Von "positiv" bis "hasenfüßig": Streit in Berlin über Reaktionen zu Trumps UN-Rede

"Ich gehe insgesamt mit einem positiven Gefühl aus dieser Rede raus." Das ist die Einschätzung von Deutschlands Außenminister Johann Wadephul zu dem Auftritt von US-Präsident Donald Trump bei der UNO in New York. In einer Video-Schalte mit der ARD gestand Wadephul ein, dass es "natürlich Differenzen" gebe, aber das sei "auch nicht neu".
Weiter sagte der CDU-Minister zu den Ausführungen des US-Präsidenten, die auch für viel Kritik sorgten: "Er war ausführlich. Trump nimmt offensichtlich die Vollversammlung doch sehr ernst und hält sie für wichtig."
"Er will mit und bei den Vereinten Nationen etwas erreichen und das ist doch gut", so Wadephul, der den Bundeskanzler vertritt, da Friedrich Merz wegen der Haushaltsdebatte in Berlin anders als Emmanuel Macron nicht nach New York gereist ist.
Trumps Lob für Merz-Regierung
Über Trumps Lob freute sich Johann Wadephul - dabei erwähnte der US-Präsident Deutschland, um seine Leugnung des Klimawandels zu untermauern. Unter Bundeskanzler Friedrich Merz habe die deutsche Regierung den "kranken Weg" bei der Einwanderungs- und Energiepolitik verlassen. "Sie setzten auf Grün, und sie gingen in den Bankrott (...) Und die neue Führung (...) kam, und sie kehrten zurück zu fossilen Brennstoffen und Kernenergie, was gut ist."
Wadephul sagte dazu: "Friedrich Merz hat in zahlreichen Formaten und Gesprächen mit Donald Trump ein persönliches Verhältnis entwickelt, das er ja nutzbar macht für Europa, für Deutschland, aber auch für die Ukraine."
"Er redet Trump nicht nach dem Mund, sondern sagt klar seine, unsere europäische Auffassung an der Seite der Ukraine. Und das hat den amerikanischen Präsidenten beeindruckt", so Wadephul.
In seiner eigenen UN-Rede einige Stunden nach Donald Trump musste Wadephul auch verteidigen, dass Berlin anders als viele EU-Partner wie Frankreich, Spanien und Portugal, Palästina nicht als Staat anerkennen will. Er sagte: "Deutschland unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung. Sie ist die einzige realistische Option, um Israelis und Palästinensern ein Leben in Frieden und Sicherheit nebeneinander zu ermöglichen. Die Anerkennung eines palästinensischen Staates betrachten wir als einen weiteren Schritt am Ende dieses Prozesses. Dieser Prozess muss jedoch jetzt beginnen."
Linke spricht von "Hasenfüßigkeit der deutschen Regierung"
Kritik an Wadephuls Reaktion auf Trump kommt aus der Opposition in Berlin. Ines Schwerdtner, Vorsitzende der Linken, hält es im Gespräch mit Euronews "für grundverkehrt, dass Wadephul aus der Rede Trumps ein positives Fazit zieht. Das zeigt, dass er den Ernst der Lage nicht erkennt. Trump hielt in New York eine Kriegserklärung an alle, die versuchen, die Welt gemeinsam zu denken. Man hat das Gefühl, Trump wolle die Welt brennen sehen. Während er sein eigenes Land autoritär mit der Nationalgarde unterdrückt, verspottet er internationale Institutionen wie die UN. Das laute Schweigen dazu zeigt die Hasenfüßigkeit der deutschen Regierung."
"Deutsche Fahne in New York kompetent hochgehalten"
Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU, verteidigt gegenüber Euronews die Reaktion von Außenminister Johann Wadephul. Er sei froh, "dass unser Bundesaußenminister und unsere Diplomaten die deutsche Fahne in New York so kompetent hochhalten." An Trumps Rede seien für Deutschland nicht die Details entscheidend, sondern die enthaltenen Aussagen.
"Trump will weiter in den Vereinten Nationen engagiert bleiben, die bilaterale Sicht auf den Bundeskanzler ist weiterhin sehr positiv und seine Geduld mit Russland nähert sich ihrem Ende. Das alles sind strategische Erfolge deutscher Außenpolitik", meint Hardt.
Verständnis für Trump aus Österreich
Auch die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zeigte in ihrer Reaktion auf Trumps Rede Verständnis für die Position des US-Präsidenten: "„America First“ ist nicht „America Alone“. Es stimmt, dass die UNO ihrem Potenzial derzeit nicht gerecht wird. Zu viele Staaten treten die Prinzipien der Vereinten Nationen mit Füßen."
Doch die Wiener Top-Diplomatin schrieb auf X auch: "Schade, dass der Großteil der langen Rede von Donald Trump innenpolitischen Themen der USA gewidmet war."
Die UNGA (United Nations General Assembly) in New York geht an diesem Mittwoch weiter. Die Trump-Rede war der Höhepunkt am ersten Tag des internationalen Treffens, das Annalena Baerbock in ihrer neuen Rolle als Präsidentin der UN-Generalversammlung leitet.
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