Asylrecht-Streit: Ungarns EuGH-Geldstrafe steigt auf 360 Millionen Euro
Ungarn hat einen Vorstoß zur Beilegung eines langjährigen Streits mit der Europäischen Kommission über den Zugang zu den Geldmitteln der Programme Erasmus+ und Horizon Europe unternommen.
Zugleich weigert sich die Regierung in Budapest, eine vom Europäischen Gerichtshof verhängte Geldstrafe zu zahlen, die wegen der Verzögerung bei der Zahlung inzwischen auf 360 Millionen Euro gestiegen ist. Der Grund für die Geldstrafe sind schwere Verstöße gegen das Asylrecht der Europäischen Union. Denn Ungarn hat die EU-Asylregeln nicht umgesetzt.
Der Ersmus-Streit geht auf den Dezember 2022 zurück. Damals hat die EU-Kommission beschlossen, dass mehr als 30 ungarische Einrichtungen, darunter 21 Universitäten, im Rahmen der Programme Erasmus+ und Horizon Europe keine Geldmittel mehr erhalten. Der Grund dafür waren Bedenken hinsichtlich akademischer Freiheit, Transparenz und Interessenkonflikten. Denn in den Verwaltungsräten dieser Einrichtungen saßen regierungsnahe Personen.
Die ungarische Nationalversammlung hat vor Kurzem eine Änderung des Gesetzes über Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten im öffentlichen Interesse (auf Ungarisch "kekva") verabschiedet. Es handelt sich um eine besondere Art von Treuhandfonds, die öffentliche Aufgaben wie die Aufsicht über Universitäten wahrnehmen können. Dies ist der Fall für die betroffenen Einrichtungen.
Hochrangige Politiker werden von den Verwaltungsräten ausgeschlossen
Mit der Änderung soll der EU-Kommission versichert werden, dass hochrangige Politiker von der Mitgliedschaft in den Verwaltungsräten ausgeschlossen sind und die Interessenerklärungen ordnungsgemäß geprüft werden. Budapest beabsichtigt, Brüssel "in den kommenden Tagen" über das geänderte Gesetz zu informieren, sagte János Bóka, Ungarns Minister für EU-Angelegenheiten, am Dienstagabend.
Danach wird die EU-Kommission einschätzen, ob die Veränderungen ausreichen, um die Unabhängigkeit der ungarischen Bildungseinrichtungen sicherzustellen. "Natürlich ist es möglich, vor Ende des Jahres eine Lösung zu finden", sagte Didier Reynders, Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Nach einem Treffen mit Bóka erklärte er: "Wir müssen sicher sein, dass es eine korrekte Antwort auf all unsere Bedenken gibt."
Reynders wies darauf hin, dass Gesetzentwürfe, die Ungarn bisher vorgelegt hat, das Risiko von Interessenkonflikten in den Verwaltungsräten der öffentlichen Treuhandfonds nicht berücksichtigt hätten.
Der Ausschluss von den Programmen Erasmus+ und Horizon Europe ist Teil des Konditionalitätsmechanismus, mit dem 6,3 Milliarden Euro an EU-Mitteln für Ungarn wegen systematischer Unregelmäßigkeiten im öffentlichen Auftragswesen und bei der Korruptionsbekämpfung eingefroren wurden.
Die 6,3 Milliarden Euro sind Teil eines größeren Pakets von 11,7 Milliarden Euro an Kohäsionsmitteln. Diese hat die EU-Kommission wegen anhaltender Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit blockiert. Aus ähnlichen Gründen hat Ungarn auch keinen Zugriff auf den größten Teil seines 10,4 Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramms.
Als die EU-Exekutive das letzte Mal Gelder für Ungarn freigab (10,2 Milliarden Euro im Dezember vergangenen Jahres), sah sie sich einer wütenden Gegenreaktion und einer Klage des Europäischen Parlaments gegenüber.
Die Geldstrafe wird immer größer
In der Zwischenzeit droht Ungarn eine hohe Rechnung in Höhe von mindestens 360 Millionen Euro, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil festgestellt hat, dass die Einschränkung des Zugangs zu Asylverfahren für Schutzsuchende in Ungarn einen "beispiellosen" Rechtsbruch darstellen.
Der EuGH verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 200 Millionen Euro, die als Pauschalbetrag zu zahlen ist, sowie ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro. Dieser zusätzlicher Geldbetrag ist für jeden Tag zu zahlen, an dem das Land das Gerichtsurteil weiterhin ignoriert.
Budapest hat sich geweigert, die Strafe zu zahlen, und ignoriert die regelmäßigen Aufforderungen der Europäischen Kommission, von denen die letzte in dieser Woche verschickt wurde.
Die EU-Exekutive hat ein spezielles Haushaltsverfahren eingeleitet, um den Betrag von 200 Millionen Euro automatisch von Ungarns zugewiesenem Anteil an den EU-Mitteln abzuziehen. Dies könnte die EU-Kommission auch bald tun, wenn die täglichen Geldstrafen nicht rechtzeitig zurückgezahlt werden.
Seit dem Erlass des Urteils am 13. Juni beläuft sich die aufgelaufene Summe auf rund 160 Millionen Euro und wächst jeden Tag weiter an.
Derzeit laufen Gespräche zwischen Brüssel und Budapest über die Umsetzung des EuGH-Urteils. "Es liegt nun an Ungarn, zu zahlen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Urteilen nachzukommen", erklärte ein Sprecher der EU-Kommission in dieser Woche.
Ministerpräsident Viktor Orbán hat das EuGH-Urteil bereits als "empörend und inakzeptabel" bezeichnet und behauptet, es sei das Ergebnis von "richterlichem Aktivismus".
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