Treffen zu Syrien: Türkei strebt engere Beziehungen zur EU an
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat bei einem Treffen mit Ursula von der Leyen auf eine spürbare und sofortige Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union gedrängt. Im Vordergrund des Treffens stand eigentlich der Machtwechsel in Syrien und das Schicksal der Flüchtlinge.
Die Türkei wurde 1999 zum EU-Beitrittskandidaten erklärt, doch nach zahlreichen Höhen und Tiefen wurde der Beitrittsantrag 2018 aufgrund anhaltender demokratischer Rückschritte und der Unterdrückung von Grundrechten gestoppt.
Seitdem hat Brüssel versucht, die Beziehungen zu Ankara aufgrund des strategischen und wirtschaftlichen Wertes des Landes zu vertiefen, ohne den Beitrittsprozess aus den Augen zu verlieren.
"Wir brauchen mehr denn je eine stärkere und institutionellere Beziehung zwischen der Türkei und der EU", sagte Erdoğan am Dienstagnachmittag neben von der Leyen am Ende ihres Treffens in Ankara. "Wir können unsere Zusammenarbeit mit einer Win-Win-Formel voranbringen."
Erdoğan hat große Forderungen an die EU
Erdoğan forderte die Staats- und Regierungschefs der EU auf, "alle Beschränkungen" in den bilateralen Beziehungen aufzuheben. Die EU solle den politischen Dialog auf hoher Ebene (der seit 2019 ausgesetzt ist) wieder aufnehmen, die Zollunion zwischen der EU und der Türkei (die seit 2016 in Arbeit ist) aktualisieren und die Visaerteilung beschleunigen und damit die von Ankara seit langem angestrebte Visafreiheit einzuführen.
Am Donnerstag treffen die Staats- und Regierungschefs zu einem eintägigen Gipfeltreffen zusammen, auf der Tagesordnung des Gipfels steht die Türkei nicht als relevantes Diskussionsthema.
"Unsere gemeinsamen Interessen sollten nicht den begrenzten Tagesordnungen einiger Mitglieder unterworfen sein", sagte der türkische Präsident. Damit bezog er sich offensichtlich auf Griechenland und Zypern - zwischen den beiden Mitgliedstaaten und der Türkei herrschen angespannte Beziehungen.
Mit seinen Äußerungen stützt sich Erdoğan auf die wichtige Rolle der Türkei beim Sturz des autokratischen Regimes von Bashar al-Assad in Syrien, wodurch sich die Wichtigkeit der Türkei für die Region erheblich vergrößert hat. Die Türkei ist der wichtigste Unterstützer der Syrischen Nationalarmee, einer in Nordsyrien ansässigen Oppositionsgruppe, die an der Offensive zum Sturz Assads beteiligt war, und fungiert als Vermittler zwischen den westlichen Verbündeten und Hayat Tahrir al-Sham (HTS), der Rebellengruppe, die den Machtwechsel anführte.
Außerdem beherbergt die Türkei schätzungsweise 3,2 Millionen syrische Flüchtlinge. Aufgrund dieser einflussreichen Position hat Erdoğan in den vergangenen Tagen eine Reihe hochrangiger Gäste empfangen, darunter Ursula von der Leyen, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und US-Außenminister Antony Blinken.
"Die jüngsten Entwicklungen haben die Position der Türkei als Schlüsselland weiter gestärkt", sagte er in einer Presseerklärung, die keine Fragen der Presse zuließ.
Von der Leyens Angebot: 1 Milliarde Euro für die Türkei
Von der Leyen war sich bei dem Treffen bewusst, dass viel auf dem Spiel steht, und versuchte, Erdoğan bei Laune zu halten - ohne Versprechungen zu machen, die die Kommission nicht einhalten kann. "Unsere Beziehung ist ebenso reichhaltig wie komplex. Aber eines ist klar: Es geht vorwärts", sagte sie.
Von der Leyens bemerkenswerteste Ankündigung war eine zusätzliche Milliarde Euro zur Unterstützung syrischer Flüchtlinge in der Türkei, die angepasst werden kann, "wenn sich die Dinge vor Ort weiterentwickeln". Seit 2011 hat die EU die Türkei mit fast zehn Milliarden Euro bei der Flüchtlingshilfe unterstützt.
Die eine Milliarde Euro können auch dazu verwendet werden, die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zu organisieren, worüber die EU-Mitgliedstaaten bereits diskutieren. Von der Leyen betonte, dass die Unbeständigkeit in der Post-Assad-Ära zwangsweise Abschiebungen unmöglich mache.
"Der Mangel an Vorhersehbarkeit erfordert äußerste Vorsicht", sagte sie. "Eines ist ganz klar: Alle Rückführungen müssen freiwillig, sicher und menschenwürdig sein."
Die Kommissionschefin versprach, die Verhandlungen über eine "modernisierte Zollunion" mit der Türkei wieder aufzunehmen, merkte aber an, dass "Fortschritte stärkere Anstrengungen" zur Beseitigung von Handelshemmnissen erfordern würden. Die Visapolitik erwähnte sie nur am Rande.
"Die legitimen Sicherheitsbedenken der Türkei müssen berücksichtigt werden", sagte sie und verwies auf die Notwendigkeit, ein Wiederaufleben terroristischer Gruppen in Syrien zu verhindern.
Zwei kritische Themen
Von der Leyen sprach außerdem zwei Schlüsselthemen an, die Erdoğan gänzlich vermieden hat: die Umgehung der EU-Sanktionen gegen Russland, Ankara wird vorgeworden, dies zu ermöglichen, und die Wiedervereinigung von Zypern. Die Türkei ist das einzige Land der Welt, das den nordöstlichen Teil Zyperns, die so genannte Türkische Republik Nordzypern, anerkennt.
"Es liegt noch viel Arbeit vor uns", sagte von der Leyen am Ende ihrer Rede. "Ich freue mich darauf, unsere gute Zusammenarbeit fortzusetzen, sowohl bei der Unterstützung eines von Syrien geführten und von Syrien selbst verantworteten politischen Übergangs als auch bei der Vertiefung der Beziehungen zwischen der Türkei als Kandidatenland und der Europäischen Union."
Das Treffen am Dienstag fand nur wenige Stunden nach einem Bericht des Wall Street Journal statt, wonach US-Beamte zunehmend besorgt sind, dass die Türkei bald einen "umfassenden Einmarsch" in das von den syrischen Kurden, die von Washington unterstützt werden, gehaltene Gebiet starten könnte.
Ein Sprecher der Kommission äußerte sich nicht zu dem Bericht, sagte aber, die "territoriale Integrität" Syriens müsse respektiert werden.
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