Karla Sofía Gascón: "Ich bin weniger rassistisch als Gandhi"

Dank ihrer Leistung in dem umstrittenen Film "Emilia Pérez" schwamm sie ganz oben auf der Erfolgswelle, eroberte mehrere Festivals, wurde mit Preisen überhäuft, von denen jeder Schauspieler träumt, war Oskar-Favoritin - bis Tweets, die sie in der Vergangenheit gepostet hatte, sie in den Abgrund zogen.
Karla Sofía Gascón ist eine einzigartige Persönlichkeit. Was man sieht, ist, was man bekommt, "in guten wie in schlechten Zeiten", wie sie selbst sagt. Nach einem wochenlangen Rückzug aus der Öffentlichkeit stellte sie nun in Madrid ihr neues Buch vor: "Lo que queda de mí" (übersetzt: Was von mir übrig bleibt).
In einem Gespräch mit mehreren Medien, darunter "Euronews", erklärte die Schauspielerin aus dem spanischen Alcobendas, wie sie sich fühlte, als sie abgesetzt wurde, und was sie heute anders machen würde. Gascón will sich mit der Veröffentlichung dieses Buches, das Realität und Fiktion vermischt, rehabilitieren.
"Es ist ein Buch, das Sie bewegen wird, es erzählt von ihrem Kampf, ihrer Identität und den entscheidenden Momenten ihrer Karriere", so die Beschreibung des Verlegers.
"Ich befand mich in einer sehr komplizierten Situation"
Das Buch, das nun in Spanien veröffentlicht wurde, basiert auf einer früheren Publikation, die bereits in Mexiko auf dem Markt ist und nun mit den jüngsten Ereignissen ihres Lebens aktualisiert wurde: "Dieses Buch spiegelt teils sehr schwierige Momente in meinem Leben", betonte Gascón: "Ich befand mich in einer sehr komplizierten Situation, alles, was ich in meinem Leben aufgebaut hatte, fiel zusammen".
Auf den 500 Seiten finden sich auch fiktionalisierte Episoden aus ihrem Leben. Gascón sagte, es sei eine "wunderbare Veröffentlichung, die viele Dinge über mich erzählt, aber der Leser muss herausfinden, welche wahr sind und welche nicht". Sie habe sich für dieses Format entschieden, um sich vom üblichen Schreiben einer Autobiografie abzuheben. Nach Ansicht des Herausgebers hat sie damit eine "sehr gute" Ausdrucksform gefunden.
Gascón erzählt in dem Werk von Momenten ihres Lebens, das sie auch nach Mexiko führte, wo sie sich als Schauspielerin einen Namen machte. Dies, so Gascón, war eine "wunderbare" Phase ihres Lebens, in der sie sich schließlich in einen Senator der Republik verliebte und eine "sehr komplizierte" Beziehung einging.
Im Bewusstsein der in den letzten Wochen ausgelösten Kontroverse und im Einklang mit sich selbst gab sie bei einem Mittagessen mit der Presse, an dem Euronews teilnahm, eine Erklärung ab. "Ich gebe Ihnen die Schlagzeile", sagte sie. "Soy menos racista que Gandhi y menos de Vox que Echenique." (Übersetzt: Ich bin weniger rassistisch als Gandhi und weniger pro-Vox (Rechtsaußen-Partei) als Echenique (Politiker der extremen Linken)." Die Aussage führte dazu, dass sie einmal mehr in den sozialen Netzwerken viral ging.
Mit diesem Satz wehrt sich Gascón gegen die Vorwürfe bezüglich ihrer Tweets aus der Vergangenheit, die von vielen als rassistisch oder ultrakonservativ eingestuft wurden. "Hass kann nur mit Liebe gestoppt werden und nicht mit noch mehr Hass", so Gascón.
"Niemand muss mir irgendetwas verzeihen"
Inzwischen gehe es ihr nach den Geschehnissen viel besser. Gascón ist überzeugt, dass sie Opfer eines koordinierten Angriffs geworden ist. Sie ist sich bewusst, dass ihre Äußerungen aus dem Jahr 2015 bei einem Teil der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe gestoßen sind, aber sie sagt, sie seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Sie erklärt auch, dass sie sich nicht an die geschriebenen Nachrichten erinnere und dass sie ihr Konto Tage zuvor fast gelöscht hätte, weil sie die Vision von Elon Musk, dem Eigentümer des sozialen Netzwerks, nicht teilte: "Ich habe X nicht verlassen, weil sie mir nach der Nominierung für die Golden Globes neue Rechte für das Konto gegeben haben, ohne dass ich dafür zahlen musste", sagt sie lachend.
Trotz der Kontroverse besteht sie darauf, dass "niemand mir irgendetwas verzeihen muss, wenn sich jemand durch meine Aussagen beleidigt gefühlt hat, soll er es mir sagen", fügt sie hinzu. "Ich habe gesehen, wie viele Leute über mich gesprochen haben, ohne mich zu kennen, und mich als rechtsextrem oder rassistisch bezeichnet haben".
Die Schauspielerin sprach auch darüber, wie sich die Kontroverse auf ihre Karriere und die öffentliche Wahrnehmung auswirkte. Bei der Oscar-Verleihung wurde sie nicht auf den roten Teppich gelassen, als sie nominiert wurde: "Ich habe es nicht einmal bemerkt, sie lenkten meinen Lauf in eine andere Richtung."
"Sie wollten mich in einen Roboter verwandeln, in jemanden, der makellos ist und ich weiß nicht wen repräsentiert. Ich repräsentiere niemanden außer mir selbst. Wenn sich jemand mit mir identifiziert, toll, aber ich bin nicht perfekt und will es auch nicht sein. Kunst entsteht aus menschlicher Unvollkommenheit."
Dieses Bedürfnis, berühmte Menschen in perfekte Charaktere zu "verwandeln", sei genau das, was die Filmwelt von der Realität abgrenzt und eine Barriere zwischen den Bürgern und unerreichbaren Stars errichtet, die nicht in der Lage zu sein scheinen, Fehler zu machen. Gascón: "Wie die Sängerin C. Tangana bei der Goya-Verleihung sagte: Seien wir verständnisvoll, verzeihen wir und lassen wir die Menschen Fehler machen. Denn je größer der Fehler ist, desto mehr brauchen wir die Vergebung der anderen. Kurz gesagt: Lasst uns menschlich sein und akzeptieren, dass jeder Mensch ein Prisma mit vielen verschiedenen Facetten ist."
Zu den Rassismusvorwürfen selbst verwies Gascón auf ihren persönlichen Hintergrund: "Ich finde es völlig ungerecht, als Rassistin bezeichnet zu werden, ein Wort, gegen das ich mein ganzes Leben lang gekämpft habe. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, die Anliegen der Schwarzen und anderer ethnischer Gruppen zu unterstützen, und als solches abgestempelt zu werden, ist etwas, das nicht in meinen Kopf passt".
Gascón deutete auch an, dass hinter der Kontroverse eine bewusste Absicht stecken könnte: "Offensichtlich ist es die Absicht, vier Worte aus dem Zusammenhang zu reißen. Sie haben das ausgewählt, was sie wollten, um ein Bild von mir zu schaffen, das ich nicht bin."
Resilienz und Zukunft
Trotz des erlittenen Schadens zeigte sich die Schauspielerin widerstandsfähig und zukunftsorientiert: "Mein Treibstoff ist der Hass, den ich erhalte, ich verwandle ihn in etwas Nützliches, um mich zu überwinden. Ich bedauere nicht, dass ich nach der Absage geschwiegen habe, es war ein Kampf gegen mich selbst, den ich gewonnen habe. Dieses Buch hat mir geholfen, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und vorwärts zu schreiten.
Mit "Lo que queda de mí" will Karla Sofía Gascón nicht nur sich selbst rehabilitieren, sondern auch den Leser dazu einladen, über Wahrheit, Identität und persönlichen Kampf nachzudenken. "Das Leben ist so: Wenn man ganz oben ist, bringt einen etwas zu Fall. Aber ich glaube immer noch an den Menschen, und ich habe eine Verantwortung gegenüber meiner Tochter und mir selbst, nicht aufzugeben", schloss sie.