Nach monatelanger Blockade: Bund gibt grünes Licht für Einreise afghanischer Ortskräfte

Mit der Machtübernahme der Taliban hat Deutschland 2021 seine Kräfte auf afghanischem Boden zurückgezogen. Die Sicherheitslage verschlechterte sich rapide, die US-amerikanischen Truppen kündigten als erste ihren Rückzug aus dem Land an.
Etwa vier Jahre später warten noch immer zahlreiche afghanische Ortskräfte auf den versprochenen Schutz aus Deutschland. Insgesamt verbleiben rund 2.000 Afghanen trotz einer Aufnahmezusage in Deutschland derzeit in Pakistan.
Die Bundesregierung verhinderte über längeren Zeitraum deren Aufnahme. Nach Informationen der ARD und Welt führten nun jedoch zwei Dutzend Gerichtsentscheide, allesamt Eilbeschlüsse, zu einem Einlenken aus Berlin.
Die Bundesrepublik sei "durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmezusagen rechtlich gebunden", heißt es laut Welt in einem Entscheid des Verwaltungsgerichts Berlin. Der Regierung drohe ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 Euro, sollte den Betroffenen nach der Aufnahmezusage keine Visa erteilt werden. Der Bund hat bis zum 10. September Zeit, die Forderung umzusetzen.
Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte der Ampel-Regierung noch immer nicht beendet
Ende August 2021 evakuierte die Bundeswehr mehr als 5.000 Personen aus Afghanistan, nachdem sich die Sicherheitslage nach dem Rückzug der westlichen Truppen und die darauffolgende Machtübernahme der Taliban rapide verschlechtert hatte.
Zwei Jahrzehnte lang waren unter anderem deutsche Streitkräfte im Rahmen eines NATO-Einsatzes in Afghanistan stationiert. Auch den sogenannten Ortskräften, afghanischen Staatsbürgern, die durch ihre Dienste für Deutschland nach der Machtübernahme der Taliban besonders gefährdet waren, hatte Deutschland eine Aufnahme zugesichert. Darunter fallen beispielsweise Journalisten oder Menschenrechtler.
Festnahmen und Abschiebungen aus Pakistan
Die afghanischen Staatsbürger harren derzeit in Pakistan aus, doch ihre Visa für das Nachbarland sind laut Medienberichten bereits teilweise ausgelaufen.
Rund 200 afghanische Staatsbürger wurden vergangene Woche zurück in ihr Herkunftsland abgeschoben, obwohl sie Zusagen aus Deutschland hatten. Weitere Betroffene wurden von der pakistanischen Regierung festgenommen. Nach Vermittlung der Bundesreigerung wurden 245 von ihnen wieder aus Abschiebelagern entlassen.
Das Aufnahmeprogramm der Bundesregierung hat bereits zu Zeiten der Koalitionsverhandlungen in Deutschland zu Spannungen geführt. Letztendlich wurde im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart, "freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich" zu beenden.
Offener Brief: "Versprechen, an denen Leben hängen, bricht man nicht"
Mehrere Organisationen haben die Bundesregierung zum sofortigen Handeln aufgerufen. "Handeln Sie jetzt, bevor es für viele Betroffene zu spät ist", heißt es in einem Offenen Brief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Initiiert wurde dieser vom Deutschen Anwaltverein, unterzeichnet unter anderem von Amnesty International Deutschland, dem Deutschen Caritasverband, Reporter ohne Grenzen und weitere.
„Diese Menschen sind in akuter Gefahr; im Taliban-Regime sind ihre Freiheit, ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben bedroht"; mahnt Maria Kalin, Mitglied des DAV-Ausschusses Migrationsrecht. Sie fordern unter anderem die Beschleunigung der Prüfverfahren.
Aufgrund der langwierigen Verfahren entstehe der Interessenskonflikt mit Pakistan. Die Visa für den Aufenthalt der afghanischen Staatsbürger in Pakistan laufen aus oder sind teilweise bereits abgelaufen.
Bundesinnenminister Dobrindt will jeden Einzelfall prüfen lassen und nur diejenigen aufnehmen, die rechtsverbindliche Zusagen haben und die Sicherheitsüberprüfungen ohne Beanstandungen absolvieren.
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