Deutschland drängt auf Kurswechsel: Was Merz beim EU-Gipfel fordert

Bundeskanzler Friedrich Merz kommt mit ganz konkreten Plänen für die EU zum Gipfel nach Brüssel. Mit 19 seiner Kollegen schlägt er einen ehrgeizigen Reformfahrplan vor. Ähnlich wie für sein eigenes Land will der CDU-Politiker auch für Europa bessere Positionen im internationalen Wettbewerb aushandeln.
Sein erster Vorschlag für mehr Wettbewerbsfähigkeit? Das Entrümpeln der bisherigen "Überregulierung". In seiner Regierungserklärung vergangene Woche forderte Merz einen "Kulturwandel: wir brauchen nicht mehr Regeln, sondern bessere Regeln – und weniger Regeln", sagte er im Bundestag.
Jetzt legt der Bundeskanzler gemeinsam mit 19 anderen Regierungs- und Staatschefs nach. In einem Brief an den EU-Ratspräsident António Costa mahnen die europäischen Spitzenpolitiker einen Bürokratieabbau in drei Schritten an. Sie stellen einen Sondergipfel zur Wettbewerbsfähigkeit für Februar 2026 in Aussicht.
Merz fordert Bürokratieabbau in der EU
20 Regierungs- und Staatschefs geben der EU-Kommission Hausaufgaben. Bisherige Vorschriften sollen vereinfacht werden, neue Regelungen nur nach dringender Notwendigkeit eingeführt werden. In dem Brief an Ratspräsident Costa wird ein ehrgeiziger Zeitplan in drei Schritten vorgestellt.
- 1. Schritt: Die Europäische Kommission soll bis Jahresende einen Mechanismus zur systematischen Überprüfung aller EU-Vorschriften vorlegen.
- 2. Schritt: Sobald ein Lagebild über den Ist-Zustand der europäischen Regelungen besteht, soll das Regelwerk verschlankt werden. Veraltete Bestimmungen sollen abgebaut werden, sich doppelnde Vorschriften vereinfacht.
- 3. Schritt: Neue Gesetzgebungen sollen in Zukunft nur noch das "absolute Minimum" regulieren und somit für eine Vereinfachung der Bürokratie sorgen.
Ein möglicher Sondergipfel der EU-Mitgliedsstaaten könnte für Februar im kommenden Jahr geplant werden. Unterschrieben haben den Brief neben Merz auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und Polens Ministerpräsident Donald Tusk.
Sie alle erhoffen sich durch die Vereinfachung des EU-Regelwerks mehr Vorteile - sowohl für die nationale als auch die pan-europäische Wettbewerbsfähigkeit. Denn Planungs- und Genehmigungsverfahren könnten durch den Drei-Schritte-Plan vereinfacht und beschleunigt werden.
Laut den Autoren des Briefs würde es den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen verbessern und deren Wachstum einfacher zu fördern sein. Durch das Minimieren von Bürokratie könnte die Berichts- und Informationspflicht dieser Unternehmen entlastet werden.
"Viele Menschen in Europa zweifeln heute, wenn sie mit unseren Regeln und Gesetzen in Berührung kommen – sie empfinden, dass diese uns eher ausbremsen als leiten, dass sie Wege versperren statt Freiräume und Chancen zu eröffnen", heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
"Wenn wir unseren Kurs nicht ändern, wird Europa im globalen Wettbewerb an Wettbewerbsfähigkeit verlieren", so Merz und die anderen Spitzenpolitikerin dem Brief, den unter anderem Deutschland mit initiiert haben soll. In der heutigen Welt sei der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit die Grundlage für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. "Dazu müssen wir ihren Kurs ändern, und zwar nicht nur ein wenig, sondern substanziell."
Das soll die EU laut Merz für die Ukraine tun
Aus der europäischen Geschichte habe Merz gelernt, dass nur Stärke Frieden bewahre. Schwäche hingegen bringe den Frieden ins Wanken. Jedes europäische Land allein sei nicht mächtig genug, aber als Bund könne Europa die "Besserung der Welt" mitgestalten.
Er betonte dabei auch die Wirksamkeit politischen Handels, wie man sich beim Friedensabkommen zwischen Israel und der Hamas gesehen hätte. Politisches Handeln mache einen Unterschied in dieser Welt, "zum Guten wie zum Schlechten". So ist der Friedensplan laut Merz auch ein Anlass für Europa, die eigene Verantwortung ernst zu nehmen.
Europa müsse seine Möglichkeiten "entschlossener und geschlossener nutzen und muss seine Macht zum Einsatz bringen, um die Entwicklung der Welt zum Besseren mitzugestalten", sagte Merz bei seiner Regierungserklärung und spielt damit unweigerlich auf den Krieg Russlands in der Ukraine an. Zuletzt teilte er auf der Plattform X, dass auch die Ukraine "einen Friedensplan" brauche. Die Ukraine kann sich auf die volle Unterstützung von Deutschland und der EU verlassen.
So ist die Zusammenarbeit in der Europäischen Union zwar unabdingbar, doch Merz betonte auch, dass es Führungskraft in Europa brauche, insbesondere aus dem "großen Land in seiner Mitte". Als Regierung übernehme er "Verantwortung für Deutschland", wenn Deutschland wirtschaftlichen Aufschwung und Wettbewerbsfähigkeit wieder erlebe und dadurch innerhalb der EU mit gutem Beispiel vorangehe.
EU-Gipfel in Brüssel
Am 23. und 24. Oktober kommen in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer zusammen, um über die Zukunft der Union zu diskutieren. Diesmal steht neben der weiteren Unterstützung der Ukraine gegen Russlands Angriffskrieg vor allem die Union selbst im Fokus.
Geprägt von US-Präsident Donald Trumps instabiler Zollpolitik der vergangenen neun Monate sowie Schwierigkeiten, die Wirtschaft in einen Aufschwung zu bringen, bangt die EU um ihre internationale Handelsposition.
Europa müsse neue Märkte gewinnen, trotz der schwierigen internationalen Handelssituation, so Merz im Bundestag. "Jedes neue Abkommen stärkt Europas Wettbewerbsfähigkeit", sagte Merz und fordert eine endgültige Unterzeichnung des MERCOSUR-Abkommens noch im laufenden Jahr. Er stellt außerdem ein weiteres Handelsabkommen mit Indien in Aussicht und mahnte Deutschlands Verhandlungsposition im Vordergrund an.
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