Kann diese Rentenreform die europäische Wirtschaft ankurbeln?

Europa steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits braucht der Kontinent enorme Investitionen – in den grünen Wandel, moderne Infrastruktur und Innovationen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Andererseits liegen Billionen an privaten Ersparnissen weitgehend ungenutzt auf Bankkonten, wo sie kaum Rendite bringen.
Ein Arbeitspapier des Thinktanks Bruegel („Plugging Europe’s Investment Gap“) zeigt, dass institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds hierbei eine Schlüsselrolle spielen könnten. Sie verwalten bereits erhebliche Summen, investieren diese jedoch meist konservativ und heimatnah, vor allem in europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Im Gegensatz dazu setzen US-Fonds stärker auf Aktien und alternative Anlagen wie Risikokapital.
Das Papier betont die Verbindung zwischen Renten- und Investitionssystemen. Umlagefinanzierte Renten geraten durch die alternde Bevölkerung unter Druck: Immer weniger Beschäftigte müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Kapitalgedeckte Systeme, bei denen Ersparnisse langfristig angelegt werden, könnten Abhilfe schaffen – sie stärken die Altersvorsorge und eröffnen neue Investitionsquellen für die Wirtschaft.
Eine wichtige Stellschraube ist die automatische Einschreibung in kapitalgedeckte Systeme. Erfahrungen aus Großbritannien zeigen, dass dadurch die Beteiligung deutlich steigt, weil die meisten Beschäftigten angemeldet bleiben. Bruegel zufolge könnte bereits die Umlenkung kleiner Teile der Bankeinlagen in Renten- und Versicherungssysteme hunderte Milliarden Euro für Investitionen mobilisieren.
Oft wird diskutiert, ob Europa Kapital an die USA „verliert“. Tatsächlich stieg der Anteil US-Aktien in europäischen Pensionsportfolios von 23 % (2013) auf 39 % (2023). Gemessen an der Größe des US-Markts sei dies jedoch nicht übermäßig, betonen die Autoren. Das größere Problem liege darin, dass viele europäische Haushalte ihre Ersparnisse schlicht auf Konten mit niedrigen Zinsen parken.
Die Bruegel-Studie warnt zugleich davor, Rentenfonds als politisches Instrument zu missbrauchen. Vorrangiges Ziel müsse die Sicherheit der Altersvorsorge bleiben; Investitionen in Klimaschutz oder Infrastruktur seien ein erwünschter Nebeneffekt, nicht das Hauptmotiv.
Die eigentliche Reform, so das Fazit, sei unspektakulär, aber wirkungsvoll: Mechanismen wie die automatische Einschreibung könnten still und leise ein enormes Kapitalpotenzial erschließen – zum Nutzen von Sparern wie von Europas Wirtschaft.
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