Ukraine-Krieg: Warum Italiens Salvini Frankreichs Präsidenten Macron übelst beschimpft hat

Die mehr als scharfen Worte von Matteo Salvini haben mehr als nur ein Wortgefecht zwischen Frankreich und Italien ausgelöst.
Das französische Außenministerium - auch Quai d'Orsay genannt - bestellte am Donnerstag die italienische Botschafterin ein, nachdem der Italiens Vize-Ministerpräsident Emmanuel Macron aufgefordert hatte, eine kugelsichere Weste anzuziehen und selbst in die Ukraine zu reisen.
"In Mailand sagen wir "Leck mich..." Geh, wenn du willst. Du setzt deinen Helm auf, dein Gewehr, deine kugelsichere Weste, geh in die Ukraine", sagte der rechtspopulistische Lega-Politiker, der das Amt des Ministers für Verkehr und Infrastruktur bekleidet.
Salvini forderte den französischen Präsidenten außerdem auf, "sich an die Straßenbahn zu klammern", ein Ausdruck, der mit "verpiss dich" übersetzt werden kann.
Salvini: "Alles inszeniert"
Am Samstag ging der 52-Jährige bei einer Veranstaltung der Lega erneut zum Angriff über und beschuldigte Emmanuel Macron, den Krieg in der Ukraine als Sprungbrett zu nutzen, um seine vermeintlich schwindende Popularität zu Hause aufzubessern.
"Seit Monaten redet er vom Krieg, vom Atomschirm, von Bazookas, Raketen und der europäischen Armee! (...) Wissen Sie, warum? Meiner Meinung nach haben sie das alles inszeniert, weil Macron zu Hause auf dem Tiefpunkt seiner Popularität ist", rief Matteo Salvini.
Streit um Sicherheitsgarantien für die Ukraine
Dieser Streit wirft vor allem ein Schlaglicht auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Europäern über die Sicherheitsgarantien, die sie bereit wären, der Ukraine im Falle eines Friedensabkommens mit Russland zu geben, um künftige russische Aggressionen zu verhindern.
Frankreich und das Großbritannien plädieren für die Entsendung einer sogenannten "Sicherheitsgarantietruppe", die verschiedene Luft-, See- und Landkomponenten haben soll.
"Es handelt sich nicht um eine neutrale Truppe zwischen den beiden Parteien, sondern um eine Truppe an der Seite der Ukrainer, die darauf abzielen würde, Russland von einer möglichen Wiederaufnahme seiner Aggression gegen die Ukraine abzuhalten, indem sie demonstriert, dass Russland im Falle einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten diesmal nicht nur den Ukrainern gegenüberstehen würde, sondern einer Koalition von Ländern in Europa", sagte Élie Tenenbaum, Direktor des Zentrums für Sicherheitsstudien am Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI), im Gespräch mit Euronews.
Diese Truppe hätte nicht die Form einer "friedenserhaltenden oder interpositionellen Operation entlang der Frontlinie" , sondern wäre "eher im Vorfeld, hinter der Frontlinie, an der Seite der Ukrainer" lokalisiert.
Emmanuel Macron habe im Namen der strategischen Autonomie Europas, der Fähigkeit der Europäer, sich selbst zu verteidigen, die Führung übernommen, meint Tenenbaum.
"Man hat nach und nach gesehen, vor allem ab 2023 und immer stärker in den Jahren 2024 und 2025, wie Emmanuel Macron sich dieses Dossiers angenommen hat und die Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu einem Steckenpferd seiner Politik und seiner Vision, die er für Europa hat, gemacht hat", fügt der Experte hinzu.
Außerdem wischt er die Anschuldigungen von Matteo Salvini beiseite, wonach der französische Staatschef versuche, seine mangelnde Popularität zu Hause vergessen zu machen.
"Ich glaube heute nicht, dass die politischen Analysten und politischen Berater im Élysée-Palast der Meinung sind, dass die Ukraine-Politik innenpolitisch besonders tragfähig ist, auch wenn sie natürlich zur Statur des Präsidenten beiträgt", sagt Élie Tenenbaum, der auch von miesen Vorwürfen gegen Macron spricht.
Italienische Vorbehalte
Rom ist strikt gegen die Entsendung italienischer Soldaten in die Ukraine, um eine Eskalation zu vermeiden, und stellt die Wirksamkeit europäischer Soldaten im Falle eines Friedensabkommens in Frage.
Stattdessen plädiert Italien für einen kollektiven Verteidigungsmechanismus nach dem Vorbild von Artikel 5 der NATO, wonach sich jedes Land verpflichten würde, der Ukraine bei einem Angriff Beistand zu leisten.
Italien "besteht eher darauf, dass es sich nicht um seine eigenen Truppen handeln sollte, die in einem Szenario nach dem Waffenstillstand in der Ukraine präsent sind", sagte Alberto Alemanno, Professor für Europarecht an der HEC Paris, gegenüber Euronews.
Rom wolle laut Alemanno "stattdessen ein Modell für Artikel 5 der NATO entwickeln, das die Ukraine schützen würde, ohne sie in die internationale Organisation NATO zu bringen, denn wir wissen, dass dies eine der roten Linien ist, die von Russland gefordert werden".
Dem Experten zufolge offenbart diese Debatte auch die internen Spaltungen innerhalb der italienischen Koalitionsregierung. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unterstützt die Ukraine und hat alle Sanktionen gegen Russland mitgetragen. Im Gegensatz dazu ist Matteo Salvinis Lega, die historische Verbindungen zum Kreml hat, regelmäßig gegen die europäische Unterstützung für die Ukraine.
Die italienische Regierungschefin muss sich aber auch mit ihren wenig begeisterten Wählern auseinandersetzen.
"Giorgia Meloni befindet sich zwischen Hammer und Amboss. Einerseits muss sie ihrer europäischen Mitgliedschaft und ihrer rhetorischen Unterstützung für das NATO-Bündnis gerecht werden, andererseits muss sie auch die öffentliche Meinung zufriedenstellen, einschließlich vieler ihrer eigenen Wähler, die nicht sehr begeistert von der Idee sind, dass Italien stärker in die Lösung dieses Konflikts einbezogen wird", analysiert Alberto Alemanno.
Allerdings könnten Rom und Paris, die beide Teil der Koalition der Willigen sind, bei weiteren Sicherheitsgarantien für Kyjiw einen Kompromiss finden.
Auch wenn sich ihre Rhetorik unterscheidet, sind Frankreich und Italien in Bezug auf ihre finanziellen Beiträge zur Unterstützung der Ukraine nicht weit voneinander entfernt.
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