Verteidigungsausgaben: Polen schlägt europäische Aufrüstungsbank vor

Die Europäische Union sollte die Idee der Einrichtung einer "Aufrüstungsbank" prüfen, um das Geld zu beschaffen, das sie benötigt, um ihre Verteidigungskapazitäten aufzustocken und russische Aggressionen abzuwehren, so Polens Außenminister.
Polen hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne und hat das Thema Sicherheit ganz oben auf seine Agenda gesetzt.
Es wird geschätzt, dass die EU in den kommenden zehn Jahren zusätzlich 500 Milliarden Euro investieren muss, um die Rüstungsproduktion zu erhöhen und ihren Bedarf zu decken, der sich nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine dramatisch verändert hat.
"Das ist die Sache mit der Verteidigung. Man baut seine Verteidigungskapazitäten gegen etwas auf, von dem man nicht möchte, dass es eintritt. Es ist, als wäre man auf eine Pandemie vorbereitet. Es ist eine Versicherungspolice", sagte Radosław Sikorski.
"Der Test, ob wir es ernst meinen, ist eigentlich ganz einfach: Folgen Sie dem Geld. Denn Verteidigung ist wirklich teuer, wie Sie wissen. Und wenn man kein richtiges Geld ausgibt, wird es nicht passieren", fuhr er fort. "Dann muss man sich eine ganz einfache Frage stellen: Woher kommt das Geld?"
Laut Sikorski sollten folgende Optionen auf dem Tisch liegen: die Erhöhung der Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt, die Umwidmung vorhandener EU-Mittel, die Umschichtung nicht ausgegebener EU-Mittel und die Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen. Diese Option, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, wird aber von Deutschland und den Niederlanden noch abgelehnt.
"Es gibt eine neue Idee, die mir gefällt: eine Wiederaufrüstungsbank", fügte der Minister hinzu.
Auf die Frage nach der Ausgestaltung der Idee sagte Sikorski, die Bank könnte sich an der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) orientieren, die nach dem Ende des Kalten Krieges gegründet wurde, um die Entwicklung der ehemals kommunistischen Länder zu fördern.
Die EBRD ist eine internationale Entwicklungsbank mit Sitz in London. Im vergangenen Jahr investierte die EBRD 16,6 Milliarden Euro und mobilisierte 26,7 Milliarden Euro in der ganzen Welt.
Weder die EBRD noch die Europäische Investitionsbank (EIB) dürfen Projekte finanzieren, die ausschließlich militärischen Zwecken dienen, was zu Forderungen nach einer Reform geführt hat.
"Jetzt, da wir beschlossen haben, dass wir aufrüsten müssen, und ich hoffe, dass darüber ein Konsens besteht, müssen wir eine ähnliche Institution schaffen, um diese Lücke zu schließen. Und dieses Argument überzeugt mich", sagte Sikorski vor Reportern.
"Der zusätzliche Vorteil wäre, dass sie nicht nur für EU-Mitgliedstaaten, sondern auch für andere gleichgesinnte Länder wie Norwegen, das Vereinigte Königreich und Japan geöffnet werden könnte", fügte er hinzu.
Die Beteiligung an der Bank wäre "freiwillig", stellte der Minister klar, da einige EU-Mitgliedstaaten (Irland, Malta und Österreich) neutral seien.
Neben der Prüfung der Möglichkeit einer Wiederaufrüstungsbank forderte Sikorski Brüssel auf, auf die vollständige Beschlagnahmung der eingefrorenen Guthaben der russischen Zentralbank hinzuwirken. Sie wurden zu Beginn des Ukraine-Krieges eingefroren. Hierbei geht es um 210 Milliarden Euro belaufen.
Der Großteil davon befindet sich bei Euroclear, einem Zentralverwahrer (CSD - Central Securities Depository) in Belgien.
Bislang hat die Europäische Kommission lediglich Pläne vorgestellt, um die außerordentlichen Einnahmen aus diesen Vermögenswerten für ein Darlehen an die Ukraine zu nutzen. Die Option der Enteignung wurde nicht ins Spiel gebracht, da sie rechtlich problematisch ist, weil das Geld ein souveränes Vermögen Russlands ist und daher durch Völkerrecht geschützt wird.
Polen, die baltischen Staaten und die Hohe EU-Vertreterin für Außenpolitik Kaja Kallas wollen das Tabu brechen und die Debatte über eine Enteignung vorantreiben. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, hat davor gewarnt, dass dieser Schritt nach hinten losgehen und die Glaubwürdigkeit der EU untergraben könnte.
"Die eingefrorenen russischen Guthaben sollten an die Ukraine gehen, um den Schaden, den Russland angerichtet hat, zu beheben", sagte Sikorski. "Wenn man eine dieser Geldquellen nicht aktiviert, wird es (die Erhöhung der Verteidigungsausgaben) nicht geben. Und wenn das nicht geschieht, dann muss man auf das Beste hoffen. Aber das haben wir schon viel zu lange getan."
Today