"Schockierende" demokratische Rückschritte in ganz Europa – Ex-Justizkommissarin Jourová
Die gelernte Juristin Jourová war von 2019 bis November 2024 EU-Kommissarin für Werte und Transparenz.
In dieser Zeit habe sich die Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedstaaten verschlechtert, sagte sie kurz vor dem Ende ihres Mandats.
Die EU hat Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere Länder eingeleitet, die die Pressefreiheit sowie die Rechte der LGBT-Gemeinschaft einschränken. Die Kommission weist darauf hin, dass diese Länder gegen die Werte der EU und gegen Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verstoßen.
Artikel 2 bezieht sich auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder im Hinblick auf die "Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören."
"Was mich schockiert, ist, wie ansteckend diese Gesetze sind", so die ehemalige Kommissarin gegenüber Euronews' Europe Conversation.
Im Jahr 2021 führte die ungarische Regierung ein sogenanntes "Kinderschutzgesetz" ein, das nach eigenen Angaben Kinder vor Pädophilie und anderen Bedrohungen schützen soll.
Die EU brachte Ungarn 2022 wegen des Gesetzes vor den Europäischen Gerichtshof. Und im November dieses Jahres schlossen sich fünfzehn EU-Länder der Klage der Europäischen Kommission gegen Ungarn wegen dieses Gesetzes an.
Jourová sagte, es sei wichtig, auf die Länder zuzugehen, die ähnliche Gesetze einführen wollen und damit die Menschenrechte in der EU bedrohen.
Inzwischen ziehen Bulgarien und möglicherweise auch die Slowakei nach und verbieten oder beschränken die "LGBT-Propaganda" in Schulen.
Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Einschränkung von LGBT-Rechten in Italien und Rumänien. Und auch die Medienfreiheit in Italien ist gefährdet.
Jourová sagte, sie habe sich mit den Mitgliedstaaten in Verbindung gesetzt, die mit der Einführung von, wie sie es nannte, illiberalen Gesetzen drohten, wie etwa das Souveränitätsgesetz in Ungarn, das es der Regierung erlaubt, gegen Gruppen wie Transparency International – die Anti-Korruptions-NGO – vorzugehen. Auch die Slowakei verabschiedete Gesetze, die die Rechte und die Unabhängigkeit von Journalisten einschränken.
"Wann immer es erste Anzeichen dafür gibt, dass sich andere Mitgliedstaaten von den ungarischen Gesetzen inspirieren lassen, trete ich mit ihnen in einen sehr frühen Dialog und bitte sie, das zu unterlassen oder die Gesetzesentwürfe so zu ändern, dass sie mit dem EU-Recht konform sind", erzählte sie.
Laut dem International Press Institute haben sich die Bedingungen für Medienfreiheit in der Slowakei jedoch verschlechtert und die Situation wird "zunehmend feindseliger".
"Die öffentlich-rechtlichen Medien sind in demokratischen Systemen so wichtig. Besonders im Zeitalter der Desinformation sollten die öffentlich-rechtlichen Medien die Medien sein, in denen die Menschen vertrauenswürdige, faktengeprüfte Informationen und evidenzbasierte Wahrheiten finden können", gab Jourová zu bedenken.
Aber "wenn diese evidenzbasierte Wahrheit für die Politiker unbequem wird, kürzen sie entweder das Budget oder berufen Personen in die Geschäftsführung und den Vorstand, die bereit sind, auf politische Anweisungen zu hören", sagte sie über das instabile Medienumfeld in Teilen Europas.
Die gebürtige Tschechin, die nach zehn Jahren als EU-Kommissarin nun in ihr Heimatland zurückgekehrt ist, ist der Ansicht, dass das EU-Gesetz zur Medienfreiheit, das im August 2025 implementiert werden soll, für den Schutz der Demokratie von entscheidender Bedeutung sein wird.
Gemäß der Europäischen Kommission sieht das Medienfreiheitsgesetz den Schutz der "redaktionellen Unabhängigkeit und der journalistischen Quellen, auch gegen den Einsatz von Spyware" vor. Außerdem zielt es darauf ab, "den unabhängigen Betrieb öffentlich-rechtlicher Medien" sicherzustellen.
"Wir haben diese Probleme im Medienfreiheitsgesetz adressiert, weil wir wirklich glauben, dass die öffentlich-rechtlichen Medien stärkeren Schutz verdienen", erklärte Jourová.
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