Trotz Klage der Mutter: Buch über Vater, der seine 2 Kinder ermordet hat, darf erscheinen

2011 hat José Bretón seinen eigenen zwei Kindern im Alter von zwei und sechs Jahren ermordet. Die brutalen Morden waren eine Rache an Ruth Ortiz, seine Frau und Mutter der Kinder. Sie hatte ihm kurz zuvor gesagt, dass sie die Scheidung will. Nun soll ein Roman über den doppelten Kindesmord in Spanien veröffentlicht werden. Ein Versuch der Mutter der Kinder, rechtlich gegen die Veröffentlichung vorzugehen, ist gescheitert.
Das Buch des Autors Luisgé Martín basiert auf einem Briefaustausch mit José Breton, der seit 2013 seine 25-jährige Gefängnisstrafe absitzt. Mit der Mutter der Kinder hat der Autor jedoch nie gesprochen.
Die Ankündigung des Buches hatte vor einer Woche eine Kontroverse in Spanien ausgelöst. Die Mutter der getöteten Kinder, Ruth Ortiz, wandte sich angesichts der Presseankündigungen über die bevorstehende Veröffentlichung des Buches an die Staatsanwaltschaft von Córdoba.
Die Veröffentlichung des Buches wurde jetzt vom 39. Gericht erster Instanz in Barcelona genehmigt. Der in Barcelona ansässige Verlag Anagrama darf das Buch mit dem Titel "El odio" zu Deutsch "Der Hass" veröffentlichen. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, dass sie gegen das Urteil Berufung einlegen wird.
Die epistolische Erzählung beruht größtenteils auf den Briefen, die der Autor Luisgé Martín mit Bretón während seines Gefängnisaufenthalts ausgetauscht hat. Für ein abschließendes Gespräch traf der Autor den Mörder sogar im Gefängnis. Bretón wurde zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt - 20 Jahre für jedes getötete Kind. Später wurde seine Strafe auf 25 Jahre reduziert.
Was geschah im Fall José Bretón?
Am achten Oktober 2011 tötete José Bretón seine eigenen Kinder Ruth und José, damals zwei und sechs Jahre alt, auf dem Landgut Las Quemadillas in Córdoba. Der Mörder verübte seine Tat nur einen Monat, nachdem seine Lebensgefährtin Ruth Ortiz ihm ihre Absicht mitgeteilt hatte, sich von ihm zu trennen. Es hatte "seine Rache" für die Trennung über mehrere Wochen ausführlich geplant. Die verbrannten Knochen der Kinder wurden dennoch auf dem andalusischen Landgut gefunden. Erst hieß es, es seien die Knochen von Nagetieren. Dank eines Experten, der der Mutter Ruth Ortiz über ihren Anwalt seine Hilfe angeboten hatte, konnte bei einer erneuten Untersuchung bewiesen werden, dass es sich um die Überreste der Kinder handelte.
Das Doppeldelikt ist ein dramstisches Beispiel für stellvertretende Gewalt: eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt, die darauf abzielt, dem Partner oder Ex-Partner so viel psychischen Schmerz wie möglich zuzufügen. Der Roman von Luisgé Martín vertieft diese Dynamik, indem nur der Mörder, nicht aber die Betroffenen zu Wort kommen. Das Buch thematisiert in einer Briefchronik ausschließlich die Worte des Vaters, der seine eigenen Kinder ermordet hat - nur der dominante machtausübende Teil des Falls kommt zu Wort.
Der Täter wurde schließlich im Juni 2013 wegen Doppelmordes verurteilt, wobei erschwerende Umstände aufgrund von Verwandtschaft, Vorsatz und Rücksichtslosigkeit bei der Ausführung der Taten vorlagen. Der Verurteilte befindet sich im Hochsicherheitsgefängnis von Herrera de la Mancha in der Provinz Ciudad Real, wo er derzeit eine reduzierte Strafe von 25 Jahren verbüßt.
Die Reaktion des Verlags Anagrama auf die Kontroverse
Der Verlag des Buches, Anagrama, rechtfertigte seine redaktionelle Entscheidung in einer am Freitag, 21. März, veröffentlichten Erklärung. Das von Jorge Herralde geleitete Verlagshaus gehört zu den renommiertesten der Branche in Spanien und Lateinamerika. Der Verlag erklärte, dass sich die Literatur schon immer mit komplexen und schmerzhaften Realitäten auseinandergesetzt hat. Die Abwesenheit von Ruth Ortiz in der Erstellung des Romans wurde an keiner Stelle der Pressemitteilung erwähnt.
"Die Verfassung erkennt das Grundrecht auf literarisches Schaffen an", heißt es dort. "Daher ist Anagrama der Ansicht, dass sowohl der Autor als auch der Verlag das Recht haben, dieses Werk zu veröffentlichen, aber wir werden die Gerichtsentscheidungen abwarten".
Der Verlag hatte Luisgé Martín 2020 für seinen Roman "Cien noches" mit dem renommierten Herralde-Preis ausgezeichnet. Neben dem preisgekrönten Roman hat der Schriftsteller noch drei weitere Werke bei Anagrama veröffentlicht. Es ist nicht bekannt, ob Anagrama die Veröffentlichung des Romans nach der Kontroverse fortsetzen wird, obwohl eine gerichtliche Genehmigung erteilt wurde.
Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrechte in Spanien
Die Staatsanwaltschaft von Barcelona hat angekündigt, dass sie gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einlegen wird. In dem Urteil wird der Konflikt zwischen zwei grundlegenden Rechten anerkannt: das Recht auf Achtung der Privatsphäre und des eigenen Erscheinungsbildes - das in diesem Fall auf der Seite Ruth Ortizs und ihrer Kinder Anwendung findet - und die Informations- und Meinungsfreiheit.
Der Richter gibt in seinem Urteil letzterem den Vorzug, da sich die Klage bisher auf Pressemitteilungen und nicht den Inhalt des Buches selbst bezieht. Das Buch wurde noch nicht veröffentlicht. Der Richter ist der Ansicht, dass die vorsorglichen Maßnahmen nicht ausreichend sind.
Das Ausmaß, in dem das Buch die Privatsphäre und die Würde von Minderjährigen untergräbt, kann nach Ansicht des Richters nicht analysiert werden, da der Inhalt des Buches nicht bekannt ist. "Es ist absolut unmöglich, ein vorläufiges Urteil zu Gunsten der Vormundschaft zu fällen", so der Richter in seinem Urteil. "Im Moment ist es nicht möglich, eindeutig zu bestimmen, zu welchem Genre das fragliche Buch gehört, und dies ist eine Frage von besonderer Bedeutung bei der Abwägung der Grenzen der freien Meinungsäußerung im Verhältnis zu den Persönlichkeitsrechten einer Person".
Der Fall erinnert ein wenig an die kurzzeitige Beschlagnahme des Romans "Fariña" von Nacho Carretero durch einen Richter in Collado-Villalba (Madrid). Einer der Politiker, die in dieser journalistischen Chronik über den Drogenhandel an der galicischen Küste in den 1980er und 1990er Jahren genannt werden, beantragte die Zensur des Buches aus Gründen seiner Persönlichkeitsrechte. Der Drogenhandel forderte in der Region Rías Baixas Hunderte von Opfern.
Die Klage wurde schließlich abgewiesen, da wie im Fall von Luisgé Martín das Recht auf freie Meinungsäußerung überwiegt. Fariña" stellt jedoch einen völlig anderen Fall dar als "El odio": Es gibt mehrere Sichtweisen auf die Ereignisse, sowohl von den Familien der Opfer als auch von den Drogenhändlern selbst und von dem korrupten politischen Netzwerk, das die Ereignisse ermöglichte.
Im Buch "El odio" von Luisgé Martín, das nun theoretisch veröffentlicht werden darf, wird ausschließlich eine Briefchronik mit dem Mörder der Kinder dargestellt. Weitere Familienmitglieder kommen nicht zu Wort, auch nicht die Mutter der ermordeten Kinder.