Ein gespaltenes Land: die Republik Moldau mit der abtrünnigen Provinz Transnistrien
In der Republik Moldau steht die neue Regierung. Die Anfang November wiedergewählte pro-europäische Präsidentin Maia Sandu hat nur die Minister für Inneres, Landwirtschaft und Infrastruktur ausgetauscht.
Innenminister Adrian Efros hatte zuvor seinen Rücktritt angekündigt, nachdem bekannt geworden war, dass Moskau Aktivisten und Hacker eingesetzt hatte, um die Wahlen zu beiflussen.
Im Sommer sah die Regierung von Maia Sandu noch zuversichtlich aus, und alle rechneten mit einem starken Ja beim EU-Beitrittsreferendum. Doch sowohl bei den Wahlen als auch beim Referendum war der Sieg der pro-westlichen Kräfte sehr knapp.
Desillusioniert von Europa?
Um zu verstehen, was in Moldawien passiert, muss man einen genaueren Blick wagen: in dem zweitärmste Land des Kontinents sind die Kontraste schon auf den ersten Blick frappierend. Zwischen baufälligen Häusern fahren moderne, meist mit EU-Geldern gekaufte Autos. Obwohl gerade erst ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet wurde, wehen an den meisten öffentlichen Gebäuden bereits EU-Flaggen.
Diese EU-Nähe ist verständlich. Mehr als ein Drittel der 3 Millionen Einwohner Moldawiens lebt im Ausland, meist in Westeuropa.
In der Hauptstadt Chisinau wünscht sich ein junger Mann, dessen Mutter Krankenschwester in Irland ist, dass sein Land so bald wie möglich dem Integrationsprozess beitritt, denn dann könnte er sie leichter besuchen.
"Unsere Kultur ist Europa viel näher als Russland. Wir betrachten uns als Rumänen. Einst waren Rumänien und die Republik Moldau ein einziges Land. Ich bin froh, dass Maia Sandu gewonnen hat", sagte er.
Die meisten jungen Leute sehen das so, aber warum haben dann 49 % der Bevölkerung gegen die EU gestimmt? Internationale Beobachter meinen, die Antwort müsse man in Russland suchen, beziehungsweise eher in der prorussischen abtrünnigen Republik Transnistrien.
Transnistrien, eine sowjetische Enklave
Die Grenze, die Moldawien in zwei Teile teilt, wird von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt, obwohl sie seit 34 Jahren besteht.
Seit 1990 steht Transnistrien, der international nicht anerkannten Staat im Osten der Republik Moldau, unter russischem Einfluss. Die abtrünnige Region hat eine eigene Währung, eigene Nummernschilder und natürlich eine eigene Flagge. In der Hauptstadt Tiraspol scheint es, als ob die Zeit seit dem Fall der Sowjetunion stehen geblieben sei. Die Monochromie der Lenin- und Marx-Denkmäler wird nur durch eine Statue von Harry Potter durchbrochen.
Auf einem Gebiet von der Größe Budapests sorgen 2.000 russische Soldaten dafür, dass alles nach Moskauer Regeln abläuft. Hier darf der Einmarsch Russlands in die Ukraine nur als Verteidigungskrieg und militärische Sonderoperation bezeichnet werden.
Diejenigen, die sich gegen das russische Narrativ stellen, landen oft hinter Gittern. Einer von ihnen ist Viktor Plescanow, der bekannteste politische Gefangene des Landes. Im Jahr 2022 hängte der 50-jährige Ingenieur eine ukrainische Flagge auf seiner Terrasse auf und postete "Freiheit für die Ukraine" in den sozialen Netzwerk, kurz darauf wurde er verhaftet.
Im September 2022 wurde er wegen Terrorismus zu 3 Jahren und 2 Monaten Haft ohne Gerichtsverfahren verurteilt.
"Die Bedingungen im Gefängnis waren höllisch. Es war wie im 19. Jahrhundert. Das ist nicht Europa", erklärte Viktor, der irgendwann aufgab und einen Selbstmordversuch unternahm. Er zeigt auf die Stelle an seinem Arm, an der er versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
In der Zwischenzeit ging seine Frau Oxana von Botschaft zu Botschaft, um Unterstützer zu gewinnen und die Geschichte von Viktor Plescanow zu erzählen.
Unter dem Druck der OSZE und des US-Botschafters in Chisinau begnadigte der transnistrische Staatschef Vadim Krasnozelsky schließlich Plescanow.
Doch auch wenn Plescanow freigelassen wurde, sitzen weiter viele politische Gefangene in den Gefängnissen von Tiraspol. Ein Problem für die EU-Beitrittsverhandlungen der Republik Moldau und insbesondere für die erst kürzlich wiedergewählte pro-europäische Präsidentin Maia Sandu.
Denn: sollte Moldawien der EU beitreten, würde die ehemalige Sowjetrepublik die prorussischen Separatisten aus Transnistrien mitbringen.
Die meisten jungen Menschen in der moldawischen Hauptstadt Chisinau orientieren sich an Europa und dem Westen - doch das verarmte Land zwischen der Ukraine und dem EU-Land Rumänien ist stark gespalten zwischen Anhängern und Gegnern eines europäischen Weges.
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