Sofia Corradi, "Mamma Erasmus", mit 91 Jahren in Rom verstorben

Sofia Corradi, emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Roma Tre und bekannt als "Mamma Erasmus", ist im Alter von 91 Jahren in Rom verstorben.
Corradi war die Initiatorin des Programms, das bis heute jedes Jahr Tausende junge Menschen zu Studienaufenthalten quer durch Europa führt.
Die Familie der Professorin bestätigte die Nachricht und erinnerte an eine Frau "von großer Energie und intellektueller sowie emotionaler Großzügigkeit“.
Wie das Erasmus-Programm entstand
Nach ihrem Jurastudium an der Universität La Sapienza in Rom erlangte sie 1957 dank eines Fulbright-Stipendiums den Master in Comparative Law an der Columbia University in den USA. Zurück in Italien erlebte sie jedoch eine bittere Enttäuschung: Ihr im Ausland erworbener Abschluss wurde nicht anerkannt, und die Universität verlangte, dass sie ihr Studium erneut abschließe. In einem Interview mit der Raiberichtete Corradi später, sie sei vom Verwaltungspersonal verspottet worden. Es sei behauptet worden, sie sei in die USA gegangen, um Spaß zu haben, nicht um zu studieren.
Diese Erfahrung prägte sie nachhaltig. 1969, als wissenschaftliche Beraterin des Verbands der Rektoren italienischer Universitäten, verfasste sie ein Memorandum, das erstmals die Idee enthielt, Studierenden Auslandssemester zu ermöglichen – ein früher Vorläufer des Erasmus-Programms.
Corradi schlug vor, dass Studierende einen Teil ihres Studiums an ausländischen Universitäten absolvieren könnten, wenn der Fakultätsrat das genehmigt.
Der Vorschlag fand Anklang: Bildungsminister Mario Ferrari Aggradi griff ihn auf und nutzte ihn als Grundlage für eine Universitätsreform. Doch weil die Legislaturperiode vorzeitig endete, wurde der Plan nie umgesetzt.
Etwa zehn Jahre später, 1976, erkannte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Corradis Konzept in einer Resolution an, die den Austausch von Studierenden zwischen europäischen Universitäten förderte. Daraus entstand das Programm "Joint Study Programs", das zehn Jahre lang den Weg für Corradis Idee bereitete.
1987 wurde schließlich das erste Erasmus-Programm offiziell ins Leben gerufen – auf Initiative der Studentenvereinigung Egee, gegründet vom französischen Politiker Franck Bianchieri und unterstützt von Präsident François Mitterrand. Unter der Leitung von Domenico Lenarduzzi, Direktor der Generaldirektion „Kultur und Bildung“ der Europäischen Kommission, nahm Erasmus in Brüssel seinen Anfang.
In einem Interview erinnerte sich Corradi später gerührt an die vielen Briefe, die sie von ehemaligen Teilnehmerin erhielt: „Alle schrieben denselben Satz: 'Das Erasmus-Programm hat mein Leben verändert'“, sagte sie bewegt.
Das heutige Erasmus+-Programm
Das Programm, benannt nach Erasmus von Rotterdam, einem großen europäischen Humanisten, der selbst auf Reisen durch Europa Wissen und Kultur austauschte, heißt heute Erasmus+. Es vereint sämtliche EU-Programme für transnationale Zusammenarbeit und Mobilität in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Jugend und Sport.
Jährlich profitieren über eine Million Menschen von Erasmus+. Seit Bestehen wurden mehr als 30.000 Projekte umgesetzt. Für den Zeitraum 2021-2027 stellt die Europäische Union rund 26 Milliarden Euro bereit.
Reaktionen auf den Tod von Corradi
Italiens Bildungsministerin Anna Maria Bernini würdigte Corradi mit den Worten: „Der Tod von Sofia Corradi ist eine sehr traurige Nachricht. Mamma Erasmus hat uns verlassen, aber ihre Vision wird in jedem Studierenden weiterleben, der aufbricht und eine außergewöhnliche Erfahrung mit sich bringt. Jeder Koffer, jeder Rucksack wird ein Stück ihrer Idee mit sich tragen: Den anderen kennenzulernen ist der beste Weg, Europa zu bauen.“
Auch der französische Präsident Emmanuel Macron gedachte ihr: „Sofia Corradi hat uns verlassen. Sie träumte von einer europäischen Jugend, die sich trifft und durch ihre Unterschiede bereichert. Millionen Studierende verdanken ihr einen Teil ihres Lebens und eine neue Perspektive. Ein Hoch auf die Mamma Erasmus, deren Traum weiterhin unser Europa prägt.“
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