Nie wieder Blackout: Megaspeicher könnten helfen Europas Stromnetze stabiler zu machen

Bollingstedt, ein Dorf im Norden Deutschlands: Hier steht der größte Batteriespeicher der Bundesrepublik. Projektleiterin Carina von Schleinitz zeigt mir die Geheimnisse der Anlage. 64 Mega-Container, vollgestopft mit Akku-Technik, garantieren Hochspannung auf Abruf. Träge Kohlekraftwerke könnten als Energiereserve bald überflüssig werden.
“Wir leisten Pionierarbeit”, lächelt die Projektleiterin stolz. “Bislang lebten viele noch in einer sehr konventionellen Welt, in der die Viertelstunde eine große Rolle gespielt hat (bei der Stromnetzstabilisierung). Wir sollten aber im Sekundenbereich reagieren, weil volatile Erneuerbare, wie der Name schon sagt, volatil erzeugen.”
Genau deshalb werden nun die Stromnetze digitalisiert. Allerdings bremsen manche Netzbetreiber. Auch beim Netzzugang gibt es Konflikte. Es fehlt an Kapazitäten. Hier ist die Politik gefragt, um Rahmenbedingungen anzupassen.
Bei viel Sonne und Wind fließt viel erneuerbare Energie in die Stromnetze. Damit die Spannung stabil bleibt, werden Photovoltaik- und Windkraftanlagen häufig abgeregelt. Dadurch bleibt wertvolle Energie ungenutzt. Das Abregeln bringt Milliardenverluste!
Umgekehrt gibt es auch bei Dunkelheit und Windstille ein Problem: Dann fehlt Energie. Um das Netz zu stabilisieren, werden bei Dunkelflaute oft fossile Kraftwerke hochgefahren. Doch Gas und Kohle bedrohen das Weltklima.
Um das zu vermeiden, sollen Netz- und Speicherkapazitäten in der EU ausgebaut werden. Pumpspeicherkraftwerke wandeln überschüssigen Wind- oder Sonnenstrom in Wasserkraft um, Griechenland baut derzeit große Anlagen. Es werden auch immer mehr Batteriespeicher installiert, beispielsweise in Deutschland, denn die Kosten für Batteriezellen sinken.
Bis Ende des Jahrzehnts könnte der Stromverbrauch in der EU um 60 Prozent steigen. Fast 500 Milliarden Euro müssen in die Übertragungs-, über 700 Milliarden in die Verteilernetze investiert werden, bis 2040!
Deutschlands Norden etwa produziert jede Menge Windstrom. Doch die größten Verbraucher sind im Süden. Deshalb braucht Deutschland “Strom-Autobahnen” und viele Zwischenspeicher.
Georg Gallmetzer, Geschäftsführer von ECO STOR: “Wir sind mitten in einer der größten Transformationen, die moderne Industriegesellschaften vor sich haben. Wir haben Genehmigungshürden, die abgebaut werden müssen. An der Stelle bedarf es eines Dialoges auf höchster Ebene!”
Interview mit dem Umweltminister von Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt, Mitglied der Grünen. Das norddeutsche Bundesland gilt als Vorreiter der Energiewende.
Euronews: “Warum ist der Ausbau von Stromnetzen und Speichern wichtig für die Energiewende?”
Goldschmidt: “Große Energiemengen kommen von den Offshore-Windkraftanlagen. Der Strom muss ja weitertransportiert werden und dafür braucht es neue Netze. In Schleswig-Holstein bauen wir sehr schnell neue Stromleitungen. Und jetzt sehen wir auch einen massiven Zubau an Batteriespeichern, so dass die Netze besser genutzt werden können.”
Euronews: “Überall in Europa werden Gaskraftwerke gebaut. Ist das das Ende der Energiewende?”
Goldschmidt: “Nein! Wir sind mitten in der Energiewende, gerade hier im Norden (Deutschlands). Wir bauen im Rekordtempo Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher. Alles wieder auf Erdgas zu setzen, ist der falsche Weg. Jede Gaskraftwerk-Investition macht Strom und Energie teurer. Indem wir in erneuerbare Energien investieren, investieren wir in eine günstige Energieversorgung in Europa.”
Euronews: “Die Präsidentin der Europäischen Kommission hat dem US-Präsidenten zugesagt, große Mengen Flüssiggas zu importieren: Sehen Sie das kritisch oder ist das was Gutes?”
Goldschmidt: “Das ist überhaupt nichts Gutes, in Europa wollen die Menschen kein gefracktes Gas haben! Das ist auch eine teure Tasse Tee! Und am Ende ist es auch nicht marktwirtschaftlich.”
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