Maut für Wanderweg auf den Dolomiten? Das steckt dahinter

Der Wanderweg auf dem Seceda in den italienischen Dolomiten ist zu einem beliebten Ort für Touristen geworden. Vor allem wegen seiner dramatischen aussehnden Geislerspitzen. Doch sein wachsender Ruhm in den sozialen Medien wird zum Albtraum für die Bewohner in Südtirol.
In diesem Sommer haben Wanderer und Einheimische Bilder von der Route geteilt, auf der die Touristen Schlange stehen, um Instagram-würdige Bilder zu machen. Berichten zufolge waren vergangene Woche an einem einzigen Tag rund 8.000 Menschen auf dem Wanderweg unterwegs.
Den örtlichen Landwirten reicht es. Sie haben beschlossen eigenständig ein Drehkreuz am Anfang des Weges zu installieren. Die Maßnahme ist umstritten. Doch sie beleuchtet ein breites und wachsendes Problem: den Übertourismus, schlechtes Verhaltens mancher Besucher und die Umweltschäden in Italiens Bergen.
Bauern verlangen eine Touristengebühr
Seit Anfang Juli steht das Drehkreuz und nun ist eine Mautgebühr auf dem Geislerweg fällig, um gegen den ständigen Zustrom von Touristen zu protestieren, die ihrer Meinung nach das Gebiet nicht respektieren.
"Die Wege sind verwahrlost und die Wiesen voller Müll", heißt es in einer Erklärung. Das Drehkreuz wurde von den Behörden des Naturparks Puez-Geisler schnell wieder abgebaut, in den letzten Tagen jedoch wieder in Betrieb genommen.
Die Landbesitzer erklärten in einer Stellungnahme, dass die ursprüngliche Installation des Drehkreuzes in erster Linie als Provokation gedacht war - oder als "Hilferuf", wie die Lokalzeitung Il Dolomiti es beschreibt. Da sie jedoch keinen Kontakt von "politischen Vertretern, Verbänden oder Organisationen" erhielten, beschlossen sie, das System wieder zu aktivieren.
Jeder, der auf der Route wandern möchte, wird gebeten, eine Gebühr von 5 Euro zu entrichten. Kinder und Anwohner sind ausgenommen. Es ist eine Person anwesend, die Zahlungen entgegennimmt, die in bar oder mit Karte erfolgen können.
Die Eigentümer sagen, sie seien gezwungen gewesen, eine Maut zu erheben, um die Schäden an ihren Grundstücken auszugleichen und die Instandhaltung der Pisten zu finanzieren.
Bergsteigerverbände wettern gegen das Drehkreuz
Lokale Tourismusverbände und Bergführer haben sich in die Debatte eingemischt und verurteilen das Vorgehen der Landbesitzer. "Was würde passieren, wenn jeder Grundbesitzer von einem Tag auf den anderen eine Maut erheben würde?", fragte Tullio Mussner, Präsident der Vereinigung Lia da Mont, gegenüber der lokalen Nachrichtenagentur L'Altramontagna.
Berichten zufolge sind nun Mitarbeiter des Tourismusverbandes Dolomiten Gröden am Drehkreuz postiert, um die Besucher darauf hinzuweisen, dass die geforderte Gebühr nicht zwingend zu entrichten ist. Sie weisen die Wanderer auch auf eine alternative, etwas längere Route hin, die das Drehkreuz umgeht und dennoch den berühmten Aussichtspunkt der Geislerspitzen erreicht.
Berichten zufolge bereitet die Organisation ein Informationsschild vor, das neben dem Drehkreuz angebracht werden soll, um klarzustellen, dass es sich um eine Privatinitiative handelt, und um den Weg zur Alternativroute zu weisen.
Eine stärkere Regulierung des Tourismus in den Dolomiten ist notwendig
Andere, darunter auch Anwohner, halten die Provokation der Grundbesitzer für sinnvoll.
Carlo Alberto Zanella, Präsident des Südtiroler Zweigs des nationalen Wanderverbands Club Alpino Italia (CIA), sagte der Lokalzeitung Salto: "Es dient dazu, die Öffentlichkeit auf ein echtes Problem aufmerksam zu machen."
Die Besucher würden die an den Wanderweg angrenzenden Wiesen durchwandern oder mit dem Fahrrad überqueren und so die Felder und ihre Pflanzen kaputt machten, bevor die Bauern ernten können. "Man muss darüber aufklären, wie man die Umwelt respektiert."
Örtliche Tourismusverbände räumen auch ein, dass die Überbelegung teilweise auf mangelnde Regulierung durch die Provinzbehörden zurückzuführen ist.
"Landwirte müssen entschädigt werden"
Tullio Mussner, Präsident der Vereinigung Lia da Mont forderte, dass die örtlichen Landwirte für den Sommertourismus finanziell entschädigt werden, so wie es im Winter für Besitzer von Grundstücken der Fall ist, die von Skipisten durchquert werden. Denn das Interesse an Bergregionen steigt durch die heißen europäischen Sommer. Laut einer Studie des Instituts Demoskopika ist Südtirol das zweite Jahr in Folge eines der am stärksten von Touristen überlaufenen Reiseziele Italiens, gleichauf mit Venedig.
Ist Apple schuld an der Beliebtheit des Berges?
Manche sagen, dass Apple für die Popularität des Berges verantwortlich sei. Das Unternehmen hat vor zehn Jahren ein Foto des Seceda-Bergs als offizielles Hintergrundbild für sein Betriebssystem iOS 7 verwendet. Vor zwei Jahren wurde der Seceda in einem kurzen Werbevideo anlässlich der Vorstellung des iPhone 15 erneut gezeigt.
Vor Ort heißt es, das Ergebnis dieser unfreiwilligen Werbung sei ein enormer Anstieg der Besucherzahlen gewesen, die oft nur ein paar Fotos von der Aussicht machen und dann wieder gehen wollten. Die Seilbahn von St. Ulrich, die Passagiere auf den Gipfel bringt, das Problem verschärfe das Problem.
Einige Tourismus- und Umweltgruppen fordern nun eine Preiserhöhung im Sommer oder sogar die vollständige Schließung der Seilbahn in der Hochsaison, um den Zustrom von Besuchern zu verhindern.
Das Unternehmen, das die Seilbahn betreibt, hat stattdessen vorgeschlagen, die Kapazität zu verdreifachen. Dieser Vorschlag ist sehr umstritten und lässt die Befürchtung aufkommen, das Problem des Übertourismus zu verschärfen.
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