Neuer Bahn-Chef gesucht: Wird es erstmals eine Frau?

Die Deutsche Bahn, Betreiber des größten Schienennetzes Europas und zentrale Säule des Personen- und Güterverkehrs, steht vor einem bedeutenden Führungswechsel: Bald wird ein neuer Chef das Steuer übernehmen.
Im August wurde Bahnchef Richard Lutz vorzeitig abgelöst. Er soll den Konzern nur noch übergangsweise führen, bis ein Nachfolger gefunden ist, wie Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) erklärte.
Angesichts anhaltender Probleme mit Kundenunzufriedenheit, Verspätungen und mangelnder Wirtschaftlichkeit sieht Schnieder die Bahn in einer dramatischen Lage. Unter Lutz’ Führung häuften sich negative Schlagzeilen, nun soll der Konzern strukturell und personell neu aufgestellt werden.
Am 22. September will Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) seine Strategie für eine Bahn-Reform vorstellen. Das Unternehmen ist zwar eine Aktiengesellschaft, steht aber vollständig im Staatsbesitz und wird vom Bundesverkehrsministerium geführt, das den Nachfolger von Lutz auswählt, der anschließend formal vom Aufsichtsrat bestätigt wird.
Diese Kandidaten sind für die neue Position im Rennen:
Michael Peter, CEO von Siemens Mobility
Michael Peter gilt dem Handelsblatt zufolge als möglicher Favorit im Konzern. Er ist seit über 30 Jahren bei Siemens tätig, übernahm 2015 die Leitung des Bereichs Rail Infrastructure und führt seit 2017 als CEO Siemens Mobility die Bahnsparte des Unternehmens.
Siemens Mobility ist der Geschäftsbereich der Siemens AG, der sich auf Verkehrstechnik und Mobilitätslösungen spezialisiert. Dort werden Produkte und Systeme für den Schienenverkehr, den öffentlichen Nahverkehr, Straßen- und Tunnelinfrastruktur sowie intelligente Verkehrssysteme entwickelt, gebaut und betrieben.
Tim Scharwath, ehemaliger CEO von DHL Global Forwarding
Als weiterer Favorit für den Top-Posten bei der Bahn gilt der 60-jährige Tim Scharwath. Bis September dieses Jahres war Scharwath CEO von DHL Global Forwarding (DGF), einem der größten internationalen Speditionsunternehmen. Als er die Führung in dem Unternehmen übernahm, galt DGF in der Wirtschaftspresse noch als “krisengeschüttelt und schwächelnd“. Heute zählt die Sparte zu den “umsatzstärksten Bereichen” der DHL Group.
Scharwath hatte erst im vergangenen Jahr seinen Vertrag als Frachtvorstand bei DHL bis 2030 verlängert, kündigte jedoch vor kurzem an, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Ob er nun doch in der Arbeitswelt bleibt, um das Steuer bei der Bahn zu übernimmen, wird sich nächste Woche zeigen.
Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin Hamburger Verkehrsbundes (HVV)
Eine Chefin der Bahn gab es bislang noch nie.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hält es der Deutschen Presseagentur (dpa) zufolge für wichtig, dass die nächste Führungskraft Erfahrung im Verkehrssektor hat und das deutsche Eisenbahnsystem kennt – aber nicht schon lange im Konzern tätig ist.
Als mögliche Nachfolgerin von Richard Lutz schlägt der Verband Anna-Theresa Korbutt vor, derzeit Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsbundes (HVV). Korbutt kommentierte den Vorschlag auf LinkedIn mit einem Dank “für dieses hohe Maß an Wertschätzung, das ehrt mich sehr”.
Bahn muss “pünktlich”, “sicher” und “sauber” sein
Die neue Führungskraft der Deutschen Bahn wird mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert sein, insbesondere mit dem Thema Pünktlichkeit im Fernverkehr. Diese lag im August 2025 bei lediglich 59,6 Prozent, während die Reisendenpünktlichkeit 66,7 Prozent erreichte und damit im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken ist.
Verkehrsstaatssekretär Ulrich Lange (CSU) fordert der Augsburger Allgemeinen zufolge einen Vorstandsvorsitzenden mit “starken Managerqualitäten, der den komplexen Aufgaben gewachsen ist”. Auch Schnieder nannte die Zustände “dramatisch” und forderte, dass die Bahn “pünktlich”, “sicher” und “sauber” sein müsse.
Immerhin sitzt seit 2020 mit Sigrid Nikutta bereits erstmals eine Frau im Vorstand der Deutschen Bahn. Auf die höchste Chefposition der Vorstandsvorsitzenden hat es bisher aber noch keine Frau geschafft.
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