Erneuter Korruptionsverdacht im EU-Parlament: Experte kritisiert Ethikrichtlinien

Die jüngsten Ermittlungen gegen das Europäische Parlament, diesmal im Zusammenhang mit dem chinesischen Tech-Unternehmen Huawei, zeigen, dass die Ethikrichtlinien der EU ineffektiv sind - das sagt zumindest Alberto Alemanno, Jean-Monnet-Professor für EU-Recht an der HEC in Paris.
14-Punkte-Plan blieb bisher auf der Strecke
Anfang 2023 schlug das Europäische Parlament einen 14-Punkte-Aktionsplan im Zuge eines Skandals um Bestechungsgelder vor, der bis heute nicht umgesetzt wurde. Damals wurde gegen Abgeordnete und Assistenten des Europäischen Parlaments ermittelt, die angeblich Bestechungsgelder angenommen hatten, um im Interesse ausländischer Akteure wie Katar und Marokko zu handeln.
In dieser Woche durchsuchten belgische Ermittler erneut Wohnungen und den Brüsseler Hauptsitz von Huawei wegen des Verdachts, das chinesische Unternehmen habe Abgeordnete bezahlt, um die Gesetzgebung im Europäischen Parlament zu beeinflussen. Huawei streitet jegliches Fehlverhalten ab.
Experte kritisiert "System der Selbstkontrolle"
Derzeit liege die Durchsetzung der Lobbyregeln in den Händen des Europäischen Parlaments und anderer europäischer Institutionen, was im Grunde bedeute, dass es ein "System der Selbstkontrolle" gebe, erklärt Alemanno in einem Interview mit Euronews.
"Das System funktioniert strukturbedingt nicht und ist auch nicht dafür ausgelegt, zu funktionieren, weil es keine politischen Anreize für die Präsidentin des Europäischen Parlaments gibt, die auch Mitglied einer politischen Partei ist, diese Regeln durchzusetzen, denn wenn sie durchgesetzt werden, könnten sie auch gegen die eigene politische Partei durchgesetzt werden. Und ich denke, das ist der Grund, warum das derzeitige europäische Ethiksystem ungeeignet ist", sagt der EU-Rechts-Experte weiter.
Alemanno zufolge sind amtierende und ehemalige Europaabgeordnete unter den derzeitigen Bedingungen immer noch in der Lage, ihren Einfluss zu Geld zu machen.
"Die Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen heute immer noch Nebenjobs ausüben, so dass sie nicht nur Mitglieder des Europäischen Parlaments sein können, sondern auch Anwälte, Lobbyisten und Fürsprecher für verschiedene gesellschaftliche Anliegen, die sie in einen Interessenkonflikt bringen", sagt er.
Alemanno wirft den großen politischen Parteien in der EU vor, die Gesetzgebung abzuschwächen. Das Parlament habe beschlossen, ein Ethikgremium einzurichten, aber es funktioniere immer noch nicht.
Schaden die Skandale dem Ruf der EU?
Trotz der wiederholten Korruptions- und Transparenzskandale glaubt Alemanno jedoch nicht, dass der Ruf der EU gefährdet ist.
"Es wäre sehr einfach, die Europäische Union als Ganzes als eine sehr korrupte Organisation zu bezeichnen, aber in Wirklichkeit beweisen selbst diese Skandale das Gegenteil", sagt er.
"Die Europäische Union ist nicht per se eine korrupte Institution, aber einige Mitglieder, einige wenige Mitglieder des Europäischen Parlaments, das eine der Institutionen ist, haben sich zu einem möglichen Korruptionsversuch hinreißen lassen", so Alemanno.
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