Hält die Koalition der Haushaltsdebatte stand? Sozialstaatskommission nimmt Arbeit auf

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beharrt darauf: Mit ihm gibt es keine Steuererhöhungen. Darüber hätten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag verständigt und dieser würde gelten, so Merz im ZDF-Sommerinterview.
Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) hingegen hat in den vergangenen Wochen immer wieder die Möglichkeit von Steuererhöhungen für Vermögende und Spitzenverdiener eingebracht, um das Defizit von 30 Milliarden im Haushalt zu schließen.
Klingbeil: "Alle müssen ihren Beitrag leisten"
Alle müssten ihren Beitrag leisten, sagte er dem ARD-Bericht aus Berlin. Er nehme weiterhin keine Option vom Tisch und warne davor, Einsparungen vor allem im Sozialbereich vorzunehmen. "Ich glaube, es hat noch nie eine Bundesregierung gegeben, die eine so große Lücke im Haushalt schließen musste", so Klingbeil.
Die Lücke im Hauhshalt für 2027 sei durch Projekte wie die Mütterrente und die Kompensation der Kommunen beim "Wachstumsbooster" noch einmal gewachsen. Das sei allen Regierungsparteien bekannt. "Wir werden den Menschen etwas abverlangen müssen", schlussfolgert der SPD-Chef. Seiner Meinung nach sollten jedoch alle "ihren gerechten Beitrag" dazu leisten.
Einige CDU-Kandidaten äußerten Überlegungen zu einer höheren Reichensteuer. Diese würde allerdings nur mit Zugeständnissen der SPD zu strikten Sozialreformen einhergehen. Die Parteichefs von CDU und CSU erteilen diesen Ideen eine Absage. Klingbeil kommentierte: "Ich bin gespannt, welche Ideen der Bundeskanzler und andere dann noch haben, um eine 30-Milliarden-Lücke zu schließen."
Die Lösung liegt für ihn nicht in Kürzungen bei sozialstaatlichen Leistungen. "Es gibt einige, das merke ich manchmal in der politischen Debatte, die sind anscheinend so drauf, dass sie meinen, man könnte alles Geld beim Sozialstaat, bei der Rente, bei Gesundheit, bei Pflege, bei anderen Dingen einsparen", so Klingbeil.
Söder: "grundsätzliches Update" des Sozialstaats
CSU-Parteivorsitzender Markus Söder forderte indes ein "grundsätzliches Update" des Sozialstaats, wie er gegenüber der Augsburger Allgemeinen betonte. Die Kosten seien nicht nur beim Thema Migration, sondern im gesamten sozialen Bereich explodiert.
Unter anderem das Bürgergeld ist dem CSU-Chef ein Dorn im Auge. "Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet oder noch nie in die Sozialkassen eingezahlt hat", forderte er und nannte den Sozialstaat ungerecht.
Mit "weniger Leistungen und mehr Anreizen zur Arbeit" sehe Söder eine mögliche Verbesserung des Sozialsystems, die auch ein hohes Potenzial an Einsparungen birgen. Die geplante Ablösung des Bürgergelds mit der neuen Grundsicherung solle laut ihm daher für deutliche Einschnitte genutzt werden.
Merz: "Können uns System nicht mehr leisten"
"Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse", sagte Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender Merz beim NRW-Landesparteitag in Bonn. Das System, das man heute habe, könne man sich mit dem Erwirtschafteten nicht mehr leisten, erklärte er weiter und forderte einschneidende Sozialreformen. Der Sozialstaat sei ihm zufolge nicht mehr finanzierbar.
Die Notwendigkeit von Reformen ist auch für die SPD klar. Gewisse Verschärfungen beim Bürgergeld trägt die SPD mit, so Klingbeil im Bericht aus Berlin. Nur die Umsetzung und die betroffenen Bereiche für die möglichen Kürzungen müssen zwischen den Koalitionspartnern ausgehandelt werden.
Im Herbst sind mehrere Gesetze geplant, die eine Reform der Sozialsysteme anstoßen könnten. Die teils gegenläufigen Auffassungen von SPD und Union sorgen jedoch für Reibungen und erschweren einen Kompromiss. Die aktuelle Wirtschaftslage verschärft die Debatte ums Sparen.
Auch die Ampel-Koalition der vergangenen Regierung kämpfte hart um den Haushalt, der damalige Kanzler Olaf Scholz entließ Finanzminister Christian Lindner. Die Ampel zerbrach. So weit soll es zwischen Union und SPD nicht kommen. Auch Merz betonte, es würde nicht zwischen den Koalitionspartnern "clashen". Um die Wogen zu glätten, hatten sich die Fraktionsspitzen von SPD, CDU und CSU vergangene Woche in Würzburg getroffen.
"Diese Koalition wird Brückenbauer sein - in die Zukunft dieses Landes, gegen die Polarisierung in unserer Gesellschaft", sagte CSU-Vorsitzender Alexander Hoffmann in der Kulisse der Alten Mainbrücke in Würzburg. Die SPD teilte dazu, dass es dabei gerecht zugehen müsse.
Sozialstaatskommission nimmt Arbeit auf
Eine Sonderkommission zum Thema Sozialstaat nimmt am heutigen Montag ihre Arbeit auf. Bis Ende des Jahres sollen Vorschläge für mehrere Aspekte des Sozialsystems vorliegen: geplant sind Änderungen in den Bereichen Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschläge. Bereits im kommenden Jahr sollen einige der Vorschläge bereits Anwendung finden.
In der Sozialstaatskommission treffen Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen mit Experten aufeinander. Diese sind unter anderem in Gewerkschaften sowie in Sozial- und Wirtschaftsverbänden tätig. Auch Vertreter des Bundesrechnungshofs wohnen der Kommission bei.
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