"Verfassungswidrig": SPD stellt sich gegen Dobrindts Abschiebepläne

Wie Euronews bereits am Freitag berichtete, gibt es innerhalb der Bundesregierung Streit um Innenminister Dobrindts Pläne zur Abschiebehaft für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder.
Das Thema lag im Bundestag auf dem Tisch, nachdem die Innenminister mehrerer europäischer Staaten beim Migrationsgipfel in München in der vergangenen Woche über eine Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beraten hatten.
Die EU-Kommission hatte einen Vorschlag für eine neue Rückführungsverordnung vorgelegt, mit dem Abschiebungen beschleunigt werden sollen. Vorgesehen ist dabei unter anderem eine maximale Abschiebehaftdauer von 24 Monaten – in besonders schweren Fällen sogar ohne zeitliche Begrenzung. Dobrindt setzt sich dafür ein, diese Regelungen auch in Deutschland umzusetzen.
Nach dem Treffen erklärte Dobrindt, es sei vorgesehen, eine unbefristete Abschiebehaft für abgelehnte Asylbewerber zu ermöglichen. Zudem solle es bei Straffälligkeit dauerhaft geltende Einreiseverbote geben. Neben neuen Rückführzentren fordert sollen auch neue Haftgründe eingeführt werden, um Abschiebungen "praktikabler" zu gestalten.
SPD: Pläne sind "verfassungswidrig"
Mehrere von der SPD regierte Bundesländer stellen sich nun offiziell gegen Dobrindts Vorstoß, die Abschiebehaft für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder zeitlich unbegrenzt zu ermöglichen.
"Eine unbefristete Freiheitsentziehung ohne konkrete Aussicht auf Abschiebung wäre zweifellos verfassungswidrig", betonte Hamburgs Innensenator Andy Grote, Sprecher der SPD-geführten Innenministerien, in einem Gespräch mit der Welt am Sonntag.
Auch aus Niedersachsen kommt Kritik: Ein Sprecher von Innenministerin Daniela Behrens (SPD) warnte, die rechtlichen Hürden für eine unbefristete Inhaftierung seien "außerordentlich hoch".
SPD-Innensenator Grote setzt stattdessen auf andere Maßnahmen: Statt unbefristeter Abschiebehaft, spricht er sich für vereinfachte Dublin-Überstellungen aus – also für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber in jenes EU-Land, in dem sie zuerst registriert wurden.
Auch der Asylrechtsexperte Philipp Wittmann vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg äußerte gegenüber der Welt am Sonntag Zweifel: Er könne nicht nachvollziehen, "wie eine unbefristete Abschiebehaft rechtlich begründet werden soll". Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl hält Dobrindts Vorstoß grundsätzlich für "in einem Rechtsstaat nicht umsetzbar".
AfD: Idee stammt von uns, aber mit der SPD nicht machbar
Grundlage der Diskussion sind Menschen, die illegal nach Europa eingereist sind und hier weder Schutzanspruch noch Bleiberecht haben.
Nach dem Vorschlag der CDU/CSU sollen straffällig gewordene Migranten künftig auch nach Afghanistan abgeschoben werden können, sowie sogenannte Sekundärzentren und Rückkehrzentren ("Return-Hubs") in Drittstaaten eingerichtet werden.
Interessant: Die AfD betont, dass die Idee der Rückführzentren ursprünglich ihr stammt. Die Umsetzung jedoch sei zum Scheitern verurteilt - sofern eine Zusammenarbeit mit der SPD angestrebt werde.
Der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann meinte in einer Stellungnahme gegenüber Euronews, eine wirksame Umsetzung könne nur auf nationaler Ebene erfolgen, da von der EU in dieser Frage wenig Unterstützung zu erwarten sei. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) sei ineffektiv, weil es weiterhin ermögliche, über die EU-Außengrenzen einzureisen. Illegale Migration werde damit nicht verhindert, sondern lediglich durch sogenannte Zwangsquoten innerhalb Europas umverteilt.
Nach Informationen der Bild-Zeitung plant Alexander Dobrindt, künftig nicht nur Gefährder und Straftäter, sondern auch abgelehnte Asylbewerber aus Syrien – insbesondere junge Männer – in ihre Heimat abzuschieben.
Arbeitsfähige junge Männer zurück nach Syrien
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll demnach wieder verstärkt Asylanträge von Syrern prüfen, vorrangig die von jungen, arbeitsfähigen Männern, wie das Innenministerium gegenüber der Bild erklärte. Zudem will Dobrindt Syrern, die nach ihrer Flucht für Besuche in ihr Heimatland reisen, den Asylstatus aberkennen.
Übrigens: Im Juni vergangenen Jahres hatte Ampel-Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Debatte angestoßen, Schwerkriminelle künftig auch in Diktaturen zurückzuschicken. Die SPD reagierte damals schon gespalten: Neben Gegenstimmen gab es auch Stimmen dafür, die sagten, dass das Sicherheitsinteresse der Menschen in Deutschland überwiegen sollte. Unterstützung kam auch von der FDP, eindeutig gegen den Vorschlag hatten sich damals nur die Grünen ausgesprochen.
Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) führt nun, gegen die Bedenken aus der SPD und den Aufschrei der Vereinten Nationen vom Juli dieses Jahres, "es sei nicht angemessen, Menschen nach Afghanistan zurückzuschicken", direkte Gespräche mit dem Regime der Taliban in Afghanistan.
Vergangenes Wochenende haben nach Informationen des Spiegel zwei Beamte aus dem Bundesinnenministerium Vertreter der Taliban in Kabul getroffen; Gesprächsthema waren mögliche Abschiebungen von Afghanen in ihr Heimatland.
Für neue Aufregung sorgt indes die Sorge, dass die Legitimierung der radikal-islamischen Taliban einen Schritt zu weit gehen könnte: Nach Informationen der ARD planen die Taliban nun, ihre Flagge über der afghanischen Botschaft in Berlin zu hissen.
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