EU-Gipfel: Ungarns Vetos gegen Ukraine-Beitritt

In Kopenhagen sind die beiden Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs zu Ende gegangen. Zunächst trafen sich die EU-Spitzen informell, danach tagte der Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft. Geprägt waren die Treffen von Blockaden durch Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
Unter anderem verhinderte er eine kollektive Unterstützung der Ukraine. In Zeiten verstärkter russischer Angriffe und reduzierter US-amerikanischer Unterstützung stellt Orbán damit die europäische Einheit infrage.
Trotz Bitten anderer Staats- und Regierungschefs weigerte sich Orbán, sein Veto gegen den Antrag der Ukraine auf Beitritt zur Europäischen Union zurückzuziehen. Damit verhinderte er auch, dass die Verhandlungen zum Beitritt der Republik Moldau voranschreiten. EU-Erweiterungen müssen alle 27 EU-Staaten einstimmig beschließen.
António Costa, Präsident des Europäischen Rates, versuchte deswegen zuletzt die Abstimmungsverfahren zu ändern. Er fordert zur qualifizierten Mehrheit übergehen, doch das schmetterte der ungarische Regierungschef prompt ab.
Mit "dieser Plan ist tot" quittierte er den Versuch.
Orbán lehnte auch eine Kredit-Initiative ab. Geplant war, der Ukraine ein Darlehen in Höhe von 140 Milliarden Euro zu gewähren. Finanziert werden sollte es aus stillgelegten Vermögenswerten der russischen Zentralbank. Die Risiken sollten, so forderte es der belgische Premierminister Bart De Wever, auf alle EU-Länder aufgeteilt werden.
Der Großteil der russischen Vermögenswerte wird von Euroclear verwaltet, einem belgischen Wertpapierverwahrer. Euroclear ist somit das Hauptziel möglicher Vergeltungsmaßnahmen des Kremls.
Orbán kritisierte, dass sich sämtliche Vorschläge, die in Kopenhagen diskutiert wurden, aus seiner Sicht um den Krieg in der Ukraine drehen. "Mehr Geld für die Ukrainer, um den Krieg fortzuführen, mehr Waffen, militärische Strategien, wie man glaubt, Russland besiegen zu können", zählte er auf.
"Ich will ein Höchstmaß an Rechtssicherheit. Ich will Solidarität", forderte De Wever am Donnerstagmorgen. "Ich denke nicht, dass dies eine unvernünftige Position ist".
Eine Forderung, die für Orbán undenkbar scheint.
"Belgien braucht die Vergemeinschaftung der Verantwortung. Das geht nicht. Wir sind nicht Teil dieses Deals", betont er und bezeichnete De Wevers Argumente als "sehr lehrreich".
"Wenn die Europäische Union beschließt, fremdes Geld anzufassen und wegzunehmen, werden wir nicht Teil davon sein, also haben wir in Zukunft keine Verantwortung".
Die fehlende Einstimmigkeit droht das ohnehin schon heikle Vorhaben weiter zu verkomplizieren. Ohne die Unterstützung aller 27 Mitgliedstaaten könnte die Europäische Kommission nicht auf den EU-Haushalt als ultimativen Garanten zurückgreifen.
Auch bei der Verlängerung von Sanktionen macht die notwendige Einstimmigkeit der Kommission einen Strich durch die Rechnung. Weswegen sie nun versucht, auch hier das Abstimmungsverfahren zu ändern. So könnten Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten vorhersehbarer werden.
Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen machte ihrer Frustration über Orbáns Obstruktionspolitik auf der Abschlusspressekonferenz in Kopenhagen Luft.
"Ich denke, wir müssen uns an die Strategie halten, und die Erweiterung der Europäischen Union ist ein Teil unserer Strategie. Und es ist eine Frage für die gesamte Europäische Union und eigentlich für den gesamten europäischen Kontinent. Und wir müssen ein möglichst starkes Europa aufbauen, was in meiner Welt bedeutet, die Europäische Union zu erweitern", sagte Frederiksen.
"Ich werde nicht zulassen, dass ein einziges Land, und schon gar nicht Herr Orbán, Entscheidungen über die gesamte europäische Zukunft trifft", fügte sie hinzu.
Frederiksen schlug vor, Kyjiw könne daran arbeiten, die Beitrittsvoraussetzungen zu erfüllen, während es auf die Aufhebung des Vetos und die Eröffnung der ersten Beitrittsgespräche warte. Anfang dieser Woche gab die Europäische Kommission bekannt, dass die Ukraine die Prüfung ihrer Rechtsvorschriften für alle sechs Bereiche "in Rekordgeschwindigkeit" abgeschlossen habe.
Selenskyj: Orbán blockiert "wegen Wahlen"
"Wenn es uns nicht gelingt, Viktor Orbán zu überzeugen, dann denke ich einfach, dass wir mit der ganzen Arbeit, die zwischen der Ukraine und der Europäischen Kommission geleistet werden muss, weitermachen müssen", sagte Frederiksen.
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisiert Orbáns Vorgehen als Wahlkampfgetöse.
Seit mittlerweile 15 Jahren ist der ungarische Staatschef an der Macht. Mit dem in Meinungsumfragen deutlich führenden Oppositionsführer Péter Magyar steht er kommendes Jahr vor einer großen Herausforderung. Denn im April 2026 wählen die Ungarn ein neues Parlament und damit einen neuen Premierminister.
"Ja, wir haben Probleme mit Ungarn. Wir können offen darüber sprechen, weil Viktor Orbán Wahlen hat. Und ich denke, es ist nicht klug wegen seiner Wahlen ein großes 40-Millionen-Volk auf dem Weg in die EU zu blockieren", argumentierte Selenskyj.
"Übrigens hat Russland diesen Krieg wegen unseres Willens und unserer Entscheidung begonnen, unserer Entscheidung, direkt nach Europa zu gehen. Denn wir fühlen dasselbe und teilen dieselben Werte mit allen anderen europäischen Ländern", fügte er hinzu und bezog sich dabei auf die Maidan-Revolution von 2014.
Während der Beitrittsstau anhält und die Arbeit an dem 140 Milliarden Euro-Darlehen beginnt, bereitet Brüssel das 19. Sanktionspaket gegen Russland vor. Doch das droht Bratislava mit einem Veto zu blockieren.
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