Ruhs raus bei "Klar": NDR-Absetzung sorgt für politische Reaktionen

Der NDR setzt das ARD-Format "Klar" künftig ohne Moderatorin Julia Ruhs fort. Für die vom Bayerischen Rundfunk produzierten Folgen bleibt Ruhs jedoch Teil des Moderationsteams.
Auf X reagierte die Moderatorin "zutiefst enttäuscht" und "fassungslos" und nannte ihre Absetzung durch den NDR ein "Armutszeugnis".
Im Podcast von Table Media sagte Ruhs, dass sie dem Sender "zu rechts" sei, und erhob schwere Vorwürfe: sie warf dem NDR "Intrigen" vor, die zu ihrer Ablösung geführt hätten.
Ruhs betonte, dass nicht die Auseinandersetzung mit kontroversen Perspektiven dem Sender schade, sondern das Weglassen solcher Themen aus dem öffentlichen Diskurs. Dies führe ihrer Meinung nach dazu, dass Zuschauer sich von den öffentlich-rechtlichen Medien abwendeten und stattdessen auf schlecht recherchierte oder radikalere Quellen auswichen.
Ihr Ziel sei es gewesen, genau diese Menschen zurückzugewinnen. Dem NDR und Teilen der Belegschaft warf Ruhs vor, diesen Anspruch nicht zu teilen, und kritisierte zugleich den Einfluss des "links-grünen Flügels" innerhalb des Senders, der offenbar ihre Ablösung maßgeblich mitbestimmt habe.
Beim NDR stieß die Arbeit von Ruhs offenbar auf interne Kritik. Medienberichten zufolge sollen rund 250 Mitarbeiter in einem offenen Brief handwerkliche Mängel und Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht beanstandet haben. Auch im Programmausschuss Anfang Mai wurde der Sendung laut Sitzungsbericht mangelnde Ausgewogenheit und eine zu starke Emotionalisierung vorgeworfen.
"Neuer Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland"
Die Entscheidung des NDR, nicht weiter mit Ruhs zu arbeiten, stieß in der Politik auf Kritik. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte, die Entscheidung sei "ein extrem schlechtes Signal". Er setzte ein weiteres Zeichen, indem er nicht wie erwartet zur Vorstellung des neuen NDR-Intendanten Hendrik Lünenborg in Hamburg erschien, sondern stattdessen eine Lesung von Ruhs in Kiel besuchte.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich in einem Beitrag auf X: "Das ist kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz im öffentlich- rechtlichen NDR. Konservative Stimmen gehören zum demokratischen Meinungsspektrum, auch wenn das einigen Linken nicht gefällt. Zum Glück gibt es Bayern und den Bayerischen Rundfunk."
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nannte Ruhs Absetzung einen "neuen Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur".
Im Interview mit dem Sender "Welt TV" sagte Linnemann: "Dass jetzt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, ausgeschlossen werden, weil sie vielleicht dem einen oder anderen zu konservativ erscheint, ist bitter und Konsequenzen müssen meines Erachtens folgen."
Linnemann regte an, den Rundfunkbeitrag von aktuell 18,36 Euro pro Monat vorübergehend einzufrieren, um so Druck auf die Sender zu erzeugen, Reformen "endlich" umzusetzen.
Kontroverse Themen versus öffentlicher Diskurs
"Das Format hat mir auch deshalb sehr viel Spaß gemacht, weil ich Leute im Team hatte, die ein starkes Rückgrat haben. Leider haben das zu viele Hierarchen nicht. Cancel Culture wird nur dadurch möglich, weil genau diesen Chefs der Mut fehlt, sich auch mal querzustellen", schrieb die Moderatorin auf X.
Eine repräsentative Online-Studie des Formats im Auftrag des NDR ergab laut Programmdirektor des BR, Thomas Hinrichs, "hohe Akzeptanzwerte".
63 Prozent der Befragten haben dem Format die Bestnoten 1 oder 2 gegeben. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildungsgrad oder Wohnort zeigt die Auswertung ein durchweg positives Fazit: Die Sendung spricht den Wunsch nach klaren Positionen und vielfältigen Perspektiven an, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung des BR und NDR.
In der Mitteilung teilten NDR und BR außerdem mit, dass für das nächste Jahr weitere Folgen des Formats geplant sind. "Die Sendung soll auch in Zukunft Streitfragen aufgreifen, die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden", heißt es.
Frank Beckmann, Programmdirektor des NDR, äußerte sich nicht zu Ruhs, betonte aber, dass "die Vielfalt der Perspektiven in unseren Programmen abzubilden, stets unser Ziel ist". Er hob hervor, dass "Klar" dafür einen Beitrag leisten könne. Die Auswertung der drei Pilotfolgen und die zahlreichen Rückmeldungen hätten viele wertvolle Erkenntnisse gebracht, um das Format weiterzuentwickeln, so Beckmann.
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