...

Logo Pasino du Havre - Casino-Hôtel - Spa
in partnership with
Logo Nextory

Der "Ernstfall" ist schon lange da – Pistorius' "noch" freiwilliger Wehrdienst unter Druck

• Oct 9, 2025, 7:22 AM
6 min de lecture
1

Es sei "eine Illusion", zu denken, mit Freiwilligkeit das Problem des mangelnden Bundeswehr-Nachwuchses lösen zu können, erklärt Sicherheitsexperte Nico Lange im Gespräch mit Euronews. Bis 2022 arbeitete er selbst für das Verteidigungsministerium, Lange kennt sich wie kaum ein anderer in deutschen Sicherheitsfragen aus. Angesichts des russischen Angriffskriegs, der Unsicherheit über die US-Rolle in der Nato und russischer Drohnen-Provokationen in Europa, sei der "Ernstfall schon lange da".

Bisher sieht der Gesetzentwurf von Pistorius vor, zunächst einen freiwilligen Wehrdienst einzuführen. Melden sich zu wenig Freiwillige oder tritt eine "verteidigungspolitische Lage" ein, könnte die Wehrpflicht wieder aktiviert werden.

Doch weil Union und SPD sich nicht einigen können, hängt der neue Wehrdienst am seidenen Faden. Sicherheitsexperte Lange vermutet, dass die Möglichkeit im Falle einer "verteidigungspolitischen Lage" die Wehrpflicht wieder einzuführen, nur im Entwurf steht, „weil Verteidigungsminister Pistorius selbst nicht an sein Gesetz glaubt“. Und: Weil seine eigene Partei ihn die Wehrpflicht nicht reaktivieren lasse.

Union fordert klare Zielvorgaben

Auch die Union zweifelt an der Wirksamkeit des freiwilligen Modells von Pistorius, will nachschärfen. Die Bundeswehr müsse „sofort und zügig ausgebaut werden“, fordert der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion Thomas Erndl gegenüber Euronews. Damit sich die aktuelle Lage nicht weiter zuspitze, brauche es Abschreckung. Zwar könnten mit der Reaktivierung der Wehrpflicht nur Männer eingezogen werden, aber „man muss eben jetzt das machen, was möglich ist".

Dass die Freiwilligkeit ausreicht, um den Bedarf an Soldaten zu decken, bezweifelte zuletzt auch Bundeskanzler Friedrich Merz in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Die Union fordert deswegen klare jährliche Zielmarken. Nur so sei ersichtlich, ob genug rekrutiert werde. Bisher fehlen sie im Entwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Der schlägt einen zunächst freiwilligen Wehrdienst vor, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Nur wenn zu wenig Soldaten zusammenkommen oder eine verteidigungspolitische Lage eintritt, könnte die Regierung mit Zustimmung des Bundestages die Wehrpflicht reaktivieren. Eine Definition, wann eine solche Lage vorliegt, fehlt.

Hochgesteckte Ziele

Die Pläne der Bundeswehr sind ambitioniert: Bis 2035 will die Bundeswehr auf 260.000 aktive Soldaten mit mindestens sechs Monaten Dienstzeit sowie 200.000 Reservisten aufstocken. Aktuell zählt die Truppe etwa 182.000 aktive Soldaten, rund 100.000 stehen als Reservisten bereit.  

Geplant ist, künftig allen jungen Männern und Frauen einen Fragebogen zuzusenden – für Männer verpflichtend auszufüllen. Wer als geeignet eingestuft wird, muss zur Musterung oder, wie sie nun heißt: „Assessment Center“. Mit einem monatlichen Sold von rund 2.000 Euro netto, gratis Unterkunft und Verpflegung sowie einem Führerscheinzuschuss soll der Dienst an der Waffe attraktiver werden.

Dass ihm jetzt die CDU einen Strich durch die Rechnung macht, kritisiert Pistorius gegenüber dem Handelsblatt als „fahrlässig, weil es möglicherweise die Einführung des neuen Wehrdienstes und damit auch die Wiedereinführung der Wehrerfassung verzögert“.

Bundeswehr vor Kapazitätsgrenze

Mit zusätzlichen Soldaten stünde allerdings schon das nächste Problem vor der Tür: Nach dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 reduzierte die Bundeswehr ihre Ausbildungskapazitäten massiv. Aktuell können jährlich nur noch bis zu 20.000 Soldaten ausgebildet werden. Mehr sei zurzeit nicht möglich, betont Pistorius. Es fehlt an fast allem: Infrastruktur, Ausbildern, Kasernen.

Ab 2027 sollen deshalb 270 neue Kasernen entstehen, wie Pistorius auf der Dritten Fachkonferenz Infrastruktur ankündigte. Bis 2031 soll so Platz entstehen für bis zu 40.000 Soldaten. Klappe der Bau nicht schnell genug, müsse man „notfalls übergangsweise Containergebäude schaffen“, argumentiert der verteidigungspolitische Sprecher Erndl (CSU), damit habe Deutschland schon Erfahrung. „Wenn man will, hat man die Kapazitäten“, betont auch Sicherheitsexperte Lange. „Das Argument ist nur vorgeschoben. Die jahrelange Diskussion ist extrem unbefriedigend.“

Großprojekt Bundeswehr

Mehr als 86 Milliarden Euro nimmt die Bundesregierung allein dieses Jahr für das Großprojekt Bundeswehr in die Hand, finanziert aus dem Verteidigungshaushalt sowie aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Wegen der wachsenden Bedrohungslage hat der Bundestag schon Anfang des Jahres den Verteidigungsetat von der Schuldenbremse ausgenommen.

Am Ende der Reise könnte „Europas stärkste Armee“ stehen, so verkündete es Bundeskanzler Friedrich Merz Mitte Mai bei seiner ersten Regierungserklärung. 

Die SPD hält trotz Kritik an der Freiwilligkeit fest: „Wir haben uns in der Koalition auf einen ganz klaren Weg verständigt: Das ist der freiwillige Wehrdienst“, erklärte Generalsekretär Tim Klüssendorf Anfang der Woche in Berlin.

Eigentlich sollte der Wehrdienst diese Woche mit einer ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag auf den Weg gebracht werden. Doch weil Union und SPD sich uneinig sind, wurde der Termin auf kommende Woche vertagt. Eine Entscheidung über das Gesetz wird erst im Dezember erwartet. Für viele junge Menschen bleibt vorerst die Unsicherheit: Bleibt der Dienst tatsächlich freiwillig – oder droht eine Rückkehr zur Pflicht?


Today

Von der Leyens Kommission übersteht Misstrauensanträge von der rechten und der linken Fraktion
• 10:51 AM
4 min
Die beiden Misstrauensanträge, über die am Donnerstag abgestimmt werden soll, haben einen gemeinsamen Hauptkritikpunkt: die einseitigen Bedingungen des Handelsabkommens zwischen der EU und den USA.<div class="small-12 column text-center article__button"><
Read the article
Orbáns Geheimdienst unterhielt offenbar ein Spionagenetz in Brüssel
• 10:33 AM
6 min
Eine gemeinsame Untersuchung der ungarischen Zeitung Direkt36, des deutschen Spiegels, des österreichischen Standards und der belgischen Zeitung De Tijd enthüllt zum ersten Mal, wie Orbáns Regierung die EU-Institutionen auszuspionierte.<div class="small-1
Read the article
Der "Ernstfall" ist schon lange da – Pistorius' "noch" freiwilliger Wehrdienst unter Druck
• 7:22 AM
6 min
Sicherheitsexperten werfen dem SPD- Verteidigungsminister vor, nicht an sein eigenes Gesetz zur Wehrpflicht zu glauben. Und auch die Union blockiert das Vorhaben. Das wirft Fragen auf – mitten in einer angespannten Sicherheitslage.<div class="small-12 col
Read the article
Türkei: 19 Prominente zu einer Drogenuntersuchung vorgeladen
• 5:46 AM
1 min
Die türkischen Behörden haben eine Untersuchung über den mutmaßlichen Drogenkonsum von 19 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeleitet. Darunter Sänger, Schauspieler und Influencer. Die Ermittlungen fallen in eine Phase verstärkten Drucks auf Küns
Read the article