Frankreich verschärft Sexualstrafrecht: "Nur Ja heißt Ja"
Millionen haben in Frankreich den großen Gerichtsprozess von Gisèle Pelicot verfolgt. Insbesondere Frauen forderten Änderungen der Gesetzgebung. Jetzt ist strafrechtlich neu geregelt: Sex ohne Einwilligung ist künftig ein sexueller Übergriff.
Das neue Prinzip "Nur Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht verankert, dass eine Zustimmung erfolgen muss und nicht von impliziter Einwilligung ausgegangen werden kann. Dies wird insbesondere in der strafrechtlichen Definition von Vergewaltigung relevant.
Die Senatoren haben am Mittwoch einstimmig für einen parteiübergreifenden Gesetzesvorschlag gestimmt, der von den Abgeordneten Marie-Charlotte Grain (Umweltpartei) und Véronique Riotton (Renaissance) eingebracht wurde.
Nach der Verkündung des Gesetzes durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron wird das Strafgesetzbuch "jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung" als sexuellen Übergriff betrachten. Die Zustimmung sei unter anderem frei, konkret und widerrufbar. "Sie kann nicht allein aus dem Schweigen oder dem Ausbleiben einer Reaktion des Opfers hergeleitet werden."
Vor Frankreich hatten auch andere Länder wie Spanien, Schweden, Kanada und Norwegen ihre Gesetze in diesem Sinne geändert.
Änderung im Sexualstrafrecht nach dem Prinzip "Nur Ja heißt Ja"
Der Begriff des Einverständnisses war auch bisher in der französischen Rechtsprechung allgegenwärtig. Allerdings lag es im Ermessen des einzelnen Richters und der jeweiligen Verfahren, inwiefern es vorlag. Für die Autoren der Reform handelt es sich um einen "großen Schritt nach vorn", um "eine Kultur der Zustimmung" aufzubauen.
Vor der Verabschiedung durch den Senat wurde der Text kontrovers diskutiert.
Kritiker befürchten, dass die Einführung des Konzepts der Einwilligung in das Strafgesetzbuch auf kontraintuitive Weise die Gefahr einer Umkehr der Beweislast mit sich bringt: Die Opfer könnten verpflichtet sein, zu beweisen, dass sie nicht eingewilligt haben.
Die Außenrechts-Partei Rassemblement National war in der Versammlung gegen den Text. "Die Anwälte werden künftig nicht mehr die Gewalt des Täters sezieren müssen, sondern die Gesten, die Worte und das Schweigen der Person, die sich zum Opfer erklärt", befürchtet die RN-Abgeordnete Sophie Blanc.
Die Senatorin Laurence Rossignol (PS) ihrerseits sieht in dem Wort "Einwilligung" eine "archaische Sicht der Sexualität, in der Frauen nachgeben oder sich verweigern". Die Abgeordnete des französischen Oberhauses sagte: "Einwilligen ist nicht wollen".
Prozess Pelicot: "Die Scham muss die Seite wechseln"
Das Sexualstrafrecht stand in Frankreich schon länger in der Debatte. Der Fall von Gisèle Pelicot, die von mehreren Dutzend Männern unter Betäubung durch ihren Mann vergewaltigt worden war, hat die Diskussion neu angefacht.
Zahlreiche Angeklagte hatten ausgesagt, sie hätten nicht den Eindruck gehabt, das Opfer zu vergewaltigen. Ihrer Ansicht nach hätte sich die Frau schlafend gestellt, von einer Betäubung wollen viele nicht gewusst haben. Tatsächlich wurde Pelicot von ihrem Ehemann mit Medikamenten betäubt.
51 Männer wurden meist wegen schwerer Vergewaltigung zu Strafen zwischen 3 und 20 Jahren verurteilt.
In Deutschland gilt seit 2016 das Prinzip "Nein heißt Nein". Sexuelle Handlungen sind demnach nur dann als Vergewaltigung strafbar, wenn sie gegen "den erkennbaren Willen einer anderen Person" vollzogen werden. Zuvor galt der Tatbestand der Vergewaltigung nur als erfüllt, wenn eine Gewaltanwendung stattgefunden hat.
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