Wort, das vom Bundesverteidigungsminister, Boris Pistorius (SPD), verwendet wurde, wenn es um die Zukunft der deutschen Streitkräfte geht.
Dazu gehören nicht nur die Beschaffung der Gerätschaften, sondern auch die Anwerbung von Rekruten durch die kommende Wehrpflicht. Zunächst soll diese noch auf Freiwilligkeit basieren und ab 2031 jährlich bis zu rund 40.000 Rekruten umfassen.
Um diese freiwilligen Rekruten anzuwerben, müssen die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium mehrere Aktionen und Kampagnen starten, damit die jungen Menschen überhaupt erreicht werden können.
Dazu gibt es mitunter das "Bundeswehr Karriere"-Konto auf den sozialen Medien. Dort erzählen aktive Soldaten und Soldatinnen aus den verschiedensten Einheiten von ihrem Alltag.
Das Konto ist sowohl für Soldaten und Soldatinnen als auch Interessenten ausgelegt. Über den Link in der Instagram-Bio kann man mit nur wenigen Klicks ein Beratungsgespräch anfragen und somit den ersten Schritt in Richtung Bundeswehr machen.
Sollte man sich entscheiden, der Armee beizutreten, muss man seine privaten Konten in den sozialen Netzwerken nicht löschen.
Gegenüber Euronews bestätigt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass es allen Angehörigen der Bundeswehr grundsätzlich erlaubt ist, auf privaten Kanälen über ihren eigenen Dienstalltag zu berichten und die Bundeswehr in "authentischer Weise" sichtbar zu machen.
Dafür haben das Ministerium und die Bundeswehr einen öffentlichen Leitfaden bereitgestellt. Dort heißt es zum Beispiel, dass Konten als "privat" gekennzeichnet werden müssen. So soll sichergestellt werden, dass es für Außenstehende klar ist, dass der Inhalt nicht von der Bundeswehr in Auftrag gegeben worden ist, sondern unabhängig erstellt wurde.
In den vergangenen Jahren ist, als Folge des immer wichtiger werdenden Verteidigungsthemas, die Popularität sogenannter "Militär-Influencer" gestiegen. Diese Content Creator sind meist aktive Soldaten, die über ihr alltägliches Leben und ihren Beruf aufklären und Videos von Bundeswehrübungen posten.
So werden Videos und Fotos in Uniform gepostet oder Mitschnitte von Trainings auf dem Panzer, unterlegt mit dramatischer Musik – oder eben auch Trend-Songs, wie beispielsweise Charli XCXs und Lordes Remix "Girl, so confusing".
Hollywood-Actionfilm oder Bundeswehr-Training?
Wenn es um aufwendig geschnittene Beiträge mit epischer Musik geht, fällt schnell der Name Josh Krebs, im Netz bekannt als "Cinematic Sergeant". Seine Videos produziert er laut eigener Aussage komplett eigenständig, ohne jegliche Unterstützung der Bundeswehr.
Dennoch hätten seine Inhalte spürbaren Einfluss: "Bei mir am alten Standort war gefühlt die Hälfte der Soldaten in der Ausbildung zum Panzersoldaten wegen der Videos da", sagt er im Interview mit Euronews.
Der Generalsekretär des Verbands Deutscher EinsatzVeteranen e.V., Andreas Eggert, sieht das Konzept der "Militär Influencer" dennoch ein wenig kritisch.
Er verstehe, dass junge Soldatinnen und Soldaten stolz auf ihren Dienst sind und diesen gern modern und ansprechend zeigen wollen, "aber wenn der Dienst zu sehr in Szene gesetzt wird, als wäre er ein Abenteuerfilm, dann verlieren wir schnell den Blick für das, worum es wirklich geht".
Bundeswehr sei 'kein Lifestyle-Produkt'
Er fügt hinzu, dass die Bundeswehr "kein Lifestyle-Produkt" ist.
"Sie ist eine Parlamentsarmee, die für Aufgaben eingesetzt wird, die im Einklang mit unserer Verfassung stehen – also ernsthafte, oft herausfordernde und belastende Einsätze im In- und Ausland. Der Dienst verlangt Verantwortung, Disziplin, Kameradschaft und im Ernstfall auch persönliche Härte und Entbehrung. Wenn Videos den Eindruck erwecken, alles sei 'cool', 'episch' oder gar 'witzig', entsteht schnell ein Bild, das mit der Realität nichts zu tun hat. Schlimmer noch: Wenn Soldaten im Netz inszeniert werden wie Actionhelden oder Comedy-Formate bedienen, gerät das Vertrauen in Ernsthaftigkeit und Professionalität der Truppe ins Wanken – sowohl bei der Gesellschaft als auch bei potenziellen Bewerbern", so Eggert.
Ihm zufolge brauche eine starke Armee ein realistisches Bild, nicht Überhöhung oder Verharmlosung. "Wer sich für diesen Beruf entscheidet, sollte wissen, worauf er oder sie sich einlässt. Das sind wir den Menschen in der Truppe und auch unserer Demokratie schuldig", schließt Eggert.
Krebs kennt die Kritik, gerade angesichts der Warnungen, Russland könne in den nächsten Jahren ein NATO-Land angreifen.
Aus Krebs Sicht sei deswegen eine starke Verteidigung entscheidend: "Wenn wir gut ausgerüstet sind und genug Menschen haben, die bereit sind, unser Land aus Überzeugung zu verteidigen, dann kann man so etwas verhindern. Und wenn es wirklich zu einem Angriff käme, müssten wir uns früher oder später sowieso damit auseinandersetzen", erklärt er und fügt hinzu, dass dann der Unterschied, ob man freiwillig dient oder nicht, "am Ende wohl egal" wäre.
Um möglichst viele Menschen zu erreichen, taggt Krebs seine Beiträge mit dem Hashtag #BundeswehrKarriere. Dies sei einer der Hashtags, der am meisten geklickt werde und über den seine Beiträge von möglichst vielen Menschen gefunden werden können.
Seine Aussage spiegelt das Bestreben von Pistorius wider: Eine starke Bundeswehr zu haben, sodass man gar nicht erst angegriffen wird.
'Staatsbürger in Uniform'
Generell dürfen sich Soldatinnen und Soldaten auch kritisch zur Bundeswehr äußern, denn schließlich gilt für sie als "Staatsbürger in Uniform" das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). Kritische oder politische Aussagen sollten demnach nur in ziviler Kleidung getätigt werden.
Aber auch dort gibt es Grenzen, denn diese Freiheit endet dort, wo dienstliche Pflichten beginnen, so Eggert. "Nach § 10 des Soldatengesetzes müssen sie sich achtungs- und vertrauenswürdig verhalten, § 17a SG verlangt besondere Zurückhaltung in der Öffentlichkeit. Wer pauschal abwertet oder Interna preisgibt, riskiert dienstrechtliche Konsequenzen, selbst auf privaten Kanälen."
Besonders heikel wird es jedoch bei Bildern oder Videos aus dem Dienst: Laut den Zentralen Dienstvorschriften A-2620/1 ("Social Media") und A-2630/1 ("Information der Bundeswehr") braucht es für Aufnahmen aus Ausbildung, Kasernen oder vom Schießstand meist eine Genehmigung – vor allem, wenn sicherheitsrelevante Inhalte, Uniformen oder Standorte zu erkennen sind.
'Heimliche Bundeswehr-Rekrutierungstools'
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärt gegenüber Euronews, dass für Social-Media-Auftritte von Personen, die dem Bundesministerium der Verteidigung zugeordnet werden können, die gleichen Regeln gelten wie für Soldatinnen und Soldaten.
Auch David Matei bestätigt dies gegenüber Euronews und nennt als Beispiel die Münchner Sicherheitskonferenz. Dort habe er die Inhalte der Videos angepasst, sofern er in Uniform war.
"Ich habe mich im Studio umgezogen, nachdem ich davor in Uniform über meinen Alltag gesprochen habe." Danach fasste er den Tag in ziviler Kleidung für ein Video zusammen.
Auch Krebs versucht, sich in Uniformen in den Videos politisch nicht groß zu äußern. Dennoch lege er großen Wert auf den Aufklärungsteil seiner Arbeit als Content Creator, um nicht nur die guten Seiten des Militärs zu zeigen, sondern auch, "was da für Probleme mit einhergehen können".
Dass die Content Creator jedoch ein "heimliches Rekrutierungstool der Bundeswehr" seien, lehnt Matei ab. Auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigt das Verteidigungsministerium auch, dass keine direkten Zahlungen an Matei fließen. Weiter heißt es jedoch, dass die Behörde einräumte, dass "seine Inhalte dienstlich beraten werden". Diese Aussage hat Matei gegenüber Euronews dementiert.
Auf Anfrage von Euronews schreibt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass es "allen Angehörigen der Bundeswehr frei steht, sich bei Unklarheiten hinsichtlich der rechtlichen Dimension ihrer Aktivitäten auf Social Media an Ihre Vorgesetzten zu wenden. Besondere Sorgfalt ist bei Aspekten der militärischen Sicherheit und beim Schutz von Persönlichkeitsrechten Dritter geboten. Auch ist die dienstliche Funktion klar vom privaten Engagement als Content Creator abzugrenzen."
Konkret zu David Matei heißt es dem Statement zufolge, dass "die privaten Aktivitäten von Hauptmann Matei nicht gesondert durch den Geschäftsbereich des BMVg unterstützt werden. Davon abgesehen ist es aber möglich, dass dienstliche Eindrücke und Begegnungen auch in die private Content-Gestaltung einfließen können."
Das bestätigt auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber Euronews. "Wie bereits erwähnt handelt es sich um privat betriebene Kanäle, die klar von der regierungsamtlichen Kommunikation bzw. der Informationsarbeit der Bundeswehr zu trennen sind", so der Sprecher.
"Deren Inhalte werden also weder ministeriell beeinflusst, noch können sie daher in Hinblick auf Ihre Fragestellung kommentiert oder bewertet werden."
Today