"Nie wieder still" - Berliner CSD setzt Zeichen für Vielfalt

In Berlin haben Zehntausende Menschen den Christopher Street Day (CSD) gefeiert und ein deutliches Zeichen für die Rechte von Schwulen, Lesben, trans*, inter- und bisexuellen Personen gesetzt. Die diesjährige Parade stand unter dem Motto „Nie wieder still“.
Der Demonstrationszug, bestehend aus etwa 80 bunt geschmückten Wagen und über 100 teilnehmenden Gruppen, bewegte sich von der Leipziger Straße über den Potsdamer Platz durch Schöneberg bis zur Siegessäule und endete schließlich am Brandenburger Tor. Die Veranstalter rechneten mit mehreren Hunderttausend Teilnehmenden. Offizielle Zahlen lagen bis zum Nachmittag noch nicht vor.
Die Veranstalter hatten im Vorfeld auf die angespannte und besorgniserregende Situation hingewiesen. Behörden zufolge nehmen queerfeindliche Straftaten seit Jahren kontinuierlich zu. Ein gemeinsamer Lagebericht des Bundeskriminalamts und des Bundesinnenministeriums vom Ende des Jahres 2024 zeigt, dass sich die registrierten Delikte in den Kategorien "sexuelle Orientierung" und "geschlechtsbezogene Diversität" seit 2010 fast verzehnfacht haben. Diese Entwicklung wird unter anderem auf die gestiegene Sichtbarkeit queerer Menschen sowie eine höhere Bereitschaft zur Anzeige zurückgeführt. Experten gehen trotzdem weiterhin von einer erheblichen Dunkelziffer aus.
Zu einer rechtsextremen Gegenkundgebung in Berlin erschienen laut Polizei deutlich weniger Teilnehmende als ursprünglich angemeldet. Obwohl rund 400 Personen angekündigt worden waren, blieb die tatsächliche Zahl laut einer Polizeisprecherin "deutlich" darunter.
Die Anmelderin der Demonstration wurde festgenommen. Gemeinsam mit fünf weiteren Personen wurde sie in der Messer- und Verbotszone am Alexanderplatz kontrolliert. Gegen die Gruppe wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet – unter anderem wegen Beleidigung, der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz.
Tradition seit 1969
Die CSD-Kundgebung erinnert an die Ereignisse vom 28. Juni 1969, als die Polizei die Schwulenbar Stonewall Inn in der Christopher Street in New York stürmte. Die Razzia löste mehrtägige Auseinandersetzungen zwischen queeren Aktivistinnen und Aktivisten und den Sicherheitskräften aus. Der sogenannte Stonewall-Aufstand gilt heute als Wendepunkt und Beginn der modernen Bewegung für die Rechte von Schwulen, Lesben und anderen queeren Menschen.
Im Gegensatz zu den Vorjahren wurde am Deutschen Bundestag in diesem Jahr keine Regenbogenflagge gehisst. Die Entscheidung, darauf zu verzichten, traf Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) und löste kontroverse Reaktionen aus.
Aus Protest gegen die Entscheidung entrollten Aktivisten am späten Freitagnachmittag eine riesige Regenbogenflagge mit einer Fläche von 400 Quadratmetern auf dem Rasen vor dem Parlament. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hingegen entschied sich bewusst dafür, die Regenbogenfahne am Gebäude des Bundesrats in der Leipziger Straße zu hissen.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ließ die Regenbogenfahne hissen. "Wir leben in Zeiten, in denen wir leider Gottes wieder verstärkt Hasskriminalität erleben. Schwule, Lesben, Trans-Personen werden angegriffen, verbal, aber auch durch Gewalt", sagte er dem Sender Welt TV. Das dürften "wir nicht dulden". Ein klares Zeichen zu setzen, auch seitens der Politik, sei wichtig.