Bürgergeld-Aus: Was auf ukrainische Flüchtlinge zukommt

Rund 700.000 ukrainische Flüchtlinge in Deutschland sitzen auf heißen Kohlen. Noch beziehen sie Bürgergeld, doch das wird sich bald ändern. Denn die Bundesregierung hat sich auf eine neue Grundsicherung geeinigt, das haben die Koalitionspartner nach ihrem Koalitionsausschuss bekannt gegeben. Für ukrainische Bürgergeldempfänger könnte das harte Konsequenzen haben.
Kurz nach Beginn des großangelegten russischen Angriffskriegs entschieden EU und Bundesregierung: Ukrainer müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Ohne Wartezeiten dürfen sie in Deutschland Arbeit aufnehmen.
Großteil der Ukrainer bekommt Bürgergeld
Doch das klappt nicht so ganz: Denn 52,2 Prozent der etwa 1,3 Millionen in Deutschland lebenden ukrainischen Flüchtlinge beziehen Bürgergeld – und das, obwohl davon mehr als zwei Drittel theoretisch arbeiten könnten, wie aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Stattdessen profitieren sie von einem Privileg, das keiner anderen Flüchtlingsgruppe in Deutschland zukommt: Sie haben einen Anspruch auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld.
Im Koalitionsvertrag einigten sich SPD und Union darauf, dass ukrainische Flüchtlinge nur noch die niedrigeren Asylbewerberleistungen bekommen sollen, die Flüchtlinge normalerweise erhalten. Die Regelung soll für Ukrainer gelten, die ab April 2025 nach Deutschland kommen. Für einen alleinstehenden Erwachsenen sind das etwa 110 Euro weniger als Bürgergeld. Weiterhin sollen Ukrainer sofort arbeiten dürfen.
Union fordert weniger Leistungen
In anderen EU-Ländern liegt die Quote der arbeitenden ukrainischen Flüchtlinge deutlich höher als in Deutschland. So gehen in Polen 65 Prozent der aus der Ukraine Geflüchteten einer Arbeit nach. In Tschechien sind rund 70 Prozent der Ukrainer erwerbstätig. In beiden Ländern sind die Sozialleistungen für ukrainische Flüchtlinge deutlich niedriger als in Deutschland.
Deswegen fordern Unionspolitiker ein Umdenken. „Wir müssen mehr Anreize setzen, um Menschen aus dem Bürgergeld in Arbeit zu bringen“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber gegenüber dem Handelsblatt. Das gelte auch für ukrainische Flüchtlinge.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) kritisierte bei ntv, die Bundesregierung würde für ukrainische Flüchtlinge „Leistungen ausbringen, wie es kein anderes Land der Erde tut“. Tatsächlich beziehen in der EU Ukrainer nur in Belgien mehr Sozialleistungen als in Deutschland, wie eine Recherche des Südkuriers zeigt.
Ende des Jobturbos
Den Weg in den Arbeitsmarkt erschweren könnte künftig das "Jobturbo"-Aus. Mit der Initiative der Ampel-Regierung sollten Flüchtlinge schneller in Arbeit kommen. Dafür wurden sie deutlich häufiger in die Jobcenter einbestellt, etwa alle sechs Wochen. Ziel war es, Flüchtlinge zunächst möglichst schnell in Arbeit zu bringen und sie parallel weitere Qualifikationen erwerben zu lassen. Abschlüsse konnten sie nebenbei versuchen anerkennen zu lassen. Ein auf den ersten Blick erfolgreiches Projekt. Von Oktober 2023 bis August 2025 stieg bei Ukrainern die Arbeitsaufnahme um 113 Prozent, wie der Spiegel berichtet.
Mit dem Wechsel in das Asylbewerberleistungssystem würden betroffene ukrainische Flüchtlinge nicht mehr durch das Jobcenter betreut werden. Verpflichtende Arbeitsmarktmaßnahmen wären nicht mehr möglich. Gleichzeitig zweifeln Kritiker die Effektivität des Jobturbos an. Denn es sei nicht bezifferbar, "wie groß der Anteil jener ist, die auch ohne zusätzlichen Schub in Arbeit gekommen wären", wie der Wirtschafts- und Sozialforscher Andreas Herteux im Focus kommentiert.
Kaum Einsparungen
Es scheint eine einfache Rechnung: Niedrigere Leistungen wie Asylbewerberleistungen für Ukrainer heißt, der Staat gibt weniger Geld aus. Doch ein Referentenentwurf von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) zeigt, dass diese Gleichung nicht ganz aufgeht.
Wie die dpa berichtet, würden Bund, Länder und Kommunen 1,32 Milliarden Euro einsparen. Doch die zusätzlichen Kosten durch das Asylbewerberleistungsgesetz würden sogar bei 1,375 Milliarden Euro liegen. Bisher hat der Bund den Ländern und Kommunen zugesichert, entsprechende Belastungen zu entschädigen. Hinzu kommt der erhebliche bürokratische Aufwand einer Umstellung.
Mit der Umstellung von Bürgergeld auf Asylbewerberleistungen will die Union ein zentrales Wahlversprechen einlösen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Koalition allerdings noch nicht vorgelegt. Wie genau der Stand der Dinge im Bundesamt für Soziales und Arbeit ist, will ein Sprecher auf Nachfrage von Euronews nicht verraten. Auch wann mit Klarheit zu rechnen ist, wie es für ukrainische Flüchtlinge in Deutschland weitergeht, könne er nicht sagen.
Für viele ukrainische Flüchtlinge geht somit das bange Warten auf klare Worte der Bundesregierung weiter.
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