Wird das rote Ruhrgebiet blau? Darum könnte die AfD bei der Stichwahl gewinnen

Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sind von Sorgen und Problemen seiner Einwohner geprägt. Bei den Stichwahlen in 147 Städten, Kreisen und Gemeinden hoffen die Menschen vor allem auf eines: Veränderung.
Die Wahllokale öffneten heute um 8:00 Uhr für die zweite Runde der Kommunalwahlen. Gewählt werden Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte. Unter besonderer Beobachtung: Düsseldorf, die Millionenstadt Köln, Hagen, Duisburg und Gelsenkirchen.
In den drei letztgenannten Städten haben AfD-Kandidaten es in die zweite Runde geschafft - zum ersten Mal in der Geschichte des bevölkerungsreichsten Bundeslandes kämpfen sie um Bürgermeisterposten in der "Herzkammer der Sozialdemokratie".
In Duisburg kämpft Carsten Groß (AfD) gegen den bisherigen Bürgermeister Sören Link (SPD). In Gelsenkirchen tritt Norbert Emmerich (AfD) gegen Andrea Henze (SPD) an und in Hagen ringt Michael Eiche (AfD) mit Dennis Rehbein (CDU) um den Spitzenposten.
Die Ergebnisse zeigen: Die AfD ist längst nicht mehr nur ein ostdeutsches Phänomen. Die rechtskonservative Partei verzeichnete in ganz NRW sichtbare Zugewinne.
Die Gründe? Arbeitslosigkeit und Armut
Die Menschen fühlen sich von der Politik der etablierten Parteien vernachlässigt. Die Zahlen lügen nicht:
Im Mai 2025 sind im Ruhrgebiet 280.604 Menschen arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind es 14.470 Arbeitslose mehr - eine Zunahme von 5,4 Prozent. Die höchste Arbeitslosenquote weisen Gelsenkirchen und Duisburg auf. In Gelsenkirchen lag die Arbeitslosenquote bei 14,9 Prozent, in Duisburg bei 13,3 Prozent und in Hagen bei 12,4 Prozent.
Der Grund? Eine schwierige wirtschaftliche Lage und die damit einhergehende Unsicherheit und mangelnde Bereitschaft von Betrieben, neue Mitarbeiter einzustellen.
Die Menschen sind auch besorgt über die hohe Anzahl an Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Besonders deren Integration in den Arbeitsmarkt ist eine Herausforderung.
Integration - eine echte Herausforderung
2022 lebten laut Mikrozensus 5,98 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in NRW. Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund an der gesamten Bevölkerung in NRW lag 2022 bei 44,5 Prozent. 2019 lag die Zahl noch bei 30,8 Prozent.
Die Zahl der ausländischen Arbeitslosen in NRW stieg von 205.000 im Jahr 2017 auf 269.000 im Jahr 2022. Das entspricht rund 30,7 Prozent. Diese Entwicklung ergibt sich auf der einen Seite aus den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Andererseits ergeben sich die Zahlen aus dem starken Anstieg ukrainischer Arbeitsloser zwischen 2021 und 2022.
Insgesamt sind Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit stärker von der Arbeitslosigkeit betroffen, als Deutsche. Ihre Arbeitslosenquote war 2022 dreimal so hoch wie die der Deutschen (19,1 Prozent gegenüber 5,7 Prozent), wie der Arbeitsmarktreport NRW von 2023 feststellt. Aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor.
Menschen sind besorgt über die Wirtschaft im Land
Laut WDR war vor allem die Wirtschaft ein entscheidendes Thema der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen. Für 36 Prozent der Wahlberechtigten war dies das wichtigste Thema, gefolgt von Integration und Einwanderung. Auch die öffentliche Sicherheit spielte eine besondere Rolle für ein Viertel der Wählerinnen und Wähler. Umwelt- und Klimaschutz blieben auf der Strecke: Nur für 19 Prozent der Wahlberechtigten war dieses Thema für die Wahlentscheidung ausschlaggebend.
Im Ruhrgebiet können die Grünen jedenfalls nicht mehr punkten. Bereits die erste Runde der Kommunalwahlen hat gezeigt: Klimawandel und Umwelt sind längst nicht mehr Hauptthemen der Bürgerinnen und Bürger in NRW.
Dennoch können die Grünen in Köln auf einen möglichen Machtwechsel hoffen. Dort könnte Landtags-Vizepräsidentin Berivan Aymaz (Bündnis 90/Die Grünen) das Oberbürgermeisteramt bekommen. Ihr Gegner: Torsten Burmeister (SPD). Auch in der Landeshauptstadt Düsseldorf kämpft der amtierende Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) gegen Clara Gerlach (Bündnis 90/Die Grünen).
Vergleich zu 2020: Etablierte Parteien verlieren an Prozentpunkten
Die Tendenzen, die die heutigen Stichwahlen vor allem im Ruhrgebiet aufzeigen, zeichneten sich bereits bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen ab. Die etablierten Parteien hatten Prozentpunkte eingebüßt.
Die CDU führte zwar mit 33,3 Prozent - dennoch ergaben die Kommunalwahlen ein Minus von 1,0 Prozentpunkten im Vergleich zu 2020. Die SPD lag bei 22,1 Prozentpunkten und verlor 2,2 Prozent. Bündnis 90/Die Grünen rutschten auf 13,5 Prozent, ein Minus von 6,5 Prozentpunkten. Die FPD erreichte 3,7 Prozent, ein Minus von 1,9. Die AfD hingegen legte deutlich zu. Die Partei kam auf 14,5 Prozent - ganze 9,4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020. Die Linke bekam zwar nur magere 5,6 Prozent - dennoch, ein Plus von 1,8 Prozentpunkten.
Stichwahlen sind überall dort nötig, wo im ersten Wahldurchgang vor zwei Wochen keiner der Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen bekam. Die Wahllokale schließen heute um 18.00 Uhr.
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