Festgenommener Ukrainer war wohl Chef der Nord-Stream-Sabotage: War Kyjiw beteiligt?

Nach neuesten Erkenntnissen soll der in Italien festgenommene Ukrainer Serhii K. die Gesamtoperation der Sprengstoffanschläge an den Nord-Stream-Pipelines und das Sabotageteam geleitet haben. Das geht aus dem Haftbefehl hervor, der einem Rechercheteam der ARD, der Süddeutschen Zeitung und ZEIT vorliegt.
Der Anwalt des mutmaßlichen Angreifers bestreitet die Vorwürfe, wie italienische Medien berichten. Der ukrainische Staatsbürger wurde Mittwochabend in der Provinz Rimini, in Italien, festgenommen. Er war dort zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Ferienhaus im Urlaub. Der 49-Jährige ist der verfassungsfeindlichen Sabotage verdächtigt. Gegen ihn gab es einen internationalen Haftbefehl.
Spuren bis in die Ukraine
Am 26. September 2022 sprengten Unbekannte drei der vier Nord-Stream-Pipelines auf dem Grund der Ostsee mit Bomben. Die Pipelines sollten Deutschland mit russischem Gas versorgen. Als der Krieg in der Ukraine anfängt, stoppt das Vorhaben.
Laut Ermittlungen soll sich der verdächtigte Ukrainer gemeinsam mit fünf weiteren Männern und einer Frau falsche Pässe besorgt haben. Mit dem Boot namens "Andromeda", das sie zuvor gemietet hatten, segelten sie zu den Pipelines. Dort brachten Taucher mindestens vier Bomben in bis zu 70 bis 80 Metern Meerestiefe an und befestigten sie an den Nord-Stream-1- und Nord-Stream-2-Pipelines, heißt es im Haftbefehl. Danach sollen sie von einem Fahrer abgeholt und in die Ukraine gebracht worden sein.
Stellt die Sabotage die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine auf die Probe?
Das Heikle an dem Geschehen: Beamte der Ermittlungsgruppe gehen davon aus, dass es sich bei den Tatverdächtigen um mehrere Zivilisten, ehemalige, aber auch aktive Militärangehörige handelt. Im vergangenen Jahr sind die deutschen Ermittler Wolodymyr Z. auf die Spur gekommen. Einem der mutmaßlichen Taucher im Nord-Stream-Fall. Er hatte sich in Polen aufgehalten. Doch Wolodymyr S. konnte einem Haftbefehl entgleiten. Medienberichten zufolge soll er in einem ukrainischen Diplomatenfahrzeug geflüchtet sein, bevor ihn die polnische Polizei fassen konnte.
Auch dem mutmaßlichen Chef des Sabotage-Teams konnten Verbindungen zum ukrainischen Geheimdienst nachgewiesen werden. Nach Spiegel-Informationen soll er vor zehn Jahren für den ukrainischen Geheimdienst SBU gearbeitet haben. Er ist bis heute in einem Verband für Sicherheitsdienst-Reservisten tätig, wie ZEIT berichtet.
Dass die ukrainische Regierung daran beteiligt gewesen sein könnte, ist also nicht ausgeschlossen. Eine heikle Vermutung, die die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine auf die Probe stellen könnte. Denn bislang galt Deutschland als einer der stärksten Unterstützer der Ukraine im Krieg mit Russland. Eine Beteiligung der Ukraine bestritt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bislang jedoch.
Serhii K. soll noch bis mindestens Anfang September in Italien in Untersuchungshaft bleiben, so die italienischen Behörden. Danach könnte er nach Deutschland ausgeliefert werden. Gegen eine Überstellung nach Deutschland wolle sich der ukrainische Staatsbürger wehren, wie italienische Medien unter Berufung auf seinen Anwalt berichten. Eine Anhörung zu einer möglichen Auslieferung soll es Mitte der kommenden Woche geben. Dem Ukrainer drohen bis zu 15 Jahre Haft.
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