"Sozialstaat nicht finanzierbar": Merz fordert Reformen, SPD blockiert

Bürgergeld, Rente, Krankenversicherung - das deutsche Sozialversicherungssystem braucht mehr als nur einen neuen Anstrich. Die Koalition aus Union und SPD hatte sich auf grundlegende Reformen geeinigt - bei der Frage wie, ist sie sich allerdings uneins.
Mit den Reformen sollen die Systeme verbessert werden, vor allem aber auch bezahlbar bleiben. Hintergrund sind steigende Kosten und fehlende Ressourcen: Die bisherige Haushaltsaufstellung zeigt für 2027 bereits eine Finanzierungslücke von 30 Milliarden Euro auf.
Bundeskanzler Merz: "Sozialstaat nicht mehr finanzierbar"
Teilweise wurden Fachkommissionen mit der Ausarbeitung konkreter Vorschläge beauftragt, der Koalition steht ein "Herbst der Reformen" bevor. "Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz auf dem CDU-Landesparteitag in Osnabrück.
Er werde sich durch Worte wie Sozialabbau oder Kahlschlag nicht irritieren lassen, führte er weiter aus. Nach dem Vorstoß der SPD für höhere Steuern schließt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine zusätzliche Belastung des Mittelstands aus.
"Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben", sagte Merz. Auch Steuerexperten fordern eine Entlastung des Mittelstands.
Die SPD hingegen warnt davor, dass bei allen Reformen gelten müsse: "Wir bleiben ein Land, das Menschen hilft, die in Not geraten, die krank werden und Hilfe brauchen", so Finanzminister Lars Klingbeil.
Mit Strukturreformen sollen Beiträge stabil gehalten werden und Ungerechtigkeiten vermieden werden. Klingbeil erwarte "von allen Verantwortlichen mehr Phantasie als einfach nur Leistungskürzungen für die Arbeitnehmer."
Koalition muss miteinander, nicht übereinander reden
Zuletzt machte die Debatte über mögliche Steuererhöhungen, wie sie die SPD vorgeschlagen hatte, deutlich, dass die Koalition in einigen Feldern wenig kompromissbereit scheint.
"Ich bin mit dem, was wir bis jetzt geschafft haben, nicht zufrieden. Das muss mehr werden", sagte Merz auf dem Parteitag. Es gebe eine neue Migrationspolitik und Impulse für eine wirtschaftliche Wende.
Doch die Kommunikation der Koalition müsse sich verbessern. Sowohl die SPD als auch die eigene Partei rief der CDU-Chef auf, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden. Er mache es den Sozialdemokraten bewusst nicht leicht, sagte Merz. "Aber der Appell richtet sich an uns alle: Lasst uns zusammen zeigen, dass Veränderungen möglich sind, dass Reformen möglich sind."
Um zu zeigen, dass Deutschland erfolgreich aus der Mitte heraus regiert werden könne, wünsche sich der kanzler eine SPD, die den gemeinsamen Weg "migrationskritisch und industriefreundlich" fortsetze, forderte der Kanzler. "Das wird für uns im Herbst eine anstrengende Arbeit", sagte Merz erneut beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung in Berlin.
SPD will keine Leistungskürzungen beim Bürgergeld
Während sich die Union strikt gegen Steuererhöhungen stellt, zeigt die SPD bei Kürzungen der Sozialleistungen wenig Veränderungsbereitschaft. Juso-Chef Philipp Türmer erklärte Sozialkürzungen zur roten Linie für die SPD. "Wenn die Idee hinter einem Herbst der Reformen Sozial- und Leistungskürzungen sind, kann ich nur klipp und klar sagen: Die SPD darf da keinen Zentimeter mitgehen", sagte Türmer der Stuttgarter Zeitung. Insbesondere die Bürgergeldreform könne eine Gewissensfrage für die Abgeordneten darstellen.
Merz hingegen betonte auf dem Parteitag in Osnabrück, die CDU habe einen klaren Kurs in der Migrationspolitik eingeschlagen: "Gezielte Einwanderung in Arbeit, nicht in die Sozialsysteme." Die sinkende Zahl der Asylanträge seit Amtsantritt sei ein Indiz für die "richtigen Weichen" der unionsgeführten Koalitionsregierung.
Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf nahm Druck aus Merz' Ruf nach harten Sozialreformen. "Merz' Aussagen zum Sozialstaat scheinen mir mehr Pflichtelement einer CDU-Parteitagsrede zu sein als alles andere", sagte er der Stuttgarter Zeitung." Der Sozialstaat sei eine zentrale Errungenschaft der deutschen Demokratie und das Fundament jener sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland stark gemacht hat, erklärte Klüssendorf weiter. Das wisse auch Merz in Wirklichkeit. Richtig sei, dass Deutschland wieder wirtschaftliches Wachstum brauche.
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