Neonazi Liebich – jetzt spricht der Staatsanwalt: Wir sind nicht die "Trottel der Nation"

"Ich habe es absolut nicht für möglich gehalten", erzählt Benedikt Bernzen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle, zu Euronews. Doch als Neonazi Marla-Svenja Liebich am 29. August die Haftstrafe im Frauengefängnis Chemnitz nicht antritt, wird schnell klar, dass Liebich alle an der Nase herumgeführt hat.
Liebich wird als biologischer Mann geboren und im Juli 2023 als Mann verurteilt - zu anderthalb Jahren, wegen Volksverhetzung. Der Neonazi definiert sich seit dem 1. November 2024 als Frau. Diese Entscheidung und die daraus resultierende Entsendung in das Frauengefängnis Chemnitz machen bundesweit Schlagzeilen und lösen vielerorts Unverständnis über die Arbeit der Staatsanwaltschaft aus.
Die Vorwürfe an die Staatsanwaltschaft kommen aus allen Ecken. Hätte Liebichs Flucht nicht verhindert werden können? "Absolut nicht", meint Bernzen. Dass sich Liebich auf den Gefängnisaufenthalt vorbereitet hat - darauf deuten mehrere Fakten hin.
Was dann geschieht, ist reine Inszenierung. Ein Versuch, die Staatsanwaltschaft "als Trottel der Nation" darzustellen, sagt Bernzen exklusiv zu Euronews.
Schon im Vorfeld beginnt Liebich scheinbar, sich auf den Gefängnisaufenthalt vorzubereiten. Der Neonazi ruft in einem Post auf X Follower dazu auf, Merchandising-Produkte von der Familie zu kaufen. Das Geld daraus solle den bevorstehenden Gefängnisaufenthalt erleichtern.
Vergangenen Freitag schreibt der Neonazi auf X: "Nur noch 2,5 Stunden" und "20 Uhr sehen wir uns vor Ort." Bernzen erwartet zwar, dass Liebich sich später stellt, als die offizielle Vorladung um 18 Uhr vorsieht. Doch Liebich taucht unter. Am nächsten Morgen erscheint auf Liebichs X-Account ein bizarrer Post: "Liebesgrüsse aus Moskau", heißt es. Von Liebich fehlt jede Spur.
Die X-Posts von Liebich werden schon länger beobachtet, erzählt Staatsanwalt Bernzen. Auch der Post mit dem Hinweis darauf, dass Liebich sich in Russland abgesetzt habe, wird "zur Kenntnis" genommen. Doch ist Liebich wirklich in Russland? "Ich halte alles für möglich", sagt der Staatsanwalt zu Euronews.
Nach Liebich wird bundesweit gefahndet. Zu der Frage, ob auch eine internationale Fahndung vorliegt, will sich Bernzen "aus taktischen Gründen" nicht äußern. Liebichs Anwälte hätten sich nach der Flucht auch nicht bei der Staatsanwaltschaft gemeldet. Es gab "keinerlei Kommunikation", so Bernzen.
Liebichs Entscheidung, sich der 18-monatigen Haft zu entziehen, war "taktisch unklug", findet Bernzen. Das Verhalten könnte sich negativ auf die Haft auswirken. Vollzugslockerungen wie zum Beispiel der Freigang oder ein offener Vollzug könnten nun wegfallen. Liebich wäre erstmals inhaftiert und hätte nach zwei Dritteln der Strafe Aussicht auf eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung.
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