Der Kanzler hat sich verschätzt: Kaum Einsparungen mit Bürgergeld

Im Wahlkampf hat die Union die Reform des Bürgergelds zum großen Einsparpotenzial erklärt, nun liegt der Gesetzesentwurf vor. Hält Merz sein Versprechen von fünf Milliarden Euro Ersparnissen mit der Grundsicherung?
Der Gesetzesentwurf zur Bürgergeld-Reform liegt der Regierung vor. Von nun an soll es die Grundsicherung sein und - unnötige Ausgaben sollten mit der Reform eingespart, die Leistungen beschränkt werden und der Kostenaufwand sinken.
Ob das Ziel wie geplant gelingt, stellen die neuen Berechnungen im Gesetzesentwurf allerdings in Frage. So kann die Bundesregierung im kommenden Jahr nach übereinstimmenden Medienangaben 86 Millionen Euro einsparen, im Jahr 2027: 69 Millionen Euro.
Danach könnte es allerdings zu Mehrkosten kommen, etwa aufgrund des höheren Vermittlungsaufwands der Agentur für Arbeit. Die Rechnung, die Ausgaben für Bund, Länder, Kommunen und die Arbeitsagentur für Arbeit zusammenzählt, plant für 2028 Mehrkosten von zehn Millionen Euro, 2029 mit neun Millionen Euro.
Die Ausgaben für das Bürgergeld liegen derzeit bei 52 Milliarden Euro. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bereits im Wahlkampf Anfang des Jahres große Versprechen hinsichtlich Kürzungen versprochen. Vergangene Woche hatte der CDU-Politiker noch bekräftigt, man könne zehn Prozent der Gesamtausgaben im Bürgergeld einsparen. Jährlich würde sich dies auf etwa fünf Milliarden Euro belaufen.
Die Arbeitsministerin Bärbel Bas hingegen sagte bereits vergangene Woche nach dem Trefefn der Parteispitzen von CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss: "Der Betrag wird klein sein". Verrechnet man die Angaben für die kommenden vier Jahre, so würden die Einsparungen nur einen Anteil von 0,02 Prozent der Gesamtkosten ausmachen.
Die neue Grundsicherung, die das Bürgergeld durch die Reform ersetzen soll, werde "ein System sein, wo jetzt sehr viele sagen, es lohnt sich nicht, da zu bleiben, ich will wieder arbeiten." Das sagte Merz im Interview mit dem ARD Hauptstadtstudio.
Sein Versprechen der fünf Milliarden lässt sich mit dem Gesetzesentwurf allerdings nur durch einen zusätzlichen Kommentar erklären. Die große Entlastung des Staatshaushaltes sei demnach nicht die Reform zur Grundsicherung, davor hatte auch Bas gewarnt. Das große Sparpotenzial enstehe erst dadurch, wenn Leistungsempfänger großteilig in Jobs finden.
Voraussetzung für Einsparungen, so heißt es im Gesetzentwurf, "ist und bleibt allerdings eine konjunkturelle Belebung", die neue Jobs schaffe.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bewertet die Sparpläne jedoch als unrealistisch. Es sei "mehr als fraglich, ob die Milliarden-Einsparungen gelingen", heißt es in einer Mitteilung des Instituts.
Das steht im Gesetzesentwurf zur Grundsicherung
Der Gesetzesentwurf zur Grundsicherung sieht vor, dass in vielen Bereichen die Regeln verschärft werden. Das betrifft sowohl die Miete, als auch das Schonvermögen und Sanktionen.
Insbesondere sollen die Verschärfungen auf die Personen Einfluss nehmen, die sich gegen eine Zusammenarbeit mit dem Jobcenter entscheiden. Bei wiederholten Verstößen gegen eine oder mehrere Regeln kann das Geld gestrichen werden, im schlimmsten Fall sogar die Mietzahlung.
Insbesondere die völlige Streichung von Leistungen ist juristisch nicht vollends geklärt. 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass lediglich eine Kürzung von höchstens 30 Prozent zulässig ist. In bestimmten Ausnahmefällen bei sogenannten Totalverweigerern, die konkrete Angebote für einen Job mehrmals ablehnen, ist dieses Urteil nicht vollends geklärt.
Der Gesetzentwurf der Arbeitsministerin Bärbel Bas soll nun in der Regierung beraten werden. Bis Jahresende will die Regierung unter Friedrich Merz die Reform zur Grundsicherung beschließen. Danach ist noch die Zustimmung des Bundestags im kommenden Jahr notwendig.
Warum lässt sich beim Bürgergeld nur so wenig einsparen?
Aktuell bekommen 5,3 Millionen Leistungsempfänger Bürgergeld. Dazu zählen 1,4 Millionen Nicht-Erwerbsfähige, größtenteils Kinder unter 15 Jahren. Insgesamt wären theoretisch also 3,9 Millionen Menschen erwerbsfähig. Das bedeutet, dass sie mindestens drei Stunden täglich arbeiten könnten.
Von diesen Personen sind allerdings 2,2 Millionen laut einer Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit aus dem April zwar erwerbsfähig, aber nicht arbeitslos. Das ist beispielsweise Aufstockende, Pflegende und Kranke. Dadurch bleiben 1,8 Millionen arbeitslose Erwerbsfähige.
"Viele Menschen im Bürgergeldbezug haben gesundheitliche Einschränkungen, einigen fehlt es an einer Berufsausbildung, an Deutschkenntnissen oder Kinderbetreuung. Nur eine kleine Gruppe hat keines dieser Hemmnisse für den Arbeitsmarkt", sagte Kerstin Bruckmeier vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dem ZDFheute.
So kann zwar ein Anteil der arbeitsfähigen Erwerbslosen aus dem Bürgergeld den Weg in den Job finden, doch auch hier muss die Agentur für Arbeit eine Vermittlung leisten.
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