Frankreichs Premier Lecornu: Seitenhieb auf andere Politiker

Frankreichs nach seinem Rücktritt erneut ernannter Premierminister Sébastien Lecornu sollte an diesem Wochenende eine neue Regierungsmannschaft zusammenstellen. Am Samstag erklärte der 39-jährige Macron-Vertraute, dass es nicht "viele Kandidaten" für das Amt des Regierungschefs gegeben habe. Zugleich betonte Lecornu in einem Seitenhieb auf mehrere hochrangige Politiker, die bei den Präsidentschaftswahlen antreten wollen, dass er nur seine Pflicht tue und kein anderes Amt anstrebe.
Bei einem Besuch in einer Polizeistation im Pariser Vorort L'Hay-les-Roses sagte Lecornu: "Ich glaube nicht, dass es viele Kandidaten gab." Wie schon zuvor unterstrich der ehemalige Verteidigungsminister seine Unabhängigkeit und warnte, dass er auch erneut zurücktreten könne, wenn seine "Bedingungen nicht erfüllt" seien. Sein Kabinet dürfe "keine Geisel parteipolitischer Interessen sein".
Das sagt eine neue Umfrage
In der Ipsos-BVA-Umfrage für "La Tribune Dimanche" kommt Sébastien Lecornu auf 27 Prozent Zustimmung, während die Popularität von Präsident Emmanuel Macron auf 19 Prozent fällt. Anders als bei Lecornu sinkt auch die Zustimmung der Befragten für mehrere Präsidentschaftskandidaten wie den konservativen scheidenden Innenminister Bruno Retailleau. An der Spitze der beliebtesten Politiker in Frankreich stehen weiterhin die rechtsextremen Marine Le Pen und Jordan Bardella mit einer Zustimmungsrate von 33 Prozent.
Sébastien Lecornu, der am späten Freitag nach einer Woche des politischen Chaos von Präsident Emmanuel Macron erneut mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, rief zur Ruhe auf und bat um die Unterstützung der politischen Parteien. Vorrangiges Ziel des Premiers ist es, einen Haushalt für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union durch das Parlament zu bringen.
Die Ernennung des 39-Jährigen sehen einige als Macrons letzte Chance, seine zweite Amtszeit, die bis 2027 läuft, nicht vorzeitig beenden zu müssen. Das zentristische Lager des Präsidenten hat keine Mehrheit in der Nationalversammlung, und Macron sieht sich selbst in den eigenen Reihen zunehmender Kritik ausgesetzt.
Rivalen kritisieren Lecornus erneute Ernennung
Unterdessen kritisierten Politiker und Politikerinnen von der extremen Rechten bis zur extremen Linken Macrons Entscheidung, Lecornu erneut zum Premier zu ernennen.
Der Vorsitzende der rechtsextremen Le-Pen-Partei Rassemblement National, Jordan Bardella, nannte die Wiederernennung Lecornus einen "schlechten Witz" und erklärte, er werde sofort versuchen, das neue Kabinett abzusetzen.
Die konservativen Republikaner um den scheidenden Innenminister Bruno Retailleau - beschlossen am Samstag, sich nicht an der Regierung von Sébastien Lecornu zu beteiligen. Die Partei sprach sich aber dafür aus, die Exekutive "zu unterstützen".
"Der politische Vorstand bekräftigt seine Unterstützung für die Regierung (...) Zum jetzigen Zeitpunkt sind das Vertrauen und die Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung von Les Républicains nicht gegeben", heißt es in einer Erklärung der Partei.
Der 64-jährige Bruno Retailleau selbst strebt das Amt des französischen Präsidenten an.
Frankreichs Sozialisten drohen damit, Lecornus Regierung zu stürzen, wenn er nicht zustimmt, die Rentenreform von 2023 zu stoppen. Die Rentenreform, die das Renteneintrittsalter auf mindestens 64 Jahre heraufsetzt, ist eines der großen Projekte von Präsident Emmanuel Macron, gegen die es landesweit zahlreiche Proteste gab.
Frankreich kämpft mit wirtschaftlichen Herausforderungen
Frankreich kämpft inmitten der politischen Krise mit wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen und einer ausufernden Verschuldung. Das hat in der gesamten Europäische Union Besorgnis ausgelöst.
Lecornu, der am Montag nach nur einem Monat im Amt zurücktrat, sagte, er habe sich bereit erklärt, zurückzukommen, da es dringend notwendig sei, finanzielle Lösungen für Frankreich zu finden. Er ist sich des Risikos bewusst, dass er durch ein Misstrauensvotum des zersplitterten Parlaments zu Fall gebracht werden könnte.
"Entweder helfen mir die politischen Kräfte und wir begleiten uns gegenseitig ... oder sie tun es nicht", sagte Sébastien Lecornu.
Der neue Premier kündigte an, dass niemand seiner Regierung angehören werde, der sich bei den Präsidentschaftswahlen 2027 bewirbt.
Zuletzt hatten sich Macrons ehemalige Premierminister Edouard Philippe und Gabriel Attal, die beide bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren wollen, sehr kritisch gegenüber dem Staatschef geäußert.
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