Terrorexperte warnt: "In DITIB-Moscheen wächst das Gewaltpotenzial"

In Deutschland diskutierten Migrationsforscher, Islamismuskenner und Türkeiexperten über eine Gaza-Konferenz, die vergangene Woche in Istanbul statt fand. Denn: dort hat der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, zum "Dschihad" in allen Formen aufgerufen.
Organisiert wurde die Konferenz von der "Internationalen Union muslimischer Gelehrter" (IUMS) – die von dem Chefideologen der islamistischen Muslimbruderschaft gegründet wurde – zusammen mit der "Stiftung islamischer Gelehrter in der Türkei", die eng mit Diyanet arbeitet. Auch Marwan Abou Ras, ein Vertreter der Hamas, war anwesend.
In Deutschland gibt es fast 1000 Moscheen der DITIB, der "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" – sie ist direkt der staatlichen Behörde Diyanet unterstellt, von der sie finanziell und personell abhängig ist – deshalb wird sie als "langer Arm Erdoğans" bezeichnet. Immer wieder fallen ihre Vereine mit Skandalen auf.
Nachdem Dschihad-Aufruf des Diyanet-Chefs mahnt der Terrorexperte Nicolas Stockhammer bei Euronews: "Wir können definitiv nicht ausschließen, dass die Radikalisierungsspirale sich weiterdreht und aus diesem Dunstkreis der DITIB-Vereine in Deutschland oder anderswo in Europa terroristische Gewalt entsteht und umgesetzt wird."
Zuvor hatte sich unter anderem der Migrationsforscher Ruud Koopmans schockiert gezeigt: "Unfassbar!" Der Aufruf zeige "der Islamismus ist kein muslimisches Randphänomen sondern ist leider Gottes der islamische Mainstream. Auch in Deutschland."
Hamas, Muslimbruderschaft, Ditib - eine Allianz?
Die Terrororganisation Hamas ist 1987 aus dem palästinensischen Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangen. Der Islamverein DITIB untersteht der Religionsbehörde Diyanet, die wiederum direkt dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan untersteht. Erdoğan selbst vertritt eine fundamentalistische Religionsauslegung und gilt als offener Unterstützer der Muslimbrüder und Hamas.
Ali Erbas und IUMS-Präsident Ali Qaradaghi gaben ihre Beschlüsse der Gaza-Konferenz vergangenen Freitag kund.
Darin heißt es: "Wir bekräftigen mit Nachdruck, dass das palästinensische Volk alle legitimen Widerstandsformen gegen die zionistische Besatzung hat, einschließlich des bewaffneten Widerstands. Des Weiteren halten wir es für notwendig, die Ummah (Anm.: islamische Gemeinschaft) für alle Formen des Dschihads auf dem Wege Allahs zu mobilisieren."
"Der Diyanet-Präsident Ali Erbas tat seinen Aufruf im Kontext der Hamas und damit auch im Kontext der Muslimbruderschaft. Diese Strukturen sind bekannt für ihre Nähe zur Milli Görüs und den Muslimbrüdern. Man sollte auf keinen Fall unterschätzen: dass der Zusammenhang zwischen der an sich gewaltlos-orientierten Muslimbruderschaft und gewaltsamen Expressionen immer enger wird!", warnt der österreichische Extremismusforscher. Die Hamas sei gewissermaßen eine Folie der dahinterstehenden islamistischen Bewegung.
Die Muslimbruderschaft (MB) ist auch in Deutschland und Europa aktiv. Sie versuchen im Westen mittels legaler Wege (politisch und gesellschaftliches Engagement) schleichend ihre extremistischen Ziele zu erreichen: einen Staat auf Grundlage der Scharia.
"Dammbruch! Moscheen könnten mehr Muslimbrudernah werden"
Doch was bedeutet die gemeinsame Sache von Diyanet mit der Muslimbruderschaft und der Hamas für Deutschland? Hier stehen mittlerweile fast 1000 Moscheen von DITIB. Auch immer neue Moscheen werden weiterhin gebaut.
Das Diyanet den Dschihad in gewaltsamer Form gut heißt, sei nun ein "Dammbruch!" so der Terrorexperte. Stockhammer prognostiziert: "Viele dieser Moscheen könnten von Diyanet letztendlich instrumentalisiert werden, um hier noch radikalere Inhalte zu predigen, auch um jüngere Menschen in den radikalen Dunstkreis zu drängen."
Weiter warnt er: "Wenn das jetzt Eingang findet in Predigten in Deutschland oder Österreich, dann hat man aufgrund der großen Bandbreite an türkischer Diaspora durchaus ein Radikalisierungspotenzial zu befürchten".
In Österreich ist nicht DITIB, sondern die ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Österreich) aktiv, die ebenfalls der Diyanet untersteht. Dort gibt es etwa 60 Vereine, von denen viele Moscheen oder Gebetsstätten betreiben. Die ATIB ist die Entsprechung der DITIB.
Muslimbruder-Strategie sei gefährlicher als Terror
Strategisch und langfristig sei "die legalistische Strategie der Muslimbrüder" sogar "viel gefährlicher als die Gefahr, dass Einzelpersonen zu Terrorhandlungen" bewogen werden.
Der Islamismuskenner erklärt: "Die DITIB-Moscheen könnten durch einen Diyanet-Chef vom Schlage Erbas' immer mehr Muslimbruder-nah werden. Akteure des Politischen Islams trachten danach, irgendwann legal an die Macht zu kommen und die Scharia durchzusetzen. Und wenn Erbas von 'Dschihad in allen Formen' spricht, wird er höchstwahrscheinlich damit die Gewalt meinen."
"Durch eintausend DITIB-Moscheen könnte Islamisierung zum Mainstream werden"
Nicolas Stockhammer von der Donau-Universität Krems meint auch: "Es gibt eine große Tendenz zur politisch-islamistischen Expansion. Es sieht danach aus, als wolle die türkische Regierung mit ihren radikalen Verbündeten möglichst viel Zugriff hier in Europa auf potenzielle Sympathisanten erlangen."
Der Grund: Man versuche vielleicht, dass der Pool der "aktivistischen Extremisten" größer werde. Was der Terrorforscher damit meint: "Diese Gruppe wird größer, und zwar jene, die uns aktiv zu unterwandern trachten und das alles aktiv oder offen ideologisch unterstützen." Sei es allein durch die Rhetorik, Denkart oder Handeln.
Ob dschihadistische oder ideologische Potenzial – der österreichische Extremismuskenner ist sich sicher: "Das gesamte Potenzial gewinnt an Breite und Stärke! Die Frage wird sich stellen, ob durch fast eintausend DITIB Moscheen in Deutschland und Europa die politische Islamisierung zum gefährlichen Mainstream wird."
"Verfassungsschutz muss hier eingreifen"
Für Stockhammer ist klar, dass es nur eine Lösung geben kann: Sämtliche DITIB-Moscheen in Deutschland und Europa müssten von der Diyanet strukturell, finanziell und personell entkoppelt sein. Hier sei die Politik gefragt – doch, wie immer wieder kritisiert wird, gilt die Bundesregierung in der DITIB-Frage als befangen und abhängig aufgrund des sogenannten Flüchtlingsdeals mit der Türkei.
Doch davon müsse die Bundesregierung sich lösen, wenn sie "keine Aufrufe zum Dschihad dulden will". Stockhammer appelliert deshalb an die Sicherheitsbehörden: "Der Verfassungsschutz muss hier eingreifen, sobald eine Grenze zum Extremismus seitens der DITIB klar überschritten wird. Dann sollte die staatliche Zwangsgewalt mit voller Härte durchgreifen."
Euronews fragte den DITIB-Zentralverband in Deutschland an, wie sie zu Ali Erbas' Aufforderung des Dschihads in allen Formen, damit auch in Gewalt, stehen. Eine Antwort steht aus.
Das ist die Skandal-Liste der DITIB in Deutschland
Schon seit vielen Jahren fällt immer wieder die DITIB mit Islamismus und Antisemitismus auf – die Liste an Skandalen ist lang:
- DITIB-Vereinen wird von Kritikerin türkische Staatspropaganda vorgeworfen. Etliche Imame standen bereits im Verdacht, für den türkischen Staat Spionage betrieben zu haben. Eine ZDF-Reportage zeigte, dass mindestens neunzehn DITIB-Imame Personen in Deutschland ausspioniert hatten.
- Im Jahr 2018 wurde in einigen zugehörigen Moscheen für den Sieg der Türkei nach dem Einmarsch in kurdische Gebiete Nordsyriens gebetet. Auch fanden dort bereits Wahlkampfveranstaltungen von Erdoğans AKP-Partei statt.
- Ein Vorsitzender der DITIB-Moschee Bielefeld posierte am Grab des rechtsextremen Gründers der Grauen Wölfe.
- In der Herford-Moschee mussten Kinder in Militäruniform samt Spielzeuggewehren eine Schlacht nachspielen.
- Das NRW-Innenministerium erklärte 2020, dass DITIB „nicht nur zur aktiven Meinungsbildung im Sinne der türkischen Regierung“ beitrage, sondern dem türkischen Nachrichtendienst (MIT) „auch eine große Zahl potenzieller Zuträger und Hinweisgeber“ biete.
- 2020 wurde in Moscheen der Sieg Aserbaidschans gegen Armenien in Bergkarabach bejubelt.
- 2021 trat der DITIB-Vorsitzende in Göttingen zurück, nachdem Hassbotschaften gegen Juden und Armenier aufgetaucht waren.
- 2022 kam heraus, dass bei DITIB Hamburg ein Imam beschäftigt wurde, der einen Gründer der Terrororganisation Hamas lobte.
Today