Wehrdienst, Waffenlieferung, Wiederaufbau: Merz Regierungserklärung

Bevor Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kommende Woche zum EU-Gipfel nach Brüssel reist, hat er in seiner Regierungserklärung im Bundestag die großen Linien, die er dort vertreten möchte, aufgezeichnet.
Bei dem europäischen Spitzentreffen am 23. und 24. Oktober soll es um den Krieg in der Ukraine, die Bedrohung durch Russland und die Lage im Nahen Osten gehen. Diese Themen beschäftigen auch die deutsche Innenpolitik. Nicht zuletzt die Debatte um den Wehrdienst und die Aufrüstung zeigt jedoch, dass Deutschlands Positionen nicht eindeutig sind, auch die Sicherung des Rentenniveaus führte bisher zu Diskussionen.
Merz: Politisches Handeln mache einen Unterschied
Seine Regierungserklärung hat Friedrich Merz mit dem Gedenken an die Opfer des Krieges zwischen Hamas und Israel begonnen. Er verspüre "große Freude und Erleichterung", dass die letzten lebenden Geiseln am Montag aus der Hamas-Gefangenschaft freigekommen sind.
Das Abkommen, mit dem die Geiselrückgabe beschlossen wurde, habe dafür gesorgt, dass es nun "Hoffnung auf einen echten, dauerhaften Frieden in der Region" gebe, so Merz. Durch die Zusammenarbeit der USA, Katars, Ägyptens und der Türkei sei die Grundlage geschaffen worden, "diesen schrecklichen Krieg" zu beenden.
Merz sagte, man habe erlebt, was möglich sei, wenn die Völkergemeinschaft zusammenarbeitet. Politisches Handeln mache einen Unterschied in dieser Welt, "zum Guten wie zum Schlechten". So ist der Friedensplan laut Merz auch ein Anlass für Europa, die eigene Verantwortung ernst zu nehmen.
Europa müsse seine Möglichkeiten "entschlossener und geschlossener nutzen und muss seine Macht zum Einsatz bringen, um die Entwicklung der Welt zum Besseren mitzugestalten", sagte Merz und spielt damit unweigerlich auf den Krieg Russlands in der Ukraine an.
"Stärke bewahrt Frieden, Schwäche bringt Frieden ins Wanken"
Aus der europäischen Geschichte habe Merz gelernt, dass nur Stärke Frieden bewahre. Schwäche hingegen bringe den Frieden ins Wanken. Jedes europäische Land allein sei nicht mächtig genug, aber als Bund könne Europa die "Besserung der Welt" mitgestalten.
So ist die Zusammenarbeit in der Europäischen Union zwar unabdingbar, doch Merz betonte auch, dass es Führungskraft in Europa brauche, insbesondere aus dem "großen Land in seiner Mitte". Als Regierung übernehme er "Verantwortung für Deutschland", wenn Deutschland wirtschaftlichen Aufschwung und Wettbewerbsfähigkeit wieder erlebe und dadurch innerhalb der EU mit gutem Beispiel vorangehe.
Für ein starkes Europa brauche es eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und für eine europäische starke Wirtschaft sind doch die einzelnen Mitgliedsstaaten gefragt. Ein gemeinsamer Binnenmarkt, ein Kapitalmarkt ist hierbei allerdings unabdingbar. Die Europäische Union müsse viel besser darin werden, die Wachstumskraft des europäischen Binnenmarkts auszuschöpfen.
Um die Sicherheit des Binnenmarkts ohne große Einschränkungen an den Grenzen gewährleisten zu können. Hierfür hält der Kanzler neue konsequente Migrationsregeln für notwendig. "Migration ist eine nationale Aufgabe, aber auch eine europäische Aufgabe", macht Merz deutlich. Für ihn ist die Steuerung von Migrationsbewegungen und die Weiterentwicklung des gemeinsamen europäischen Asylsystems prioritär.
Weniger Regeln, weniger Bürokratie
Womit Europa zu kämpfen habe, ist die Bürokratisierung und dass Handel "wieder zu einem Machtinstrument geworden" sei, so Merz. Die zuletzt verhängten Zölle sowie Protektionismus schade allen, während offene und freie Märkte Wohlstand bringen. "Dieses Grundverständnis hat Europa zu einem der stabilsten und erfolgreichsten Handelsräume der Welt gemacht und Deutschland großen Wohlstand beschert."
Doch die internationale Handelssituation bleibt weiterhin schwierig und so müsse Europa neue Märkte gewinnen. "Jedes neue Abkommen stärkt Europas Wettbewerbsfähigkeit", sagt Merz und fordert eine endgültige Unterzeichnung des MERCOSUR-Abkommens noch im laufenden Jahr. Er stellt außerdem ein weiteres Handelsabkommen mit Indien in Aussicht und stellte Deutschlands Verhandlungsposition in den Vordergrund.
Darüber hinaus will der Bundeskanzler mit seinen Kollegen in Brüssel Überregulierung zurückbauen und zukünftig verhindern. "Auch in Europa brauchen wir hier einen Kulturwandel – wir brauchen nicht mehr Regeln, sondern bessere Regeln – und weniger Regeln." Man müsse Vorschriften vereinfachen.
Verteidigungsfähigkeit: "Nur Stärke bewahrt Frieden"
"Wir müssen die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik schnell stärken", fordert der Kanzler. Dazu gehöre auch die Stärkung der Bundeswehr auf nationaler Ebene, in den vergangenen Monaten habe die Bundesregierung eine Reihe von Entscheidungen getroffen.
Er wiederholte nochmals, dass die "Bundeswehr zu stärksten konventionellen Armee in der Europäischen Union" aufsteigen soll. Deutschland würde für Europa Maßstäbe setzen und als Land seiner Größe der Verantwortung angemessen gerecht werden.
"Stärke, Abschreckung und ein konsequenter Einsatz für unsere demokratischen Werte: Das heißt es, Friedensmacht zu sein", erklärte der Kanzler. Man müsse sich in Europa schneller abstimmen, besser koordinieren und entschlossener handeln und in der Verteidigung mehr eigene Verantwortung übernehmen.
In Bezug auf Russland stellte Merz klar: "Wir lassen uns nicht ängstigen. Wir lassen nicht zu, dass unsere freiheitliche Gesellschaft mit hybriden Angriffen verunsichert wird. Wir werden uns dagegen wehren." Der russische Präsident Putin führe seit dreieinhalb Jahren einen brutalen Angriffskrieg, ziele auf die Destabilisierung Europas ab, Deutschland hingegen bedrohe niemanden. Die Aufrüstung diene lediglich der Abschreckung und der Bereitschaft zur Verteidigung im Ernstfall.
Putin würde sich "verkalkulieren", sagte Merz und machte erneut deutlich: "Wir unterstützen den ukrainischen Abwehrkampf so lange wie nötig. Dazu sollen die eingefroreren russischen Vermögenswerte zur militärischen Ausrüstung der Ukraine dienen, hat er auf EU-Ebene vorgeschlagen. Dabei macht Merz deutlich, dass nicht ein langer Krieg, sondern ein schnelles Ende das übergeordnete Ziel ist. Hinter der EU liege eine erfolgreiche Geschichte der Friedensmacht.
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