Paris und Rom im Dauer-Zwist: Italien reagiert scharf auf Vorwürfe von "Steuer-Dumping" des Premiers von Frankreich

Wenige Tage vor der für den 8. September angesetzten Vertrauensabstimmung über die französische Regierung und einige Tage nach den Beschimpfungen des italienischen Vize-Ministerpräsidenten Matteo Salvini gegen Präsident Macron gibt es neuen Streit zwischen Rom und Paris. Der französische Premierminister Francois Bayrou hat Italien eine Politik des Steuerdumpings vorgeworfen.
Bei einem Mediengespräch am Sonntag mit franceinfo, LCI, BFMTV und Cnews warnte Bayrou, der im eigenen Land die Staatsverschuldung senken will, vor dem so genannten "fiskalischen Nomadentum".
Lockt Italien Steuer-Nomaden an?
Als positives Beispiel führte Bayrou Japan an, wo "die Schulden zu 99 Prozent von Japanern gehalten werden". Dagegen machte er der italienischen Regierung schwere Vorwürfe: "Italien betreibt heute Steuerdumping."
Unter Steuer-Dumping versteht der französische Regierungschef offenbar den Versuch, Unternehmen oder Privatpersonen durch niedrige Steuern ins Land zu locken.
Von linken Parteien in Frankreich geforderte Maßnahmen, die auf die "Reichsten" abzielen, könnten die Steuerzahler dazu bringen, ihren Steuersitz zu verlegen, meinte Bayrou.
"Mittlerweile gibt es eine Art steuerliches Nomadentum und man zieht dorthin, wo es bequem ist", sagte der französische Premier.
Rom verweist auf italienische Stabilität
Die italienische Regierung reagierte prompt und wies die Vorwürfe zurück. Italiens Wirtschaft sei wettbewerbsfähig und stabil, und es gebe keine ungerechtfertigten Steuervergünstigungen zur Anwerbung ausländischer Unternehmen.
In der Mitteilung wird darauf hingewiesen, dass Italien ebenfalls unter den Auswirkungen der so genannten "europäischen Steuerparadiese" leidet, die den öffentlichen Kassen erhebliche Mittel entziehen.
Palazzo Chigi bezeichnete Bayrous Äußerungen daher als "unbegründet" und forderte Frankreich auf, auf europäischer Ebene gegen Mitgliedsstaaten vorzugehen, die tatsächlich Steuerdumping betreiben.
Die italienische Ministerpräsidentin zeigte sich erstaunt über die Äußerungen ihres französischen Amtskollegen. Die Vorwürfe seien völlig unbegründet, schrieb Giorgia Meloni auf X.
Italiens Außenminister Antonio Tajani bezeichnete in einem Interview mit der Tageszeitung Il Messaggero die Äußerungen von Bayrou als Ergebnis einer fehlerhaften Argumentation. Auch er verwies auf die wirtschaftliche Stabilität Italiens.
Tajani, Chef der ehemaligen Berlusconi-Partei Forza Italia (FI) erklärte, in Europa gebe es echte Steueroasen und andere Anomalien, die korrigiert werden müssten, Italien gehöre aber nicht dazu.
Der Vorsitzende der Forza-Italia-Senatoren, Maurizio Gasparri, forderte eine Entschuldigung von Bayrou.
"Große italienische Industriekonzerne haben ihren juristischen oder steuerlichen Sitz in Holland, Luxemburg und dem Vereinigten Königreich, das nicht mehr zur EU gehört. Das zeigt, wie der Pro-Europäismus, der oft als Lösung dargestellt wird, zum Problem werden kann", sagte Marco Osnato, Vorsitzender des Finanzausschusses der Abgeordnetenkammer und Abgeordneter der Meloni-Partei Fratelli d'Italia (FdI), gegenüberAdnkronos.
Auch die Lega bezog Stellung und bezeichnete Bayrous Äußerungen als einen "ernsten und inakzeptablen Angriff auf Italien, seine Unternehmer und Arbeitnehmer". In einer Mitteilung wies die Partei darauf hin, dass sich Frankreich nach der Polemik des Ministers Matteo Salvini in den letzten Tagen in einer politischen Krise befinde.
Noch-Regierungschef François Bayrou hält diese Woche eine Reihe von Konsultationen ab - im Vorfeld der von ihm selbst angesetzten Vertrauensabstimmung, die zum Sturz seines Kabinetts führen könnte. Der Premier hat im Parlament in Paris keine eigene Mehrheit.
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