Ukrainer: Bei Frieden bleiben? Grüne fordern "langfristige Aufenthaltstitel"

Noch ist es lange nicht so weit, aber nie war die Hoffnung so groß: Zwischen der Ukraine und Russland könnten womöglich direkte Friedensverhandlungen stattfinden. In der historischen Nacht am Montag sprach US-Präsident Donald Trump davon, dass schon in den "nächsten zwei Wochen" Verhandlungen möglich seien. Entscheidend vor allem: Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Falls ein Frieden möglich wird, betrifft dies auch Deutschland. Denn hier leben insgesamt 1,26 Millionen ukrainische Staatsbürger – der Großteil sind Kriegsvertriebene. Viele davon gelten als gut integriert, ehrenamtlich engagiert.
Doch dass 701.000 Ukrainer Bürgergeld-Stütze beziehen (Stand April), sorgt für Debatten. Pro Jahr sind das rund 6 Milliarden Euro. 502.000 von ihnen sind erwerbsfähig. Zwar stieg im Vergleich zum Vorjahr die Zahl an Ukrainern in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (272.000). Jedoch haben nur 33 Prozent von ihnen einen Job.
Rechtlich sei die Sache klar, betonte Heiko Teggatz am Donnerstag gegenüber Euronews: "Wenn Frieden ist, müssen ALLE Bürgergeld-Bezieher aus der Ukraine in ihre Heimat zurück! Grundsätzlich müssten nahe zu alle kriegsvertriebenen Ukrainer zurück." Der Unterschied zu Syrien sei, "die Ukraine ist zweifelsfrei ein sicherer Herkunftsstaat", so der Chef der Bundespolizeigewerkschaft.
Anders sieht das die Oppositionspartei die Grünen. Auf die Frage, ob kriegsvertriebene Ukrainer, die Bürgergeld beziehen, im Falle eines Friedens Deutschland verlassen müssen, betont Innenpolitikerin Filiz Polat (Grüne) zu Euronews: "Aktuell ist kein Raum für Spekulationen darüber, ob Ukrainer*innen der Schutz entzogen werden sollte."
Viele ukrainische Flüchtlinge, die seit 2022 gekommen sind, konnten offenbar nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden. Oftmals ist die Bürokratiehürde für Unternehmen oder Vermittlungsagenturen hoch. Allerdings sind auch vereinzelnt Fälle von Sozialbetrug bekannt: Darunter Ukrainer, die in Deutschland registriert sind und Bürgergeld-Leistungen erhalten, sich jedoch gar nicht in der Bundesrepublik aufhalten. Beispielsweise erhielt eine Familie 40.000 Euro Stütze, obwohl sie nach wenigen Monaten in die Ukraine zurückging.
Grünen-Politikerin plädiert für "langfristigen Aufenthaltstitel"
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Filiz Polat, betont: "Ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedsstaaten ist zu begrüßen - es darf nicht zu Alleingängen oder zu überstürzten Entscheidungen kommen." Auf EU-Ebene werde bereits an Empfehlungen für einen "koordinierten Übergang" gearbeitet.
Vorrang hätte, die Ukraine "bei ihrer Verteidigung und in den Verhandlungen bestmöglich" zu unterstützen. Dazu gehöre, dass "ukrainische Geflüchtete in Deutschland weiterhin Schutz bekommen und auch an der Gesellschaft teilhaben können".
Auf die Frage von Euronews, ob bei einem Kriegsende ukrainische Bürgergeld-Bezieher Deutschland verlassen müssten und ukrainische Beschäftigte bleiben sollten, entgegnet Polat: "Was es braucht, ist eine weitsichtige Strategie mit unbürokratischen, pragmatischen Lösungen für den Übergang in langfristige Aufenthaltstitel und Möglichkeiten zu freiwilliger und selbstbestimmter Rückkehr."
Viele Menschen aus der Ukraine hätten in Deutschland eine Ausbildung begonnen, einen Job gefunden, ein soziales Umfeld sich aufgebaut, Deutsch gelernt oder gehen hier zur Schule, erklärt Polat weiter. "Um ihnen ein Stück Sicherheit zu geben und zu verhindern, dass sie erneut ihr Zuhause verlieren, sollte ein unkomplizierter Wechsel innerhalb des Aufenthalt ermöglicht werden."
SPD-Landrat: "Fallen Asylgründe weg, muss man das Land verlassen"
Die zwei Thüringer SPD-Landräte Marko Wolfram und Matthias Jendricke legten kürzlich ein Konzept vor, das vorsieht, Bürgergeld für Flüchtlinge nur noch als zinsfreie Darlehen zu gewähren. Das Ziel: Wer nach Deutschland einreist und bisher nichts eingezahlt hat, soll Sozialleistungen nur noch als zinsloses Darlehen erhalten. Ähnlich wie das Bafög-Modell soll es Abschläge für Empfänger geben, die eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehmen und Leistungen zurückzahlen.
Auf die Frage, ob ukrainische Bürgergeld-Bezieher Deutschland verlassen müssen sagt Landrat Marko Wolfram (SPD) zu Euronews: "Genau dafür ist die Bilanz hilfreich. Sie ist ein Indiz für den Willen zur Integration. Fallen die Asylgründe weg, muss man das Land verlassen oder man nutzt die Chance und stellt einen Antrag auf Einbürgerung. Bei dem wird dann die Bilanz berücksichtigt."
Landrat Wolfram aus Kreises Saalfeld-Rudolstadt erklärt sein Bilanz-Konzept so: "Zusammen mit meinem Nordhäuser Landratskollegen Matthias Jendricke plädiere ich für ein Leistungsbilanzkonto. Der Staat gibt zunächst die nötigen Leistungen für den Lebensunterhalt. Damit sind wir auch verfassungskonform."
Im Gegenzug gäbe es auf der Haben-Seite Pluspunkte für wichtige Schritte auf dem Weg zur Integration: "Schulabschlüsse der Kinder, erfolgreiche Sprachkurse, Arbeitsaufnahme." Mit klaren, transparenten Regeln gäbe es so "einen Anreiz für Integration – wer daran kein Interesse hat, muss gehen!"
Wolfram betont, es war zu Beginn des Krieges "richtig", die Flüchtlinge aus der Ukraine in den Bürgergeldbezug zu nehmen, da "das Asylsystem sonst überfordert gewesen wäre". Doch jetzt: "Brauchen wir ein transparentes System, das positive Anreize für eine Integration setzt und Konsequenzen für die Unwilligen aufzeigt. Das gilt übrigens nicht nur für Geflüchtete aus der Ukraine."
Grünen-Geschäftsführerin fordert "Förderprogramme" für Rückkehrer
Die Grünen Bundestagsabgeordnete Feliz Polat betont, dass Deutschland sowohl eine freiwillige Rückkehr von Ukrainern als auch den Wiederaufbau der Ukraine deutlich unterstützen sollte.
Sie fordert: "Deutschland sollte den Wiederaufbau aktiv unterstützen und Menschen begleiten, die sich für eine selbstbestimmte Rückkehr entscheiden."
Dazu gehören "gezielte Förderprogramme" als auch "eine bessere Bereitstellung von Informationen über die verfügbaren Möglichkeiten", so die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen.
Aktuell hält sich der russische Kreml-Chef noch bedeckt. Dass Wladimir Putin zu einem direkten Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereit ist, hat bisher nur US-Präsident Trump verkündet. Ob es wirklich zu einem Gespräch der beiden allein im Raum kommt, um über ein Kriegsende zu verhandeln - darüber wird seit Tagen hinter den mächtigen Türen verhandelt.
Polizeigewerkschaftler Heiko Teggatz erklärte am Donnerstag: "Wenn kein Krieg mehr ist, sind sie rechtlich keine Kriegsvertriebenen mehr. Dann gilt die EU-Regelung nicht mehr. Dann müssen alle Vertriebenen in ihr Heimatland zurück." Menschen, die aus der Region Donbass stammen, welche in den Friedensverhandlungen an Putin fallen könnte, könnten in der Ukraine woanders sicher weiterleben.
Teggatz macht seinen Standpunkt noch deutlicher: "Wer hier in Lohn und Brot steht, der kann natürlich hier bleiben, so lange er in Deutschland Arbeit hat." Doch wenn er die Arbeit verliert, "muss er nach Hause, bevor er ins Bürgergeld fällt".
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