...

Logo Pasino du Havre - Casino-Hôtel - Spa
in partnership with
Logo Nextory

Dmytro Kuleba: Ein schlechtes Abkommen für die Ukraine ist ein Sieg für Putin

• Feb 14, 2025, 12:44 AM
18 min de lecture
1

Vor kurzem hat US-Präsident Donald Trump das Signal für den Beginn von Verhandlungen zur Beendigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gegeben.

Er telefonierte mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und kündigte kurz darauf an, Putin in Saudi-Arabien treffen zu wollen – bisher allerdings ohne ein Datum, eine Uhrzeit oder weitere Details zu nennen.

An diesem Wochenende werden Trumps Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Delegation ukrainischer Vertreter unter der Leitung Selenskyjs treffen.

Im Vorfeld der Konferenz sprach Euronews mit dem ehemaligen ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba darüber, ob Trump einen gerechten Frieden erreichen kann, welche Rolle Europa in dem Krieg spielt und welches Potenzial europäische Friedenstruppen haben – und warum er glaubt, dass es noch zu früh ist, über Wahlen in der Ukraine zu sprechen.

Euronews: US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat erklärt, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vom Tisch und die Wiederherstellung der Grenzen von vor 2014 "unrealistisch" sei. Was bedeutet das für die Ukraine?

Kuleba: Nun, zunächst einmal bedeutet es, dass die USA schon vor ernsthaften Verhandlungen bei zwei der drei wichtigsten Punkte nachgegeben haben. Ich würde gerne glauben, dass das Teil ihrer Strategie ist.

Russland interessiert sich grundsätzlich für drei Dinge: Territorium, NATO und Geld. Jetzt sehen wir, dass Territorium und NATO kampflos aufgegeben wurden. Natürlich wird die Ukraine weiter darauf bestehen, aber die US-Position ist mehr als eindeutig.

Auf dem Tisch bleibt das Thema Geld. Dabei geht es vor allem um Sanktionen, eingefrorene russische Vermögenswerte und ein neues Element: das Rohstoffabkommen, das Trump mit der Ukraine unterzeichnen will.

Für die Ukraine klingt das nicht gut. Aber wir stehen auch erst am Anfang dieses Prozesses. Im Moment versucht Trump, die Ukraine unter Druck zu setzen und ihren Verhandlungsspielraum zu begrenzen – um Putin zu zeigen, wie hart er Russland behandeln könnte, falls es sich nicht an die Regeln hält.

Euronews: Es sieht so aus, als würde Trump eher Putins Forderungen erfüllen, nicht die der Ukraine.

Kuleba: Er zeigt, wie stark er prinzipiell sein könnte. Vor etwa drei Wochen hat er eine Drohbotschaft an Russland in den sozialen Medien gepostet und angekündigt, Zölle zu verhängen, falls sich Russland nicht konstruktiv verhält.

Seitdem hat er nichts getan, was nicht der russischen Vorstellung eines Kriegsendes entgegenkäme. Russland seinerseits hat so gut wie nichts unternommen, um den Krieg zu beenden – ganz im Gegenteil: Erst vor wenigen Tagen gab es einen Raketenangriff auf Kyjiw.

Aber Putin hat einen anderen Weg gefunden, um Trump entgegenzukommen: Er hat einen US-Bürger freigelassen. Er spielt ein geschicktes Spiel, indem er Trump zufriedenstellt, ohne bei der Kriegsfrage auch nur ein einziges Zugeständnis zu machen.

Trump kann zwar ein Bild von Stärke vermitteln, aber tatsächlich hat er bisher nichts getan. Hart war er nur gegenüber der Ukraine – was Kyjiw gelinde gesagt besorgt.

Wir stehen noch ganz am Anfang dieses Gesprächs. Es gibt viele "Wenns" und "Könnte" in den kommenden Wochen. Die beste Strategie für Kyjiw ist jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren und nichts zu überstürzen. Überhastetes Handeln würde die Ukraine nur schwächen.

Euronews: Was halten die Ukrainer von diesen strategischen "Deal-Making"-Aussagen?

Kuleba: Für Ukrainer wäre es eine Katastrophe, auch nur einen Teil ihres Territoriums aufzugeben – gleichzeitig wollen sie, dass die Kämpfe enden.

Oberflächlich betrachtet sagen die Ukrainer, dass sie den Krieg beendet sehen wollen. Das lässt Moskau und Washington glauben, dass sie jede Lösung akzeptieren würden, solange das Kämpfen aufhört. Doch wenn man tiefer blickt, sieht man, dass das nicht stimmt. Sie sind nicht bereit, einfach jede Lösung hinzunehmen.

Am Ende wird es so sein, dass das ukrainische Volk weder Moskau noch Washington bestrafen können – ihr Zorn wird sich stattdessen gegen die ukrainischen Politiker richten. Besonders dann, wenn sie glauben, dass das Abkommen schlecht ist.

Kurz gesagt: Sie werden ein Ende des Krieges akzeptieren, aber dann die Politiker dafür abstrafen, dass sie den Krieg zu diesen Bedingungen beendet haben. Wir sind eine Demokratie, das wird demokratisch geschehen – aber das ist in etwa das, was uns erwartet.

Das größte Problem ist nicht die Ukraine oder die Ukrainer, sondern die Frage, ob Putin sich an irgendein Abkommen halten wird.

Alles, was wir in den vergangenen zehn Jahren über ihn gelernt haben, sagt uns, dass er es nicht tun wird. Putins übliches Vorgehen ist, ein Abkommen zu unterzeichnen und dann hunderte Gründe zu finden, warum die Ukraine angeblich dagegen verstoßen hat – während er sie gleichzeitig mit Raketen angreift, von außen und möglicherweise auch von innen.

Auch die Europäer müssen sich darüber im Klaren sein: Ein schlechtes Abkommen für die Ukraine wird Putin nur ermutigen, noch aggressiver gegenüber Europa aufzutreten. Er würde es als Schwäche des Westens interpretieren.

Ein schlechtes Abkommen für die Ukraine wird Putin nur ermutigen, noch aggressiver gegenüber Europa aufzutreten.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister
BTS vom Interview mit Dmytro Kuleba im Berliner Euronews Büro.
BTS vom Interview mit Dmytro Kuleba im Berliner Euronews Büro. Tamsin Paternoster

Euronews: Was bedeutet das "Einfrieren" der Front, möglicherweise abgesichert durch Friedenstruppen? Vor allem, wenn Putin ein Abkommen bricht und die Ukraine erneut angreift. Wäre das dann nur noch ein "europäisches Problem"?

Kuleba: Es wird keine Friedenstruppen geben. Wir sollten ehrlich zueinander sein. Jetzt, da die USA klar gesagt haben, dass eine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine nicht infrage kommt, fällt es mir schwer, mir vorzustellen, wie Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen sollen – und warum Putin aufhören sollte.

Die Front einzufrieren und einen Waffenstillstand zu erreichen, ist schwierig, aber machbar. Diesen Waffenstillstand jedoch zu halten, ist äußerst kompliziert. Den Krieg zu beenden und einen dauerhaften Frieden zu schaffen, ist derzeit jedoch nicht realistisch. Die Ukrainer verstehen das und wollen eine Antwort darauf, wie echter Frieden erreicht werden kann.

Falls es einen Waffenstillstand gibt, wird Russland der Ukraine die Schuld für dessen Bruch geben und seine Offensive wieder aufnehmen. Das wäre das Ende aller Friedensbemühungen.

Euronews: Ich möchte noch einmal auf die Friedenstruppen zurückkommen. Wäre das nicht eine Möglichkeit für Europa, eine größere Rolle zu übernehmen?

Kuleba: Die Front ist 3.000 Kilometer lang. Selenskyj hat gesagt, dass mindestens 200.000 Soldaten nötig wären – und das ist eine sehr zurückhaltende Einschätzung. Das würde bedeuten, dass praktisch die gesamten Streitkräfte der EU an dieser Friedensmission beteiligt sein müssten. Und wenn man 200.000 Soldaten an die Front schickt, braucht es mindestens weitere 200.000 zu Hause, die sich ausruhen und auf die Rotation vorbereiten.

Ich kann nicht einmal beziffern, wie viel diese Mission kosten würde. Und wenn so viel Geld zur Verfügung steht, um es in Friedenstruppen zu investieren, wäre es viel günstiger, es direkt der Ukraine zu geben.

Dann könnten wir unsere Armee aufbauen und gegen die Russen kämpfen, ohne dass EU-Soldaten der Gefahr ausgesetzt wären, im Krieg zu sterben.

Euronews: Gibt es noch Hoffnung für die Ukraine?

Kuleba: Natürlich. Man hat uns nach 2014 schon abgeschrieben. Ich erinnere mich an all die Gespräche innerhalb und außerhalb der Ukraine nach der Annexion der Krim – mir wurde gesagt, dass wir keine Chance hätten zu überleben.

2022 hieß es, Russland würde die Ukraine in wenigen Tagen oder Wochen besetzen und zerstören. Uns wurden maximal zwei Wochen gegeben – und doch kämpfen wir immer noch. Wir haben überlebt und sind weiterhin eine Nation. Die Ukraine kann noch kämpfen.

2022 hieß es, Russland würde die Ukraine in wenigen Tagen oder Wochen besetzen und zerstören. Uns wurden maximal zwei Wochen gegeben – und doch kämpfen wir immer noch. Wir haben überlebt und sind weiterhin eine Nation.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister

Das eigentliche Problem, das seit 2014 ungelöst ist, liegt woanders: Russland weiß genau, was es will.

Zwei Dinge: Erstens soll die Ukraine von der Landkarte verschwinden und Teil Russlands werden. Zweitens soll die Schwäche des Westens der ganzen Welt vorgeführt werden. Die Botschaft wäre: Der Westen ist nicht in der Lage, Russland aufzuhalten.

Und wenn es in der Ukraine funktioniert hat, warum sollte es dann nicht auch in anderen Teilen der Welt funktionieren?

Putin weiß, was er erreichen will. Der Westen nicht. Der Westen wusste es 2014 nicht, 2022 nicht – und weiß es bis heute nicht.

Putin weiß, was er erreichen will. Der Westen nicht.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister

Euronews: Was erwarten Sie von der Münchner Sicherheitskonferenz? Erwarten Sie irgendetwas von den USA?

Kuleba: Ich glaube nicht, dass jemand aus der aktuellen US-Regierung etwas anderes sagen kann als das, was Trump gesagt hat. Das ist keine Regierung mit vielen Stimmen und Meinungen. Ein Mann sagt, was gesagt und getan werden muss, und alle anderen nehmen es auf und folgen den Anweisungen.

Ich habe von den Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz gehört, dass sie nicht nur ausverkauft ist, sondern dass zum ersten Mal mehr Bewerbungen für Teilnehmerausweise eingegangen sind, als überhaupt zur Verfügung stehen.

Die Erwartungen sind hoch, aber ich glaube nicht, dass von den USA etwas Neues kommen wird. Die Frage ist, ob Europa sich zu Wort meldet.

Bisher hat Europa geschwiegen. Es muss seine Stimme erheben und seine Sichtweise klar machen. Alles, was Trump bisher gesagt und getan hat, widerspricht nicht nur den ukrainischen, sondern auch den europäischen Interessen.

Alles, was Trump bisher gesagt und getan hat, widerspricht nicht nur den ukrainischen, sondern auch den europäischen Interessen.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister

Euronews: Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, hat gesagt, dass Europa bei zukünftigen Verhandlungen nicht mit am Tisch sitzen wird.

Kuleba: Wenn Europa die Worte der Pressesprecherin als Anweisung versteht, nicht zu handeln, dann ist Europa dem Untergang geweiht.

Trump hat in diesem Punkt recht: Der Unterschied zwischen den USA und Europa im Krieg gegen die Ukraine ist, dass kein Ozean Europa von Russland trennt.

Dmytro Kuleba
Dmytro Kuleba Donogh McCabe

Euronews: In den vergangenen drei Jahren scheint Europa noch nicht entschieden zu haben, was es eigentlich will. Wird Trump der Katalysator sein, der Europa zu einer Entscheidung zwingt?

Kuleba: Wir haben einige Diskussionen und Ankündigungen der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates über Investitionen in die Rüstungsindustrie und die Förderung des KI-Sektors der EU-Wirtschaft gesehen. Europa hat erkannt, dass es aufwachen muss. Das Problem ist, dass eine Union zu sein nicht dasselbe ist, wie geeint zu sein.

Das Problem ist, dass eine Union zu sein nicht dasselbe ist, wie geeint zu sein.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister

Wenn Europa sich bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz nicht klar äußert und sich darauf beschränkt, nur zuzuhören, was Trumps Leute und Selenskyj zu sagen haben, wäre das eine enorme strategische Niederlage und eine Demütigung für Europa.

Wir sollten aber keine übermäßig hohen Erwartungen haben. Europa hat in den vergangenen zehn Jahren in vielen Bereichen versagt, muss jedoch für etwas gewürdigt werden, das für seine Verhältnisse beispiellos ist: Waffenlieferungen an die Ukraine, Sanktionen gegen Russland und die Einleitung des EU-Beitrittsprozesses für die Ukraine. Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen.

Europa hat gezeigt, dass es handeln kann. Die Frage ist, ob es bereit ist, den nächsten Schritt zu gehen.

Europa hat gezeigt, dass es handeln kann. Die Frage ist, ob es bereit ist, den nächsten Schritt zu gehen.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister

Euronews: Sie sind in der Ukraine weiterhin ein populärer Politiker, obwohl Sie nicht mehr im Amt sind. Manche hoffen, Ihren Namen auf dem Stimmzettel der nächsten Präsidentschaftswahlen zu sehen. Schließen Sie eine Rückkehr in die Politik aus?

Kuleba: Das Leben hat mich gelehrt, dass es ein großer Fehler ist, irgendetwas kategorisch auszuschließen.

Wir haben in der Ukraine ein Sprichwort: "Der Mensch macht Pläne, und Gott lacht." Man weiß nie, wohin einen das Schicksal führt. Denke ich im Moment über eine politische Zukunft nach? Nein, das tue ich nicht.

Außerdem bin ich der Meinung, dass jede Diskussion über Wahlen in der Ukraine derzeit verfrüht ist und gegen die Interessen des Landes arbeitet. Politiker sollten ihre gesamte Energie darauf verwenden, das Land zu verteidigen und die Einheit der ukrainischen Gesellschaft zu wahren.

Ich verachte Politiker, die sich bereits jetzt im Februar 2025 in den Wahlkampf stürzen. Es ist zu früh. Jetzt ist die Zeit, in der ukrainische Politiker zu Staatsmännern werden müssen. Staatsmänner denken an das Land, Politiker denken an Wahlsiege.

Staatsmänner denken an das Land, Politiker denken an Wahlsiege.
Dmytro Kuleba
Ehemaliger ukrainischer Außenminister

Das ist meine aktuelle Haltung. Das Leben ist kompliziert, herausfordernd und dynamisch. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt, aber ich denke, es ist noch zu früh, um über Wahlen zu sprechen.