Illegale Migration: Riesen-Zoff um Abschiebezentren

"Kontrolle, Kurs und klare Kante" - unter diesem Motto will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt illegale Migration in Deutschland und Europa eindämmen. Grundlage dafür soll das neue europäische Asylsystem (GEAS) sein. Im Bundestag wurde in einer hitzigen Debatte am Donnerstag darüber beraten. Über die konkrete Umsetzung herrscht Zoff.
Darüber wurde diskutiert
"Humanität, Solidarität und Ordnung" - das ist Dobrindts' Leitfaden. Soll heißen: Nicht alle Lasten dürfen auf den Schultern von nur einem Staat liegen, sondern sie müssen in Europa gerecht verteilt werden. Bislang sollte die Dublin-Verordnung für die gerechte Verteilung sorgen. Danach müssen Geflüchtete in dem EU-Staat Asyl beantragen, den sie zuerst betreten haben.
Doch das hat in der Praxis bislang nicht gut funktioniert - Fristen sind verstrichen, andere Mitgliedstaaten machten nicht so mit, wie sie eigentlich sollten, und die Migranten entzogen sich den Verfahren. Die Folge: Sekundärmigration und ein völlig überlastetes System.
Dobrindt: Kein Recht auf ein Wunschland des Asylverfahrens
Es gäbe ein Recht auf Asylverfahren, aber kein Recht auf ein Wunschland des Asylverfahrens in Europa, sagt Dobrindt. Sein Vorschlag: Abschiebung von straffällig gewordenen Migranten nach Afghanistan, Sekundärzentren und Rückkehrzentren (Return-Hubs) in Drittstaaten.
"Da machen wir uns ganz konkret dazu auf den Weg", sagt der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Alexander Throm, zu Euronews. Neben Rückführzentren fordert Throm die Schaffung neuer Hafttatbestände - um die Rückführungen "praktikabler" zu machen. "Es sind Menschen, die illegal nach Europa gekommen sind und hier keinen Schutzanspruch, kein Bleiberecht haben", so Throm. Diese müssten zurück in ihr Heimatland oder aber, wenn dies nicht gelinge, in einen anderen, sicheren Drittstaat, so Throm zu Euronews.
Eine "tolle Idee" - aber scheitert es wieder an der Umsetzung?
"Das ist 'ne tolle Idee. Die kommt von uns", sagt AfD-Abgeordneter Bernd Baumann über Rückführzentren zu Euronews. Doch diese Idee sei zum Scheitern verurteilt: "Wer das umsetzen will, darf nicht mit der SPD koalieren", sagt der AfD-Abgeordnete. Auch die EU helfe da wenig. Die Umsetzung könne nur mit nationaler Politik gelingen, glaubt Baumann. Die GEAS sei alles andere als effektiv, denn jeder könne über die europäischen Grenzen weiter reinkommen. Illegale Migration wäre damit nicht gestoppt, nur umverteilt, wegen der "Zwangsquoten", sagt Baumann zu Euronews.
Können die Menschenrechte gewahrt werden?
Nein, glaubt Grünen-Abgeordnete Claudia Roth: "Diese permanente Reduzierung auf Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht, die ist wirklich falsch", sagt Roth zu Euronews. Das Recht auf Asyl sei im Grundgesetz verankert. Roth verweist auch auf Deutschlands Verantwortung im Hinblick auf seine Geschichte. "Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund", so Roth. "Und darüber würde ich mir mehr Gedanken machen, als jetzt zu überlegen: 'Wie verlagere ich die Verantwortung für Menschen, für Schutzsuchende nach draußen'", sagt Roth zu Euronews.
Auch die Linken-Abgeordnete Clara Bünger sagt: "Die neue GEAS-Reform wird dafür sorgen, dass kaum noch Menschen, die in der EU, in Deutschland ankommen, hier einen Schutz bekommen werden". Bünger warnt: "In der Zukunft sollen die allermeisten Menschen in Haftlager gesteckt werden und dann in irgendwelche Drittstaaten verfrachtet werden, die aber nicht sicher sind". Die Linke-Abgeordnete ist besorgt um die Menschenrechte. Asylverfahren würden immer weiter ausgehöhlt, sagt Bünger zu Euronews.
SPD ist gespalten
Hakan Demir von der SPD hingegen sieht nicht alles schwarz. Im GEAS seien viele Punkte drin, die in die richtige Richtung gingen, sagt Demir zu Euronews. Doch auch er ist besorgt um die Menschenrechte. Insbesondere bei Bewegungsbeschränkungen in Sekundäreinrichtungen und Rückführungszentren in Drittstaaten. Grundsätzlich seien Rückführungszentren rechtlich möglich, meint der SPD-Abgeordnete. "Aber immer wenn ich frage: 'Nennen Sie mir ein Land, das das jetzt möglich macht und wo die gesetzlichen Bedingungen stimmen‘, dann kriege ich nie eine Antwort", so Demir.
In der Tat hat es in der Vergangenheit bereits gescheiterte Versuche gegeben. Doch es scheiterte nicht am Konzept, sondern an den Rahmenbedingungen. So plante Italien, Migranten in Asylzentren in Albanien unterzubringen. Dagegen gab es juristischen Widerstand. Denn es handelte sich um eine Art Haftzentren. Das erklärte ein italienisches Gericht dann auch für nicht rechtmäßig. Anders wäre es in Albanien jedoch nicht zu regeln - denn bei Bewegungsfreiheit würden die abgelehnten Asylbewerber faktisch über Serbien zurück in die EU wandern.
Auch Großbritanniens Abschiebepläne von Migranten nach Ruanda sind gescheitert. Jedoch lag es auch in diesem Fall nicht an den Rückkehrzentren. Großbritannien plante ursprünglich, die Asylverfahren direkt von den Drittstaaten durchführen zu lassen. Davon waren die Gerichte in Großbritannien nicht sehr überzeugt. Anschließend wollte die Conservative Party in der Frage nachbessern und Asylverfahren in Großbritannien durchführen. Dazu kam es aber nie, da die Labour Party das Vorhaben ganz verworfen hatte. Was dabei rausgekommen wäre, werden wir somit nie erfahren.
Erfolgreicher waren die Niederlande: Zuletzt hat die niederländische Regierung eine Absichtserklärung mit Uganda unterzeichnet. Dort soll ein Rückkehrzentrum für abgelehnte Asylbewerber entstehen. Dabei handelt es sich um eine Unterkunft - kein Gefängnis. Das Pilotprojekt soll nun in den nächsten Monaten ausgearbeitet und juristisch abgesichert werden.
Das zeigt: Am Vorhaben als solches wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht scheitern - wohl aber am Gegenwind und einer gespaltenen Regierung.
Today