Nach Umfragehoch: AfD plant Alleinregierung in Sachsen-Anhalt

Der AfD-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt, Oliver Siegmund, hat angekündigt, nach der Landtagswahl im kommenden Jahr ohne Koalitionspartner regieren zu wollen.
Seine Partei wolle eine „stabile und verlässliche Regierung“ bilden, sagte Siegmund dem Magazin Stern. Dafür sei eine klare Mehrheit nötig – nicht eine, die am Ende von ein oder zwei Stimmen im Parlament abhänge.
Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap kommt die AfD in Sachsen-Anhalt derzeit auf 39 Prozent und liegt damit klar in Führung.
Derzeit regiert Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit einer Koalition aus CDU, SPD und FDP. Bei der Landtagswahl im kommenden Jahr wird der 71-Jährige, der seit 2011 an der Spitze der Landesregierung steht, jedoch nicht mehr kandidieren.
AfD-Spitzenkandidat verteidigt Begriff "Remigration"
Nach eigenen Worten will Siegmund im Falle eines Wahlerfolgs die Migrationspolitik grundlegend neu ausrichten. „Im Asylbereich werden wir sofort von Geld- auf Sachleistungen umstellen und auch alle sonstigen Anreize zurückfahren“, sagte er. Zusätzlich stellte er eine Abschiebeoffensive sowie die „zentrale und sichere Unterbringung“ sämtlicher Geflüchteter in Aussicht. Den von der AfD häufig verwendeten Begriff „Remigration“ verteidigte er ausdrücklich: Es handle sich dabei um ein „ganz normales, positives Wort“ und um „eine Abkehr von der bisherigen irregulären und illegalen Einwanderung“. Grundlage bleibe dabei stets das Grundgesetz.
Darüber hinaus kündigte der Spitzenkandidat, der zugleich Co-Vorsitzender der AfD im Landtag ist, Veränderungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk an. Sachsen-Anhalt solle unter seiner Leitung aussteigen. „Wir werden als Landesregierung so schnell wie möglich den Rundfunkstaatsvertrag kündigen“, sagte er.
Verfassungsschutz: AfD Sachsen-Anhalt spielt Schlüsselrolle bei Einstufung als rechtsextrem
Das Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur AfD auf Bundesebene macht deutlich: Die Landespartei in Sachsen-Anhalt und ihre Abgeordneten spielen eine zentrale Rolle bei der Einschätzung, die gesamte Partei als gesichert rechtsextremistisch einzustufen.
Nach Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT werden in dem Dokument 20 von insgesamt 30 Mandatsträgern der AfD Sachsen-Anhalt erwähnt – vor allem hochrangige Funktionäre. Damit ist der Anteil in keinem anderen Bundesland so hoch. Besonders hebt der Verfassungsschutz in seinem Bericht die „besonders engen Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen“ sowie zur früheren Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) hervor.
Mehrere führende Funktionsträger aus Sachsen-Anhalt werden im Gutachten wörtlich zitiert. Ihnen wird vorgeworfen, keine sachliche Kritik an Migrationspolitik zu üben, sondern Menschen mit Einwanderungsgeschichte pauschal als kriminell und gewalttätig darzustellen.
Ein Beispiel liefert der Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner, der am 3. Januar 2023 auf Facebook schrieb: „Wir brauchen kein bundesweites Böllerverbot, sondern ein bundesweites Einreiseverbot für diese illegalen Armuts-, Wirtschafts- und Sozialeinwanderer.“ Laut Verfassungsschutz kriminalisiert er damit ganze Gruppen pauschal.
Ulrich Siegmund, derzeit Co-Fraktionsvorsitzender der AfD im Magdeburger Landtag und Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahl 2026, wird im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz ebenfalls aufgeführt – wenn auch weniger prominent. Erwähnt wird etwa seine Unterschrift unter der sogenannten „Dresdner Protestnote“, in der von einem angeblich von der Bundesregierung betriebenen „Bevölkerungsaustausch“ die Rede ist. Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Höhne handelt es sich dabei um einen Begriff, der fest im Repertoire rechtsextremer Ideologen verankert ist und ursprünglich vom französischen Publizisten Renaud Camus geprägt wurde. „Das ist ein ganz wichtiges Narrativ, das Rechtsaußenkräfte gern gebrauchen. Damit werden Ängste geschürt“, so Höhne.
Darüber hinaus hebt der Bericht die Verbindungen der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt zum Magazin Compact hervor. Demnach schaltete die Fraktion dort regelmäßig Werbung und Stellenanzeigen – auch im Bundestagswahlkampf 2025. Hinzu kamen Auftritte von Abgeordneten bei Veranstaltungen des Magazins sowie ein Grußwort von Gründer Jürgen Elsässer beim Landesparteitag 2024. All das belege die enge Nähe.
Mit Blick auf die Vorwürfe im Gutachten zeigte sich Siegmund unbeeindruckt. Die dortigen Passagen bezeichnete er gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT als „die normalsten Dinge“. Außerdem betonte er, die Landespartei prüfe, inwieweit sich ihre Mitglieder ausdrücklich zum Grundgesetz bekennen. Rechtsextreme „Zuschreibungen“ durch Medien oder Behörden weise man jedoch entschieden zurück.
AfD-Abgeordneter knüpft im Landtag an NS-Rhetorik an
Häufiger Auslöser von Debatten ist der AfD-Abgeordnete Hans Thomas Tillschneider. Der promovierte Islamwissenschaftler, geboren im rumänischen Timișoara, zählt zum rechten Flügel seiner Partei und greift in seinen Redebeiträgen immer wieder auf Begriffe zurück, die aus dem Sprachgebrauch der Nationalsozialisten stammen.
Im Jahr 2024 bezeichnete Tillschneider das Bauhaus im Landtag als „Irrweg der Moderne“ – ein Ausdruck, den bereits der NS-Ideologe Paul Schultze-Naumburg verwendet hatte. Dessen Schrift Kunst und Rasse prägte maßgeblich die Kulturpolitik der Nationalsozialisten.
Während Schultze-Naumburg das Flachdach als „undeutsch“ verwarf, knüpfte Tillschneider zumindest indirekt an diese Argumentation an. Nach seinen Worten widersprechen die Ideen des Bauhauses „traditionellen und kulturell verankerten Vorstellungen von Wohn- und Lebensräumen“. Ein „globaler Einheitsbrei“ habe zudem „lokale Identitäten“ verdrängt.
In der anschließenden Debatte wies Tillschneider jeden Vorwurf zurück, sich nationalsozialistischen Denkmustern anzunähern. Dies sei lediglich ein Versuch, einer inhaltlichen Auseinandersetzung auszuweichen.
Vor der Landtagswahl 2026: Diese Kandidaten stellen sich der AfD entgegen
Bisher stellen sich dem AfD-Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt nur zwei direkte Konkurrenten.
Für die CDU tritt Landeschef Sven Schulze an. Der 46-Jährige ist Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus und Forsten und in seinem Ressort durchaus etabliert. Als CDU-Vorsitzender im Bundesland verfügt er jedoch nur über begrenzte Bekanntheit: Laut einer Umfrage kennen ihn lediglich 44 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, während Ministerpräsident Reiner Haseloff auf einen Wert von 94 Prozent kommt.
Entsprechend setzt die CDU im Wahlkampf weiter stark auf Haseloff. Der dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands regiert seit 2011 in wechselnden Koalitionen. Auch er begann einst als Wirtschaftsminister, galt zu Beginn als fleißig, aber blass, und musste in die großen Fußstapfen seines inzwischen verstorbenen Vorgängers Wolfgang Böhmer treten.
Die SPD hat am Samstag, ein Jahr vor der Landtagswahl, Umweltminister Armin Willingmann offiziell zu ihrem Spitzenkandidaten gekürt. Der 62-Jährige erhielt auf dem Landesparteitag in Quedlinburg 97 von 98 gültigen Stimmen, bei einer Enthaltung und ohne Gegenkandidatur. Bereits im Juni hatte ihn der Landesvorstand einstimmig nominiert.
Bei den anderen Parteien steht die offizielle Nominierung eines Kandidaten noch aus. Die FDP plant ihren Listenparteitag am 15. November in Staßfurt, während die Grünen ihre Landesliste am 22. und 23. November in Wittenberg aufstellen wollen.
Alleinregierungen bleiben Ausnahme
Alleinregierungen sind in Deutschland eine Rarität. Aktuell gibt es nur ein Bundesland, in dem eine Partei ohne Partner regiert: das Saarland. Dort gewann die SPD mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger bei der Landtagswahl am 27. März 2022 43,5 Prozent der Stimmen, errang damit die absolute Mehrheit und stellt seither 29 der 51 Abgeordneten im Landtag. Neben den Sozialdemokraten sind lediglich CDU und AfD vertreten.
Auf Bundesebene sind Alleinregierungen noch seltener. Seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 wurde das Land fast durchgehend von Koalitionen regiert. Nur ein einziges Mal, von November 1961 bis Dezember 1962, stand mit Konrad Adenauer ein Kanzler an der Spitze einer Alleinregierung.
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