Vorstoß: SPD will "Catcalling" unter Strafe stellen

Anzügliche Rufe, eindeutige Gesten: Verbale sexuelle Belästigung stellt im juristischen Sinne keine Beleidigung oder persönliche Herabsetzung dar. Der Bundesgerichtshof hatte bereits in einem Urteil von 2017 festgestellt, dass hier eine Gesetzeslücke vorliegt.
In diesem speziellen Fall kam jedoch noch hinzu, dass das Opfer ein Kind war: In dem besagten Fall hatte ein 65-Jähriger zu einer Elfjährigen gesagt, dass er ihr "an die Muschi fassen" wolle. Das Gericht sprach den Mann frei, weil diese Äußerung keine "herabsetzende Bewertung des Opfers" enthalten habe und "bloß sexualbezogene oder grob sexuelle Äußerungen" nicht vom Straftatbestand der Beleidigung erfasst sind.
Die SPD will jetzt handeln und sich dafür einsetzen, dass das sogenannte "Catcalling" grundsätzlich strafbar wird.
SPD fordert Konsequenzen
"Diese Gesetzeslücke muss geschlossen werden. Solch ein Verhalten können wir nicht tolerieren. Es schüchtert die Opfer, in aller Regel Frauen oder Mädchen, massiv ein. Studien zeigen, dass als Folge ausgerechnet sie ihr Verhalten ändern und sich zum Teil aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Dem müssen wir entschieden entgegenwirken", so die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede im Interview mit der Zeitschrift Stern.
Nach Angaben von Eichwede habe man hier "ohne Zweifel ein strafwürdiges Verhalten und durch die Gesetzeslücke einen untragbaren Zustand, der korrigiert werden muss".
In Ländern wie Spanien, Portugal und den Niederlanden ist Catcalling bereits strafbar.
2024 ist in den Niederlanden erstmals ein Mann zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Nach Aussagen von Zeugen hatte der Mann im August 2024 in Rotterdam eine junge Frau sexuell belästigt. Zunächst machte er ihr anzügliche Bemerkungen und rief ihr hinterher, dann verfolgte er sie und fasste sie an den Hüften. Ordnungskräfte beobachteten die Situation und stellten fest, dass die Frau versuchte, sich gegen das Verhalten zur Wehr zu setzen.
In Portugal ist verbale sexuelle Belästigung eine Straftat, die, wenn es sich beim Opfer um ein Kind unter 14 Jahren handelt, mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Grundsätzlich aber gibt es in dem Land Unklarheiten, da nicht alle Äußerungen als Straftat gelten: sie müssen einen sexuellen Bezug oder eine pornografische Anspielung enthalten, um strafbar zu sein.
Eichwede kann sich grundsätzlich vorstellen, dass in Deutschland zunächst Geldstrafen vorgesehen würden: "Solche Fragen müssen jedoch im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens geklärt werden.“ Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, das Strafgesetzbuch zu prüfen, um zu sehen, wo Anpassungen notwendig sind. "Aus unserer Sicht zählt verbale sexuelle Belästigung dazu."
Auch im digitalen Raum gibt es, so Eichwede, noch erheblichen Verbesserungsbedarf: "Jetzt gilt es, dringend ein digitales Gewaltschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Denn auch im digitalen Raum müssen klare Verhaltensregeln durchgesetzt und die Opfer wirksam geschützt werden."
Eine Änderung des Selbstbestimmungsgesetzes, das Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CDU) anlässlich des Falls Liebig vorgeschlagen hatte, lehnt Eichwede ab. Gegenüber dem Stern sagte sie, ein Missbrauch könne in diesem Fall ausschließlich von den Ländern verhindert werden, weil es darum ginge, wie die Justizvollzugsanstalten damit umgehen. Einige Länder hätten in diesem Bereich schon entsprechende Regelungen, andere nicht. "Auch wenn der Geschlechtseintrag in diesem Fall "weiblich" ist, gibt es Möglichkeiten, in eine andere Justizvollzugsanstalt zu überweisen. Aufgrund von Einzelfällen nun eine gesamte Gruppe von Menschen zu diskriminieren, löst das Problem nicht und ist mit uns nicht zu machen."
Der frühere Rechtsextremist Sven Liebich ist inzwischen vor dem Gesetz eine Frau. Durch eine "einfache Erklärung" gegenüber dem Standesamt im sächsischen Schkeuditz hatte Liebich Geschlecht und Vornamen geändert.
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