Bericht: Europas Tech-Branche am Wendepunkt, KI, Verteidigung und Klimatech prägen die EU-Zukunft
Europas Tech-Ökosystem steht an einem Scheideweg. Wenn es das Tempo des Fortschritts halten will, braucht es dauerhafte Investitionen in Bereiche wie Klimatechnologie, Künstliche Intelligenz (KI) und Verteidigung. Diese Felder werden Europas nächstes Jahrzehnt prägen, warnt der Wagniskapitalgeber Atomico in seinem State of European Tech 2025 Bericht.
Der Bericht betont zugleich: Europa hat Talent und Innovationskraft, doch es fehlt die „Übereinstimmung zwischen Anspruch und Umsetzung“. Atomico ruft dazu auf, Europas erstes Unternehmen mit einer Billion Euro Börsenwert hervorzubringen.
„Technologische Souveränität ist kein Protektionismus, sondern Handlungsmacht und Wahlfreiheit: die Fähigkeit, Kompetenz, Vertrauen und Kapital aufzubauen, die Zukunft zu gestalten und zugleich unabhängig zu handeln und nach Europas eigenen Maßstäben zu führen“, sagte Tom Wehmeier, Partner und Leiter für Intelligence bei Atomico.
Der jährliche Bericht stützt sich auf öffentliche Daten und eine Umfrage unter rund 2.500 Akteurinnen und Akteuren der Tech-Branche. Er zeichnet ein Lagebild des technologischen Fortschritts auf dem Kontinent.
Die Finanzierung in Europa verschiebt sich bereits Richtung KI. Laut Bericht flossen im Jahr 2025 31 Prozent aller eingesammelten Mittel an Unternehmen aus KI und maschinellem Lernen.
Die größte europäische Finanzierungsrunde 2025 kam von der französischen KI-Firma Mistral AI und lag bei 2 Milliarden US-Dollar (1,73 Milliarden Euro). Dahinter folgte das Rechenzentrums-Start-up Nscale mit 1,1 Milliarden US-Dollar (952 Millionen Euro).
Auch Unternehmen für KI-gestütztes Programmieren wachsen in Europa rasant.
Das schwedische Start-up Lovable erreichte nur sechs Monate nach dem Start eine Bewertung von 1 Milliarde US-Dollar (865 Millionen Euro).
Der Bericht nennt zudem weitere KI-Anbieter mit Potenzial zur globalen Marktführerschaft: Synthesia, eine Plattform für KI-Videoinhalte, und n8n, ein Unternehmen für KI-gestützte Workflows.
Verteidigungstechnologie
Laut Bericht wächst auch der Verteidigungssektor. Insgesamt zogen technologische Fortschritte in der Verteidigung in diesem Jahr 1,6 Milliarden US-Dollar (1,38 Milliarden Euro) an – nach 1 Milliarde US-Dollar (865 Millionen Euro) im Jahr 2024. Das liegt „deutlich über jeder Investitionshöhe“, die die Branche im vergangenen Jahrzehnt erreicht hat.
Ein Drittel der europäischen Verteidigungsinvestitionen floss in ein einziges Unternehmen: Helsing, die deutsche Firma, die KI in ihren Drohnen und U-Booten einsetzt.
Weitere Akteure im Verteidigungsbereich – Isar Aerospace, Cambridge Aerospace, Quantum Systems und Roark Aerospace – sicherten sich ebenfalls große Finanzierungen.
Der Bericht hält fest: In Europa verteilt sich das Verteidigungs-Kapital breiter als in den Vereinigten Staaten. Das Ökosystem operiert dadurch in kleinerem Maßstab.
Mehr Talente und Forschungsgelder nötig, um mitzuhalten
Um das Entwicklungstempo zu halten, müsse Europa weiterhin die besten KI-Talente der Welt anziehen, heißt es.
Der Kontinent ist auf diesem Weg: Seit 2016 wächst die Talentbasis jedes Jahr um 22 Prozent.
Zugleich müsse die EU beim Technologieforschungs- und Entwicklungsbudget mit den USA gleichziehen. Zwar liegen die Dollarbeträge in ähnlicher Höhe, doch fließen europäische Forschungsinvestitionen vor allem in Industrie und Fertigung – und weniger in Software und KI.
„Das ist entscheidend, denn es bestimmt, wo Innovation entsteht“, heißt es, mit dem Hinweis, dass ein Großteil des Geldes in „traditionellen Branchen“ statt in „digitaler Infrastruktur, Rechenleistung oder Deep-Tech-Fähigkeiten“ gebunden ist.
Mehr Investitionen in Rechenleistung sind ebenfalls nötig, um mit den USA und China mitzuhalten. Beide halten zusammen 87 Prozent der weltweit verfügbaren Grafikprozessoren (GPUs).
„Europas Auftrag war nie stärker. Talent, Ehrgeiz und Ideen sind vorhanden. Was fehlt, sind die Rahmenbedingungen, um dieses Potenzial zu heben: einfachere Regulierung, geduldigeres Kapital und öffentlicher Rückhalt“, sagte Sarah Guemouri, Principal bei Atomico.
„Der diesjährige Bericht ist unser Fahrplan für Veränderungen. Denn das nächste Jahrzehnt entscheidet, ob Europa die nächste Tech-Ära anführt oder anderen das Feld überlässt.“
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