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Klimawandel, Tierwohl und Landwirtschaft: Womit werben die Parteien?

• Feb 18, 2025, 6:00 AM
15 min de lecture
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Das Klima ist bei dem aktuellen Bundestagswahlkampf ein wenig in den Hintergrund geraten. Beim ersten TV-Duell zwischen Unions Kanzlerkandidaten Friedrich Merz und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wurde es lediglich nebensächlich erwähnt.

Doch vor über einem Jahr haben deutsche Landwirte auf den Straßen Deutschlands protestiert und auch beim Thema Klimaschutz haben die Proteste nicht nachgelassen. Auch in den Regierungsprogrammen sind die Themen nicht aus der Welt und durchaus präsent.

Euronews hat sich die Programme der vier Parteien, die momentan bei über zehn Prozent in den aktuellen Umfragen liegen, näher betrachtet. Womit werben die Union, AfD, SPD und Bündnis 90/Die Grünen?

Auf Tierwohl können sich alle Parteien einigen

Alle vier Parteien wollen sich für tiergerechte Haltung in der Landwirtschaft einsetzen. Auch der Deutsche Bauernverband sieht die zukünftige Tierhaltung als eines der zehn Kernanliegen für die Bundestagswahl.

Die Union schreibt dazu: "Wir unterstützen unsere Landwirte bei der artgerechten Tierhaltung für mehr Tierwohl." Die SPD will es leichter machen, auch "im konventionellen Bereich" tierwohlgerecht zu arbeiten und die Grünen werben mit einer "guten Prämisse sowohl im Sinne von Unternehmen als auch Tieren ist: weniger Tiere besser halten."

Die AfD setzt sich laut ihrem Wahlprogramm für eine "konsequente Umsetzung der Tierschutzgesetze" ein.

Tierwohl lässt sich gut mit dem Weltbildern Veganismus, aber auch mit traditionellen Werten untermauern.
Tilman Santarius
Deutsches Klima-Konsortium

Warum sich die vier Parteien gerade auf das Thema Tierwohl einigen können, erklärt Tilman Santarius, Geschäftsführer des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK), einem Verband deutscher Forschungseinrichtungen im Bereich der Klimaforschung.

"Zum einen besteht eine Interesse an Tierwohl sowohl im progressiven, eher linken Publikum wie auch im konservativen Publikum. Tierwohl lässt sich gut mit dem Weltbildern Veganismus, aber auch mit traditionellen Werten wie der Bewahrung der Schöpfung oder einem Ausdruck von Fürsorge und Verantwortung für Lebewesen untermauern", antwortet Santarius auf Euronews-Anfrage.

Demonstration der Umweltorganisation Greenpeace für artgerechte Tierhaltung, in Berlin, Deutschland, 16. Mai 2023.
Demonstration der Umweltorganisation Greenpeace für artgerechte Tierhaltung, in Berlin, Deutschland, 16. Mai 2023. Markus Schreiber/Copyright 2023 The AP. All rights reserved

Laut Santarius stehen die Forderungen zum Thema Tierwohl auch weniger im Konflikt mit "einem Festhalten an Lebensstilen des Status Quo."

Aber auch, wenn sich die Parteien grundsätzlich auf das Thema Tierwohl und artgerechte Haltung einigen können, unterscheiden sich ihre Stratgien, das umzusetzen doch deutlich, schreibt Max Jungmann, Gründer und CEO von Momentum Novum, auf Euronews-Anfrage.

CDU und SPD bleiben vage, wie sie sich für die Verbesserungen in der Nutztierhaltung einsetzen wollen. "Die AfD betrachtet Tierschutz vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive", erklärt Jungmann. "Spricht aber nicht über strengere Haltungsvorgaben." Das umfassendste Konzept hätten laut Jungmann die Grünen. Sie "gehen über die Nutztierhaltung hinaus."

Klimaschutz soll erschwinglich sein. Aber wie?

In ihrem Regierungsprogramm sagt die SPD, dass sie davon überzeugt sind, dass Klimaschutz "leistbar" sein muss.

Auch die Grünen stehen für "sozial gerechten Klimaschutz". Christine Tölle-Nolting vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), erklärt: "Soziale Fragen des Klimaschutzes spielen für beide Parteien zu Recht eine wichtige Rolle."

Die SPD stellt pragmatische, gemeinschaftliche Ansätze in den Fokus. Sie nennt als Ausgleich für den bereits beschlossenen CO2-Preis beispielhaft ein Klimageld, damit "niemand überfordert wird".

Strom-Spar-Checks für "die ärmsten Haushalte" sollen ausgebaut und ein "soziales Wärmepumpen-Leasing", eine Art Mietmodell für Wärmepumpen, eingeführt werden.

Eine Wärmepumpe wird in einem Haus in Frankfurt am Main installiert, 7. September 2023.
Eine Wärmepumpe wird in einem Haus in Frankfurt am Main installiert, 7. September 2023. Michael Probst/Copyright 2023 The AP. All rights reserved

DKK-Geschäftsführer Tilman Santarius kritisiert das SPD-Programm führe "nur wenige konkrete Maßnahmen an". Im Vergleich zur SPD lobt Santarius das Programm der Grünen, sie machen "wesentlich weitreichendere und konkretere Vorschläge". Auch Jungmann schreibt: "Die Grünen verfolgen einen umfassenderen Ansatz, der soziale und ökologische Aspekte stärker verknüpft. Sie setzen auf gezielte Förderprogramme für E-Mobilität und den öffentlichen Verkehr, um klimafreundliche Alternativen auch für einkommensschwache Gruppen attraktiver zu machen."

In ihrem Wahlprogramm nennen die Grünen ein Klimageld explizit als Ausgleich zur CO2-Bepreisung.

Und: "Das Klimageld soll in der nächsten Legislatur so schnell wie möglich eingeführt werden und dann direkt und ohne vorherige Beantragung auf das Konto eingehen." Die Grünen wollen laut ihrem Wahlprogramm die Mieter und Mieterinnen "dauerhaft und verlässlich davor schützen, dass die CO2-Kosten einseitig auf sie umgewälzt werden".

Soziale Fragen des Klimaschutzes spielen für [SPD und Grüne] zu Recht eine wichtige Rolle.
Christine Tölle-Nolting
NABU

In ihrem Wahlprogramm werben die Grünen zudem damit, dass sie Förderprogramme weiter ausbauen und "durch soziale Staffelung insbesondere auf Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zuschneiden" wollen.

Zusammenfassend schätzt Jungmann die Grünen-Ziele ambitionierter und eher auf eine schnelle Dekarbonisierung ausgehend ein.

Die Union macht in ihrem Wahlprogramm kaum Vorschläge zur Bezahlbarkeit des Klimaschutzes. Sie macht allerdings Vorschläge zu finanzierbarer Energie, in dem sie neben erneuerbaren Energiequellen, auf fossile Energien setzen wollen. Die von Euronews befragten Expertinnen und Experten sehen den Einsatz von fossilen Quellen insgesamt kritisch.

So schreibt Christine Tölle-Nolting: "Für den NABU stellt sich die Frage nach Kosten und Machbarkeit einer fossilen Zukunft nicht. Wir müssen so schnell wie möglich wegkommen von den fossilen Energieträgern und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, um unser Energiesystem im Sinne des Klimaschutzes umzubauen." Uns bleibe keine Zeit auf Energieträger zu setzen, bei deren Nutzung auf große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden.

Die AfD verneint den menschengemachten Klimawandel in ihrem Wahlprogramm.

Landwirtschaft und Klimaschutz: Geht das zusammen?

SPD, Grüne und Union wollen Landwirtschaft und Klimaschutz zusammendenken, aber auf unterschiedliche Art.

Die Union will die nachhaltige Landwirtschaft mit moderner Technologie fördern. So schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm: "Die Land- und Forstwirte können sich auf uns verlassen: Wir unterstützen innovative Technologien und nachhaltige Bewirtschaftung."

Wir unterstützen innovative Technologien und nachhaltige Bewirtschaftung.
Unions-Wahlprogramm

Max Jungmann kritisiert dabei, dass die Union keine konkreten Maßnahmen zur CO2-Reduktion angibt. In einer Stelle des Wahlprorgamm heißt es: "Der Markt soll darüber entscheiden, wo und wie Emissionen vermieden werden. Das ist unser Weg: CO2 einsparen, wo es am effizientesten ist."

Jungmann kritisiert außerdem, dass "klare Vorgaben zur Reduktion von Pestiziden oder zum Schutz der Biodiversität" im Wahlprogramm fehlen. Er schreibt in seiner Analyse für Euronews: "Dieser technologieorientierte Ansatz könnte langfristig wirksam sein, bleibt aber zu unkonkret, um kurzfristige Fortschritte zu erzielen."

Wesentlich pragmatischer und als realistisch schätzt Jungmann den Plan der SPD ein. So setzt die SPD in ihrem Programm auf schon bestehende Strukturen, wie die Gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, der Europäischen Union. Die Sozialdemokraten versprechen in ihrem Regierungsprogramm, dass sie in der neuen Förderperiode ab 2028 "all jene stärker unterstützen" wollen, "die die Ressourcen Wasser, Boden und Luft schonen". Außerdem wollen sie die Regularien der GAP "grundlegend" vereinfachen. Jungmann merkt an, dass dieser Ansatz stark von der Finanzierung auf EU-Ebene abhängt.

Wahlposter der Grünen und der SPD in Berlin
Wahlposter der Grünen und der SPD in Berlin Euronews

Er sieht grundsätzlich den SPD-Ansatz aber als realistischsten an: "da er bestehende Strukturen nutzt und finanzielle Anreize für nachhaltige Betriebe setzt".

Das Programm der Grünen schätzt er als "ambitionierter" ein. So fordern die Grünen einen Systemwechsel hin zu nachhaltiger Landwirtschaft. Sie wollen deshalb naturschonenden Erzeugungsformen Vorteile denen, die "die starke Umweltfolgen nach sich ziehen" einräumen. Sie halten weiter an ihrem Ziel fest, bis 2030 30 Prozent des Landbaus in Ökolandbau auszubauen.

Auch der Deutsche Bauernverband fordert in seinen Kernanliegen für die Bundestagswahl, dass bisherige Mängel in der GAP-Förderung in Deutschland behoben werden müssen. So schreibt der Verband in seinem Papier: "Risikoabsicherung, Resilienz und Ernährungssicherheit müssen bei der künftigen GAP-Förderung deshalb oberste Priorität haben."

Außerdem fordert der Bauernverband in jeder Hinsicht "eine ernstgemeinte und wirksame Initiative zur Entbürokratisierung".

Entbürokratisierung der Landwirtschaft muss Priorität haben

Die Parteien kennen die Forderungen der Landwirtinnen und Landwirte und so schreiben alle in ihren Parteiprogrammen von der Entbürokratisierung der Landwirtschaft.

Die Grünen schreiben: "Unnötige Bürokratie werden wir aktiv abbauen, ohne notwendige Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz abzubauen." Inwieweit das mit den Forderungen vom Bauernverband einhergeht, ist unklar, denn dieser schreibt "Bürokratieabbau [...] muss [...] mit dem Abbau von überzogenen Statistik-, Dokumentations- und Nachweispflichten einhergehen, die Quelle und Treiber von Bürokratie sind."

Die Union will bei "Bürokratie ausmisten". So will die Union Berichts- und Dokumentationspflichten "spürbar" abbauen. Bei Europarechtlichen Vorgaben will die Union "nicht über das vorhergesehende Mindestmaß an Regulierung" hinausgehen und so einige Regelungen in Forst- und Landwirtschaft entschärfen - was zumindest auf den ersten Blick gesehen, eindeutiger auf die Forderungen des Bauernverbands eingeht als die Grünen, die nur grob erwähnen, dass sie Bürokratie abbauen wollen.

Für uns ist die Zukunft der Landwirtschaft digital und bürokratiearm.
SPD-Wahlprogramm

Auch die SPD ist nicht konkret in ihren Plänen in Sachen Bürokratieabbau in der Landwirtschaft. So heißt es in dem Regierungsprogramm: "Für uns ist die Zukunft der Landwirtschaft digital und bürokratiearm". Verallgemeinernd schreibt die SPD, sie wolle "es leichter machen", auch in der konventionellen Landwirtschaft gut und nachhaltig zu arbeiten.

Die SPD schreibt: "Die Regularien der GAP sind grundlegend zu vereinfachen", ohne explizite Beispiele aufzuführen - im Gegensatz zur Union.

Auch die AfD will die Bürokratie abbauen. In ihrem Regierungspogramm wird dieser Punkt allerdings weniger präsent erwähnt als bei den anderen drei Parteien. So heißt es unter anderem, dass die "bürokratische Überreglementierungen" zurückzufahren seien. Die Landwirte bräuchten wieder mehr Entscheidungsfreiheit.

Noch weitere Fragen zu den Regierungsprogrammen der Parteien?

Natürlich kann man bei der Wahl noch mehr Parteien wählen, als die, die wir aufgezählt haben. Fragen Sie hierzu einfach den KI-Chatbot von wahl.chat.