Flamingo vs Taurus: Wird die ukrainische "Wunderwaffe" von Deutschland finanziert?

"Ab heute verwenden wir unsere im Inland hergestellten Langstreckenwaffen", bestätigt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am vergangenen Wochenende auf einer Pressekonferenz. "Und um ehrlich zu sein, haben wir in letzter Zeit nicht mit den USA über solche Dinge gesprochen", fügt er hinzu.
Der ukrainische Präsident meint damit die ukrainischen bodengestützten FP-5 "Flamingo"-Marschflugkörper, die Mitte August von dem ukrainischen Rüstungsunternehmen "Fire Point" vorgestellt wurden.
Pro Tag soll von nun an eine Rakete produziert werden. Bis zum Jahresende könnte das Unternehmen diese Zahl laut eigenen Angaben versiebenfachen und auf über 200 pro Monat oder 2.500 pro Jahr steigern, heißt es Medienberichten zufolge.
Der Flamingo hat eine Spannweite von etwa sechs Metern, wiegt um die 6.000 Kilogramm und hat eine Nutzlast von 1.150 Kilogramm. Das macht sie zu dem ersten ukrainisch-produzierten "schweren Raketensystem".
Die Gefechtsladung wiegt über 1.000 Kilogramm, was schätzungsweise 450–550 Kilogramm Sprengstoff entspricht, was deutlich mehr ist als bei den bisher eingesetzten ukrainischen Drohnen und Klein-Marschflugkörpern, so der Militär- und Sicherheitsexperte Fabian Hoffmann in seinem Blog "Missile Matters".
Die hohe Endgeschwindigkeit in Kombination mit dem hohen Gewicht des Flamingos sorgt, dass der Sprengkopf tiefer in das Ziel eindringt, bevor er explodiert, was die Zerstörungskraft erheblich steigert.
Zum anderen ermöglicht die große Sprengladung einen deutlich größeren tödlichen Wirkungsradius: Während er bei stark befestigten Zielen wie Betonbauten bei etwa 21 Metern liegt, erreicht er bei weicheren Strukturen wie Raffinerieanlagen rund 38 Meter, so Hoffmann.
Diese Eigenschaften könnten den Flamingo langfristig zu einem entscheidenden Instrument der Abschreckung für Kyjiw machen.
Finanziert Deutschland den Flamingo-Marschflugkörper?
Seit der Vorstellung des sechs Tonnen schweren Marschflugkörpers wird er mit dem verglichen, den sich die Ukraine seit Jahren wünscht: dem deutschen Taurus.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte im Wahlkampf signalisiert, die Ukraine mit den Taurus-Raketen beliefern zu wollen. Seit mehr als 100 Tagen in Regierungsverantwortung hat sich daran jedoch kaum etwas im Vergleich zur Ampel-Vorgängerregierung unter Olaf Scholz (SPD) geändert.
Der österreichische Militärexperte Gustav Gressel findet, dass die deutsche Taurus-Diskussion "schon ein wenig absurd" war.
"Laut Scholz war Taurus eine Wunderwaffe, das Eskalationsrisiko enorm und der Ausbildungsaufwand horrend. Obwohl die Ukrainer schon die sehr ähnliche Storm Shadow einsetzten, ohne, dass es zum Weltuntergang kam. Auch einen Ringtausch mit Großbritannien hat er ohne Begründung abgelehnt, obwohl ein solcher der Ukraine mehr Storm Shadows gebracht hätte ohne Mehraufwand für die Einführung eines neuen Waffensystems", so Gressel.
Ihm zufolge ist das "Scholzsche Absurdistan nie ganz verschwunden, und so will halt die SPD bis heute nicht".
Stattdessen hatte Merz bei seinem ersten Amtsbesuch in Kyjiw erklärt, dass die deutschen Waffenlieferungen von nun an nicht mehr mit der Öffentlichkeit geteilt werden.
Grund dafür sei die "strategische Ambiguität": Russland soll nicht schon im Voraus wissen, welche Waffen der Ukraine geliefert werden. Zudem soll in die ukrainische Rüstungsindustrie investiert werden.
Es ist unklar, ob die Bundesregierung den Flamingo-Marschflugkörper mitfinanziert hat.
Gegenüber Euronews bestätigt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass "aus Gründen der militärischen Sicherheit keine Fragen zu einzelnen Waffensystemen bzw. der Unterstützung einzelner Wirtschaftsunternehmen" beantwortet werden können.
Es wird jedoch auf eine Pressemitteilung zur Unterstützung der Produktion weitreichender Waffen in der Ukraine vom 28. Mai verwiesen. Dort heißt es, dass "Deutschland künftig die Produktion von weitreichenden Waffensystemen in der Ukraine finanzieren wird".
"Noch in 2025 soll so eine erhebliche Stückzahl von weitreichenden Waffensystemen produziert werden. Die Waffensysteme stehen den ukrainischen Streitkräften rasch zur Verfügung – die ersten können bereits in wenigen Wochen zum Einsatz kommen", heißt es in der Mittelung des Bundesverteidigungsministeriums.
Ersetzt der Flamingo den Taurus?
Schon oft hieß es, der Taurus sei eine Art Wunderwaffe, mit der der Kriegsverlauf schlagartig verändert werden könne. So könne man mit dem Marschflugkörper die Krim-Brücke zerstören und somit die russische Logistik unterbrechen, oder auch Ziele tief im russischen Staatsgebiet erreichen.
Der "Flamingo hat eine weit größere Reichweite und Gefechtskopf, hat also eine weit höhere Wirkung im Ziel als Taurus", ergänzt Gressel gegenüber Euronews. "Allerdings ist Taurus kleiner, schwieriger im Radar zu entdecken und manövrierfähiger."
Der Taurus hat eine Reichweite von ungefähr 500 Kilometern. Bei dem Flamingo liegt die Reichweite bei rund 3.000 Kilometern, weswegen die Rakete demnach zu den weitreichenden- oder Mittelstreckenraketen, gehört.
Ob der Flamingo nun die neue "Wunderwaffe" für die Ukraine wäre, hänge Gressel zufolge davon ab, wie gut die ukrainischen Informationen über das Ziel sind.
"Ist es stark verteidigt? Gibt es Lücken in der russischen Fliegerabwehr? Wo und wann sind russische Jagdpatrouillien in der Luft, die den Flugkörper abfangen können? Desto genauer man das weiß, desto besser kann man Einsätze planen", erklärt er.
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