Rätselraten um K-Frage: Scholz oder Pistorius?
Am 30. November soll es denn endlich soweit sein. In einer sogenannten "Wahlsiegkonferenz" will die SPD-Parteiführung ihren Kanzlerkandidaten präsentieren. Ein Parteitag am 11. Januar soll die Entscheidung schließlich bestätigen. Das bedeutet, weiterhin Rätselraten in einem ohnehin schon kurzfristigen Wahlkampf.
Nachdem Neuwahlen in Deutschland für den 23. Februar 2025 angekündigt worden waren, gerät Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – der ja plant, wieder zu kandidieren – mehr und mehr unter Beschuss.
Manch einen erinnert diese Situation an den jüngsten US-Präsidentschaftswahlkampf, als sich US-Präsident Joe Biden bei einem Fernsehduell mit Ex-Präsident Donald Trump ziemlich blamiert hatte, und danach unter den Demokraten die Stimmer immer lauter wurden, laut denen Biden nicht geeignet wäre, um in das Rennen zu gehen. Am Ende wurde Kamala Harris die Kandidatin der Demokraten. Für viele hätte diese Entscheidung jedoch schon viel früher getroffen werden sollen.
Und jetzt in Deutschland ein Déjà-vu-Erlebnis. Scholz belegt in jüngsten Umfragen den letzten Platz, während Pistorius an erster Stelle steht. Sollte Scholz auf eine erneute Kandidatur verzichten, damit Pistorius für die Sozialdemokraten antreten kann?
Pistorius: "Ich bin Parteisoldat"
Pistorius sagt, es sei nie Teil seiner Lebensplanung gewesen, Verteidigungsminister oder gar Bundeskanzler zu werden: "Ich werde den Teufel tun und mir sagen: Ich mache das, ich trete an. Nein, das werden Sie von mir nicht hören. Ich bin Parteisoldat." Diese Haltung allerdings könnte ihm nur noch mehr Sympathien einbringen. Er präsentiert sich damit als jemand, der nicht von Machtstreben angetrieben ist und stattdessen mehr an der Sache, der Politik und ihren Herausforderungen per se interessiert ist.
Die Frage, ob Scholz der geeignete SPD-Kanzlerkandidat für die kommenden Neuwahlen ist, wurde erstmals öffentlich von Kommunalpolitikern aufgeworfen: Zwei Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete und der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter hatten sich kürzlich offen für Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten ausgesprochen.
SPD-Kommunalpolitiker warfen K-Frage auf
Im Detail: Markus Schreiber aus dem Bezirk Hamburg-Mitte und Tim Stoberock, Distriktchef der SPD Hummelsbüttel, betonten zunächst, Scholz habe in der Sache gute Politik gemacht. Aber: Scholz habe "es nicht geschafft, die Menschen mitzunehmen und Führungsstärke zu kommunizieren. Wir glauben, dass das negative Bild, das die Menschen im Land von ihm haben, nicht mehr zu reparieren ist."
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter indes hatte die Kandidatur von Scholz bereits im September infrage gestellt – und sich unmissverständlich für Pistorius ausgesprochen. Dem Berliner Tagesspiegel sagte er: "Wenn jemand wie Boris Pistorius ein solches Ansehen hat, muss die SPD auch darüber nachdenken, ob er die beste Wahl für die Kanzlerkandidatur ist oder ob man mit dem amtierenden Bundeskanzler ins Rennen geht." Reiter äußerte zugleich eine Erwartung an Scholz und meinte, am Ende liege die Frage bei ihm selbst. Und auch eine Initiative müsse dann von Olaf Scholz selbst ausgehen.
Zuletzt, am Montagabend preschten NRW-Politiker nach vorn. Zwei Vorsitzende der Landesgruppe der NRW-SPD im Bundestag, Dirk Wiese und Wiebke Esdar, ließen verlauten: „Im Zentrum steht die Frage, was die beste politische Aufstellung jetzt für die Bundestagswahl ist. Dabei hören wir viel Zuspruch für Boris Pistorius“, teilten die beiden mit. Leider, so fügten sie hinzu, sei das Image von Scholz stark mit der Ampel-Koaltion verbunden. Die ja, so wissen wir alle, bekanntlich gescheitert ist.
In der SPD selbst herrscht bis dato das Scholz-Lager. Flachgehalten können die Wogen nicht mehr, nun sollen sie abgewendet werden: „Dieses Statement der Vorsitzenden ist nicht in der NRW-Landesgruppe beschlossen worden“, so der NRW-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Es ist missverständlich, schwächt den Bundeskanzler und hat bei den SPD-Bundestagsabgeordneten keine Mehrheit. Ich habe sofort für morgen eine Sondersitzung der NRW-MdBs beantragt."
Scholz nominieren, Kritiker ignorieren?
Der SPD Co-Vorsitzende Lars Klingbeil erklärte im ARD-Fernsehen, man wolle in den nächsten Tagen den Fahrplan für den Wahlkampf und die Nominierung von Scholz festlegen. Am Montag sagte er in der ARD: „Es geht schon um Klarheit in der Sache, es geht um einen Weg, den wir jetzt bis zum Bundesparteitag gehen. Wir wollen mit Olaf Scholz in diesen Wahlkampf gehen“.
Das hätten alle, die in der Spitze Verantwortung tragen, deutlich gesagt.
Dienstagabend gab es eine Telefonkonferenz des Parteivorstands. Medien spekulierten, dass es dabei um die K-Frage gehen könnte. Die SPD-Spitze hielt sich bedeckt, es sei nur eine der üblichen "Schalten" zur Vorbereitung der Bundestagswahl und des anstehenden Parteitags gewesen, hieß es. Scholz habe gerade die Beratungen auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro abgeschlossen und sollte nicht einmal zugeschaltet werden.
Gegenüber Reportern von ProSieben/Sat.1 newstime sagte Scholz auf die Frage, ob er der Kanzlerkandidat sein werde: "Es ist doch völlig klar, dass wir da gemeinsam antreten wollen. Und ich kann mich über die Unterstützung und den Support der Parteiführung nicht beklagen. Da haben die sich sehr klar geäußert und diese Frage, die Sie gerade gestellt haben, sehr deutlich beantwortet."
Ausweichender gab er sich in weiteren Interviews. Die SPD und er wollten gemeinsam erfolgreich sein und die Bundestagswahl zusammen gewinnen, betonte er. "Wir wollen gemeinsam erfolgreich sein", sagte er. "Gemeinsam, ich und die SPD."
Umfragezahlen sehen düster aus für Scholz – aber gut für Pistorius
Was sagen die Bürger? Die BILD-Zeitung veröffentlicht jede Woche ein Politiker-Ranking, durchgeführt vom renommierten Insa-Institut. Nach aktuellen Zahlen rutscht Bundeskanzler Olaf Scholz zum ersten Mal vom zuvor 19. gar auf den 20. und letzten Platz. Damit liegt Scholz sogar noch hinter den AfD-Vorsitzenden Alice Weidel (Platz 15) und Tino Chrupalla (Platz 18).
Und wer steht an der Spitze? Verteidigungsminister Boris Pistorius, mit einer Punkteskala von 1 bis 100 steht er derzeit bei 52,8. Scholz landet bei 31,4.
Was sagt Pistorius noch zu dem Ganzen?
Auf die Frage, ob er glaube, dass Scholz dabei bleibe, als nächster Kanzlerkandidat ins Rennen zu gehen, antwortete er mit "Ja". Wäre er denn bereit, wenn das nicht so bleibt? Er beantworte grundsätzlich keine hypothetischen Fragen, wich Pistorius diplomatisch aus. Denn "eine Antwort, die ich heute gebe, kann übermorgen schon hinfällig sein."
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