Merz' Israel-Waffen-Stopp spaltet Union: "Ein Punktesieg für die Hamas"?

Die Pläne Israels, Gaza-Stadt zu besetzen, um einen stärkeren Hebel gegen die Hamas zu haben, sorgten international für Aufruhr. Nicht weniger besorgt reagierten die Politiker in Deutschland, als der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz als Reaktion darauf fast im Alleingang beschlossen hatte, keine deutschen Waffenlieferungen mehr nach Israel zuzulassen.
"Das in der vergangenen Nacht vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen lässt aus Sicht der Bundesregierung immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen", hieß es in der Erklärung. "Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können", so die Bundesregierung.
Die Hamas muss entwaffnet werden, aber ohne deutsche Waffen
Dass die Hamas weiterhin bekämpft werden muss, behält die Regierung aber bei. "Israel hat das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen", das erkennt die Bundesregierung an. Auch "die Freilassung der Geiseln und zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand haben für uns oberste Priorität", heißt es in der Erklärung. "Die Entwaffnung der Hamas ist unerlässlich. Die Hamas darf in der Zukunft von Gaza keine Rolle spielen", betont die Bundesregierung.
Die Entscheidung, Waffenlieferungen nach Israel einzustellen, ist eine Kurswende in der Politik des deutschen Bundeskanzlers. Die Bundesregierung hatte bis dahin eine Aussetzung von Rüstungsexporten nach Israel abgelehnt. Vom 7. Oktober bis zum 13. Mai waren Lieferungen von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Israel erlaubt. Der Wert: 485,1 Millionen Euro. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage der Linksfraktion mit.
Noch vor Kurzem erklärte Merz, Israel erledige im Nahen Osten die "Drecksarbeit". Von der bedingungslosen Unterstützung Israels im Kampf gegen die Hamas bis zur Abkehr ist nur wenig Zeit vergangen. Merz sah sich offenbar einem massiven Druck ausgesetzt.
Spaltung in der deutschen Gesellschaft
Deutschland ist gespalten - in diejenigen, die Israel bei der Bekämpfung der Hamas unterstützen, und in diejenigen, die Israels Vorgehen im Gazastreifen verurteilen.
Unterstützung gab es vom Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD): "Dem Staat Israel gelte die volle Solidarität, aber auch Falsches müsse benannt werden, so Klingbeil. Das humanitäre Leid in Gaza sei unerträglich. "Die Freilassung aller Geiseln und eine Waffenruhe sind von größter Dringlichkeit", hieß es. Wie das allerdings erreicht werden könne, ließ Klingbeil offen.
Auch Co-Vorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, unterstützt den Stopp der Waffenlieferungen an Israel: "Die Entscheidung ist richtig", schrieb sie auf X. "Es ist überfällig, dass die Regierung diesen nun Schritt geht."
Doch viele der Parteikollegen von Merz fühlen sich überrumpelt. Der Exportstopp der Waffen war offenbar gar nicht mit der CSU abgesprochen. Das berichten die Bild-Zeitung und die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf interne Kreise der CSU. Die CSU wurde bei der Entscheidung offenbar nicht mit einbezogen.
Junge-Union-Chef Johannes Winkel kritisierte den Entschluss von Merz. Auf X schrieb er: "Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen".
Kritik gab es auch von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Sie bezeichnete die Entscheidung als einen "Punktsieg der Hamas im globalen Propagandakrieg". Die Deutsch-Israelische Gesellschaft bekräftigte, dass die Entwaffnung der Hamas unerlässlich sei. Sie kritisierte allerdings, dass die Bundesregierung keinen Vorschlag hervorgebracht hatte, dieses Ziel zu erreichen. "Freiwillig gibt die Hamas augenscheinlich weder die Waffen ab noch die Geiseln frei", so die Deutsch-Israelische Gesellschaft.
In Deutschland wird immer wieder die zum Teil rechtsextreme Ausrichtung der israelischen Regierung und die Nähe des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu eben dieser kritisiert. Dazu sagt die Deutsch-Israelische Gesellschaft jedoch: "Wir begrüßen, dass Ministerpräsident Netanjahu klargestellt hat, dass eine Annexion des Gazastreifens nicht angestrebt wird. Diese klare Absage an Pläne von Smotrich und Ben Gvir sollte in Berlin zumindest rezipiert werden."
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft warnt davor, dass Isarel sich revanchieren könnte, indem es Deutschland im Zweifelsfall seine Unterstützung bei der Luftsicherheit verwehren könnte - Angesichts des Krieges in der Ukraine hochaktuell.
Zentralratspräsident Josef Schuster kritisierte das Vorgehen als "Enttäuschend". "Israel wird tagtäglich durch Feinde im Nahen Osten angegriffen und mit Raketen beschossen, nicht nur durch die terroristische Hamas im Gaza-Streifen", schrieb der Zentralrat der Juden auf X. "Israel nun die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen solche Bedrohungen zu verteidigen, gefährdet dessen Existenz", hieß es.
Internationale Reaktionen
International sorgte die Ankündigung der israelischen Regierung, Gaza-Stadt zu besetzen, für Aufruhr. Die Außenminister Italiens, Australiens, Deutschlands, Neuseelands und Großbritanniens gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, eine weitere groß angelegte Militäroperation in Gaza zu starten, entschieden ablehnten.
"Dies wird die katastrophale humanitäre Lage verschärfen, das Leben der Geiseln gefährden und das Risiko einer massiven Fluchtbewegung von Zivilisten erhöhen", hieß es in der Erklärung. "Die von der israelischen Regierung angekündigten Pläne könnten gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen“, war eine weitere Befürchtung. "Jeder Versuch, Siedlungen zu annektieren oder zu erweitern, verstößt gegen das Völkerrecht".
Vollständige entmilitarisierung der Hamas als Grundlage weiterer Verhandlungen
Die Minister sind sich jedoch einig: "Die Hamas muss alle Geiseln unverzüglich und bedingungslos freilassen und sicherstellen, dass sie human behandelt werden und keiner Grausamkeit oder Demütigung ausgesetzt sind“, so die Minister in ihrer gemeinsamen Erklärung. Wie dies geschehen könne, wurde jedoch nicht konkretisiert.
Die Minister sprachen sich außerdem für eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Das sei der einzige Weg, um sicherzustellen, dass Israelis und Palästinenser in Frieden, Sicherheit und Würde zusammenleben können. Das erfordere jedoch "die vollständige Entmilitarisierung der Hamas und ihren vollständigen Ausschluss von jeglicher Form der Regierung im Gazastreifen, wo die Palästinensische Autonomiebehörde eine zentrale Rolle spielen muss", hieß es.
Today